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Donnerstag, 17. Oktober 2019

"Die Zeit des Lichts" von Whitney Scharer

    
Hommage an die Kunst der Fotografie

    “Die Zeit des Lichts” ist ein Künstlerroman über die Fotografin Lee Miller (1907-1977) und der Erstlingsroman der amerikanischen Schriftstellerin Whitney Scharer.

Die Erzählweise ist enigmatisch, elegant, die Briten würden sagen sophisticated, ein Wort, für das es keine wortgetreue Übersetzung ins Deutsche gibt. Dicht und atmosphärisch ist die Metaphorik, die Scharer verwendet. Ihre wortgewaltigen Sprachbilder sind keinesfalls ausgelutscht, sondern bestechend klar, messerscharf und auf den Punkt. Diese Bildlichkeit schafft es absolut den Leser für sich einzunehmen. Ich habe mich gefühlt, als würde ich selber ein Pfeifchen in den Pariser Opiumhöhlen rauchen oder mit Man Ray in der Dunkelkammer stehen und ihm bei seiner Arbeit über die Schultern schauen. Gleichzeitig wahrt die personale Erzählstimme eine gewisse Distanz zu ihren Protagonisten, es wirkt zuweilen, als würde sie von oben auf sie draufschauen.

Die Story? Lee Millers Biografie gibt die Schauplätze und die Handlung dieses Buches weitgehend vor. Whitney Scharer konzentriert sich auf die Pariser Zeit und die intime Zusammenarbeit mit dem Künstler und Fotografen Man Ray (1890-1976), bildet doch die Aufforderung der Vogue-Chefredakteurin zum Artikel über ihre Beziehung in der Rahmenhandlung den Aufhänger für die Haupthandlung. Scharer schaut quasi durchs Schlüsselloch dieser schillernden Beziehung und das wirkt an manchen Stellen etwas voyeuristisch.

Lee Miller war eine kühle junge Schönheit, Man Ray der chaotisch-verschwenderisch-geniale Künstler, beide waren sie vielseitig begabt, ihre Beziehung war symbiotisch. So wie Man Rays Werk arbeitet auch der Roman mit dem Stilmittel "Erotik" - ein wichtiger Aspekt bei Miller und Man Ray, deren körperliche und intellektuelle Anziehung von Anfang an vorhanden war. Mir persönlich ist es stellenweise zu viel der Erotik und "Bettgeschichtliches". Nicht nur erotisch sondern auch sehr sinnlich ist der vorliegende Roman, indem er die Sinne (Sehen - Fotografie; Fühlen, riechen, schmecken - Essen und Trinken, Liebesakte, Haut, Düfte; Hören - das gesprochene Wort und die Musik in den Pariser Salons, Varietés und Bars aber auch der Lärm der Kriegsschauplätze) ganz genau destilliert und damit auch feiert.

Die Erzählstruktur bzw. den Aufbau des Romans, finde ich sehr ansprechend. Da wären die bereits erwähnte Rahmenhandlung, die 1966 spielt und die Haupthandlung. Letztere besteht aus einer Haupterzählung, nämlich Lee Millers Pariser Jahren ab 1928. Diese wird durch Vorschaukapitel unterbrochen, die Lee in den Jahren des zweiten Weltkriegs als Kriegsfotografin zeigen. Sie sind sehr kurz und man könnte sie als etwas längere Momentaufnahmen bezeichnen.

"Die Zeit des Lichts" ist ein sehr gutes Buch über eine interessante Frau und Künstlerin in politisch und menschlich aufwühlenden Zeiten - allerdings kein Selbstläufer, der sich mal eben so "weglesen" lässt! Man sollte schon ein gewisses Interesse oder sogar Faible für Kunst und Künstlermilieus, Fotografie bzw. die Kunstströmungen des Art Déco, Dadaismus und Surrealismus im Besonderen und Romanbiographien im Allgemeinen aufbringen, sonst wird einen das Buch nicht glücklich machen. Dafür ist die Handlung etwas zu spröde und wenig spannend im klassischen Sinne. Wenn man allerdings Freude an bildlicher, ausdrucksstarker Sprache und schriftlicher Erotik hat, sollte man dem Buch eine Chance geben.

Ich bedanke mich herzlich bei vorablesen.de und Klett Cotta für das Rezensionsexemplar!

Nähere Infos zum Buch: Link








       

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