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Montag, 30. Dezember 2013

"Theatertod" von Thomas Schrage


Es gibt kaum einen professionellen Mikrokosmos, in dem die beruflich agierenden mehr mit Konkurrenzdenken und permanenter Ellenbogenmentalität konfrontiert sind als den des - staatlich subventionierten - Theaters. Man muss, vor allem als Schauspieler nicht nur mit dem essentiell zum   Berufsbild gehörenden Profil der eigenen Persönlichkeitsspaltung zurechtkommen, man muss auch ständig für die neue Rolle kämpfen und sich in dieser dann profilieren - man muss dem Regisseur und den Kollegen mit jeder Vorstellung erneut beweisen, dass man die einzig richtige Wahl war. Natürlich sind diese von ständigem Druck belasteten auch gleichzeitig meist in dem für sie befriedigendsten Beruf gelandet - Theatermacher & Schauspieler, das sind keine Jobs sondern Berufungen, die für diese Menschen meist einzig vorstellbare Tätigkeit.
Thomas Schrage, selbst langjähriger Theatermensch und Regieassistent, hat aus dem Themenbereich Druck und Mobbing am Theater einen intelligenten Regionalkrimi gemacht, der an - einem natürlich vom Personal her fiktiven - Kölner Stadttheater spielt. Eine neue Produktion, Kleists "Amphytrion", soll auf die Beine gestellt werden, bei der der allgemein verhasste, zu cholerischen Ausbrüchen und allgemeinem kapriziösen Verhalten neigende Schauspieldirektor Theo Fleischer Regie führt. Michael ist der Protagonist des Krimis (dessen immer mal wieder eingestreute Gedankenfetzen eine besondere Unmittelbarkeit erzeugen), ein junger Regieassisent, der in diesem Job, den er als Trittbrett zum eigentlichen Beruf des Regisseurs durchlaufen muss, vor sich hin dümpelt. Als "Mädchen für alles" einer Theaterproduktion müssen Regieassistenten ihre Augen und Ohren und natürlich auch Gedanken und Hände überall haben. Als der Schauspieler Peter Michael eines Abends sein Leid klagen will - er leidet unter Fleischer und dessen Anforderungen an ihn - ist der müde Assistent nur daran interessiert ins Bett zu kommen. Eine Sache, die er später bereuen wird...
Als die junge Studentin Sonja als Hospitantin wiederum die Assistentin von Michael wird kommt eine Person von außen dazu. Sie wird mit voller Wucht in den Theaterbetrieb integriert und muss erkennen, dass die Welt des Theaters eine ganz eigene, abgeschlossene und oft mit eigenen Gesetzen agierende ist.
Vor diesem Hintergrund spielt sich nicht nur die Tragödie "Amphitryon" ab, sondern auch die eines verzweifelten Kollegen, der von Michael tot aufgefunden wird. Verdächtige gibt es genug, aber war es überhaupt Freundverschulden? Michael recherchiert - mit Hilfe von Sonja - und muss immer tiefer in die charakterlichen und menschlichen Abgründe seiner Kollegen blicken - jeder gegen jeden oder einfach nur: Kriegsschauplatz Theater?
Weil ich selber schon mal Hospitantin an einem städtischen Theater war und das Theater in all seinen Facetten liebe, war ich natürlich umso gespannter auf diesen Regionalkrimi aus dem Theatermilieu. Ich muss sagen: er hat meine Erwartungen definitiv erfüllt, ich bin äußerst positiv überrascht von Plotführung, Personentableau und dem atmosphärisch dichten Setting. Auch wenn sich alles sehr auf die Perspektive von Michael konzentriert kommen die anderen Personen und die Krimihandlung niemals zu kurz. Vom Timing war ich besonders entzückt, man hat das Gefühl dass man als Leser die Proben zeitnah miterlebt und dass wie in der griechischen Tragödie eine Einheit von Zeit, Ort und Handlung vorliegt. Der Autor hat sich in jedem Fall über die Konvergenz von Form und Inhalt Gedanken gemacht, was ich absolut toll finde.
Eine runde Sache und gleichzeitig ein spannender Krimi, dem man jedem Krimi- und Theaterliebhaber absolut empfehlen kann. 

Ich danke hiermit Thomas Schrage für die Begleitung einer spannenden Leserunde bei Lovelybooks, bei denen ich mich auch für das Rezensionsexmplar bedanke. Ebenfalls beim Gmeiner Verlag für die Bereitstellung desselben.

Meine Ausgabe:
Verlag: Gmeiner Verlag
Erscheinungsjahr: 2013
Seiten: 437
ISBN: 9783839214398

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