Herbst 2004. Der Mittfünfziger
Harold – nur von seiner Lebenspartnerin
und Mutter der vier gemeinsamen Kinder Amanda „Harry“ genannt – Cleaver ist ein berühmter und erfolgreicher
Fernsehjournalist in England. Nachdem sein Sohn einen Enthüllungsroman über ihn
geschrieben hat und dieser auch noch für den renommierten Booker-Prize
nominiert wurde und außerdem Cleavers brisantes Interview mit dem
amerikanischen Präsenten für Furore gesorgt hat, steigt der Fernsehmann in
einen Flieger nach Mailand, mit dem Ziel die nächsten Jahre abgeschieden von
Beruf und Familie in den Südtiroler Bergen zu verbringen.
Die Erinnerung an eine ehemalige
Affäre lässt ihn diesen abgelegenen Flecken Erde aufsuchen, wo er sich zunächst
auf dem bäuerlichen „Trennerhof“ in Luttach einmietet. Schnell gewöhnt sich
Cleaver an das neue Umfeld und die Mitglieder des Familienbetriebs wachsen ihm
ans Herz. Frau Schleiermacher bietet ihm an den Winter bei Ihnen zu einem
fairen Preis für Kost und Logis auf dem „Trennerhof“ zu verbringen. Doch als
ein alter Nazi zur Freude aller Dorfbewohner stirbt und dessen extrem
abgeschiedener „Rosenkranzhof“ Cleaver als neue Behausung angeboten wird zögert
dieser nicht lange und beginnt dort ein „echtes“ Eremitendasein. Cleaver
recherchiert und nach und nach tun sich ihm die Abgründe auf, die sich zwischen
den Bewohnern von Luttach abspielen und abgespielt haben.
Die „äußere“ Handlung des Romans
ist überschaubar: Cleaver lebt sich ein und begegnet neben den Verstrickungen der Einheimischen immer wieder
Dingen, die ihn über sein eigenes Leben nachdenken lassen. So besteht die
eigentliche Handlung vor allem aus den Reflektionen Cleavers, der seine eigene
Vergangenheit (den Tod seiner Tochter Angela, die Lebenspartnerschaft mit
Amanda und die außerpartnerschaftlichen Affären, das Verhältnis zu seinem Sohn
und den anderen Kindern, die Arbeit im und für das Fernsehen) aufarbeitet. Dies
ist aber keinesfalls langweilig für den Leser, weil der Autor es schafft die
tatsächlichen Ereignisse mit dem inneren Monolog des Protagonisten zu einem
dichten Netz zu verweben, in dem sich viele Dinge spiegeln und reflektieren.
Ich habe das Buch im englischen
Original gelesen und die deutschen Sätze (gelegentlich auch in Form oberdeutsch-dialektaler
Ausdrücke) wie selbstverständlich mitgelesen. Der deutschsprachige Leser muss
sich also erst mal bewusstmachen dass dies natürlich „Störfaktoren“ sind, die
die Prosa sperriger machen sollen und dem englischsprachigen Leser vermitteln
dass sich Cleaver (und bis zu einem gewissen Grad auch er) an einem „exotischen
Ort“ befindet, an welchem er die Einheimischen nicht versteht und selbst ein
Außenseiter ist.
Der Roman ist von seiner Anlage
und Intention her tragikomisch, d.h. er ist trotz einer gewissen Schwere der
Thematik mit einer feinen unterschwelligen Ironie konzipiert.
Fazit: Ein großartiger Parforceritt durch die Wahrnehmung eines eingefahrenen Mittfünfzigers, der in den Südtiroler Bergen neu zum Leben erwacht.
Meine Ausgabe:
Verlag: Vintage
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2007
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2007
Seiten: 320
ISBN: 978-0099481393
Deutsche Übersetzung: Stille (2008, Goldmann)
Deutsche Übersetzung: Stille (2008, Goldmann)
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