Nach längerer Zeit habe ich
wieder etwas für den Verlag Droemer/Knaur testlesen dürfen und zwar das Buch
„Ferne Tochter“ von Renate Ahrens. Herzlichen Dank an den Verlag für das
Rezensionsexemplar.
In diesem Buch lernen wir Judith
Velotti kennen, sie ist gebürtige Deutsche, lebt aber schon seit 20 Jahren in
Rom und ist dort Restauratorin, Spezialistin für Fresken der Renaissance. Sie
ist mit dem erfolgreichen, aus einer gutsituierten Familie (der Vater Vincenzo
ist Kunsthändler) stammenden Anwalt Francesco glücklich verheiratet. Wir
erfahren dass sie sich bis jetzt vergeblich bemüht haben ein Kind zu bekommen.
Von ihrer deutschen Vergangenheit erfahren wir anfangs nur wenig: warum ist
sie aus Deutschland weggegangen? Was hat sie zurückgelassen? Dass diese Fragen
die Kernfragen der vor uns sich öffnenden Geschichte sein dürften erfahren wir
spätestens dann als sie von Freundin aus ihrem früheren Leben angerufen wird
die ihr mitteilt, dass ihr verlassenes Elternhaus in Hamburg zu verkommen
droht. Nur widerwillig lässt sie das Fresko des Renaissance-Malers Filippino
Lippi mit dem Engel, der Maria ihre Schwangerschaft verkündet, an dem sie
gerade arbeitet, hinter sich und bucht einen Flug in die alte Heimat. Dort
findet sie das verlassene Haus vor und erfährt, dass ihr Vater verstorben ist
und ihre Mutter seit einem Schlaganfall im Krankenhaus vor sich hin vegetiert.
Die alten Wunden reißen wieder auf und der ganze Abgrund ihres früheren Lebens
liegt vor Judith: ihr Geheimnis will ans Licht.
Erzähltechnisch haben wir eine
Geschichte mit Zeitsprüngen vor uns. Im Hauptstrang wird von Judith Velottis
Gegenwart aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur erzählt, diese ereignet sich
im Sommer und Herbst 2011. Dann werden in Form von Rückblenden bzw. Flashbacks
immer wieder Szenen aus ihrer Vergangenheit eingeblendet. Diese erzählerische
Monatetechnik führt dazu, dass der Leser stückchenweise Informationen von
früher erhält, die für die momentane Problematik der Protagonistin entscheidend
sind. Schnell wird so klar dass die Geschichte eines Verlustes ist: Judith hat
ihr Kind verloren.
Das Buch ist sehr metaphorisch
angelegt, vor allem ihr Beruf dient der Autorin zur Illustration ihrer
Geschichte. So wie Judith ihrer Fresko restauriert, so legt sie auch ihre
eigene Vergangenheit frei, sie „restauriert“ sie gleichermaßen Schicht für
Schicht. Dabei stellt sie sich die Frage ob sie es in altem Glanz erstrahlen
lassen soll (diese Meinung hat sie bisher immer vertreten) oder ob sie
Beschädigungen, die ihm die Zeit zugefügt haben, offenlegen und für den
Betrachter sichtbar machen soll. So ist es natürlich auch mit ihrem eigenen
Leben bestellt: war es richtig die schlafenden Hunde ihrer Vergangenheit zu
wecken? Wie wird sie noch ihre Gegenwart leben können wenn ihr neues Umfeld
weiß, was früher geschehen ist?
Wie Judith an diese Fragen
herangeht ist ohne Frage spannend für den Leser. Der Stil von Renate Ahrens hat
mich zu Anfangs irritiert: sehr parataktisch und dokumentarisch. Ich denke das
soll Unmittelbarkeit erzeugen und dem Leser das Gefühl geben dass er etwas
beobachtet.
Die Geschichte ist in sich
geschlossen, natürlich auch ein wenig vorhersehbar, an manchen Stellen wirkt
sie allzu konstruiert. Dennoch finde ich das Buch recht gelungen, vorausgesetzt
man mag Geschichten die ein wenig traurig von der Grundstimmung sind und in
denen es um Selbstfindung und Identitätsproblematiken geht.
Meine Ausgabe:
Verlag:Knaur
Erscheinungsjahr: 2012
Erstausgabe: -
Seiten: 288 Seiten
ISBN: 3426510936
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