Ein Auswandererroman aus dem Deutschland des 19. Jahrhunderts!
Da hat man sofort Vorurteile und denkt an junge Frauen, die mit ihrem viel
älteren und „zwangsverheiratet“ ungeliebten Gemahl zu fernen Kontinenten aufbrechen
und sich dort selbst finden – und die echte Liebe in Form eines attraktiven und
unabhängigen Einheimischen noch dazu.
So weit und im Falle von „Das goldene Ufer“ so unangebracht.
Hier handelt es sich nämlich um den Beginn einer „Auswanderer-Saga“, bei der
ein sich liebendes Paar gemeinsam auswandert und von der der erste Teil
weitgehend in der Heimat spielt. Diese Heimat ist das in Preußen vs. Klein- und
Kleinststaaten sowie Grafschaften und Fürstentümer zerstückelte Deutschland um
1815. Der sehr junge Walther Fichtner, selbst Waise, kämpft als Soldat an der
Seite des Grafen von Renitz, bei dem sein Vater als Förster gearbeitet hatte,
gegen Napoleon für Preußen. Als er diesem das Leben rettet beschließt der
adelige Kommandeur den minderjährigen Walther bei sich aufzunehmen und ihm eine
gute Ausbildung zu ermöglichen. Ebenso nimmt er sich der jungen Gisela Fürnagel
an, deren Eltern im Krieg umkamen. Der Sohn und Erbe des Grafen, Diebold von
Renitz, findet dieses Arrangement von Anfang an nicht gut und macht Walther sowohl
beim Privatunterricht auf Schloss Renitz als auch später im Studium in
Göttingen das Leben schwer. An der Universität kommt Walter schnell in
Berührung mit dem freiheitsstrebenden liberalen Gedankengut der Studenten, das
die Kleinstaaterei und die Diktatur der Adeligen verachtet und gerne eine
Republik ausrufen würde. Den Plan im freiheitsliebenden Amerika ein neues Leben
ohne Repressionen und Fürstenwillkür zu beginnen fasst Walther, angeregt von
seinen Studienfreunden, in Göttingen. Um ihn auszuführen fehlt ihm allerdings
das Geld und er wird – laut Plan – noch mehrere Jahre im Dienst des Grafen
Renitz verbringen müssen, um sich die Auswanderung leisten zu können. Auch
Gisela, die im Haushalt des Grafen tätig ist, träumt von einem besseren Leben.
Eine Heirat im protestantischen Preußen ist ihr, die ihrer sterbenden Mutter versprochen hat ihren katholischen Glauben auch in der Diaspora zu
behalten allerdings verbaut. Als Walther vom Studium zurückkehrt fällt es ihr
allerdings immer schwerer sich Gedanken an eine Zukunft an seiner Seite zu
verbieten…
„Das goldene Ufer“ ist der erste Iny Lorentz-Roman den ich
gelesen habe und wird bestimmt nicht der letzte sein. Ich finde der Roman ist
top recherchiert und spannend – wenn auch gelegentlich ein wenig reißerisch –
erzählt. Man lernt viel über das Leben im nachnapoleonischen Deutschland und
die großen Standesunterschiede, die das Leben des Einzelnen determinierten.
Auch die Konfessionsproblematik wird anhand von Walther und Gisela
thematisiert. Dagegen scheint Amerika mit seiner Freiheits- und
Egalitätspropaganda tatsächlich das gelobte Land zu sein. Da die Geschichte als
Vierteiler angelegt ist bin ich wirklich gespannt darauf zu erfahren wie es mit
Walther und Gisela sowie deren Nachkommen weitergeht.
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