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Montag, 3. August 2020
"Liebe machen" von Moses Wolff
Eine Verabredung mit dem Moment
Der Münchner Schauspieler, Musiker, Kabarettist, Komiker, Journalist, Filmemacher und Schriftsteller (ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Angaben) ist auch als Autor - wie könnte es bei der akkumulatorischen Berufsbezeichnung anders sein - sehr vielseitig: Vom Oktoberfest-Guide über den satirischen Heimatroman bis zur Krimireihe ist alles dabei. Jetzt hat er sich in seinem neuen Roman "Liebe machen" mit dem ewig alten und doch immer aktuellen Thema der emotionalen Anziehung zwischen zwei Menschen auseinandergesetzt. Aber nicht nur darum geht es in diesem bunten Buch, das den Leser schon durch den Blick auf das Cover in eine gut gelaunte, nostalgische Retro-Stimmung versetzt.
Der Autor nimmt uns mit auf eine Zeitreise durch die Bundesrepublik von 1970 bis in die Gegenwart. Zunächst sind die jungen Hauptfiguren des Romans (und ihr Umfeld) noch Hippies mit langen Haaren, Schlaghosen und Moralvorstellungen, die mit denen ihrer Elterngeneration rein gar nichts mehr zu tun haben. Jimi Hendrix lebt und spielt Gitarre, Brandt ist Bundeskanzler, man trinkt aus Senfgläsern mit Comicbildchen und liest Asterix und kommunistische Pamphlete, um subversiv zu sein. Das etwas konservativere Establishment gibt sich mit Roy-Black-Songs, Uschi Glas und diesem einen Schauspieler, dessen Name dem Protagonisten Götz partout nicht einfallen will (Spoiler: Fritz Wepper heißt er ;-)), zufrieden.
Dagmar aus Köln und Götz aus Hamburg, beide 20, lernen sich auf dem Oktoberfest kennen. Doch nur zwei kurze Momente sind ihnen in all den Jahren vergönnt und sie verlieren sich wieder aus den Augen. Wir als Leser spüren quasi wie die Zeit vergeht - und in Nullkommanichts sind 50 Jahre um. 50 Jahre, in denen in Deutschland und auf der Welt so viel passiert: Kultur- und Sozialgeschichte sowie der Zeitgeist eines halben Jahrhunderts werden uns im informativen Schnelldurchlauf gefiltert präsentiert und erzählerisch verpackt.
Das Buch ist von seiner Struktur her sehr episodisch. Immer wieder wechselt die Perspektive zwischen der von Götz und Dagmar. Mal sind wir in Köln, mal in Hamburg, mal in Griechenland, mal in München, etc. Man kann sich gut vorstellen, dass das Buch in einen Film umgewandelt wird und auch als solcher gut funktionieren würde.
Ist es ein Liebesroman, wenn die Liebenden gerade einmal ein paar Minuten miteinander verbringen und ansonsten getrennter Wege gehen, parallele Leben führen, die sich immer nur fast kreuzen? Ja, denn der kurze Moment der Liebe wiegt in diesem Buch schwerer als der Alltag der Jahrzehnte. Überhaupt ist dieser Roman eine Feier des Präsentistischen, ein “Carpe-diem-Plädoyer” für eine Verabredung mit dem "Hier und Jetzt". “Liebe machen” ist ein Gedankenexperiment, ein an vielen Stellen philosophisches Buch. Der Humor, den ich vom Autor kenne, ist hier eher leise und zwischen den Zeilen präsent. Richtige Schenkelklopfer findet man hier nicht, aber oftmals einige Schmunzler - und das ist auch gut so. Ein sehr gutes, nachdenklich machendes und unterhaltsames Buch!
Herzlichen Dank an Moses Wolff sowie an den Piper Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
Weitere Infos zum Buch (Klick aufs Cover):
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