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Dienstag, 20. Oktober 2020

"Die Gabe der Sattlerin" von Ralf H. Dorweiler

 

“Kabale und Liebe” mit den “Räubern”

Historische Romane funktionieren in der Regel dann, wenn sie uns glaubhaft vermitteln können, dass sich die erzählte Geschichte in der dargestellten Zeit genau so hätte abgespielt haben können. Dieses Gefühl der historischen Authentizität beim Leser zu erzeugen, gelingt Ralf H. Dorweiler mit "Die Gabe der Sattlerin" in jedem Fall. Für die Zeit der Lektüre sind wir einfach davon überzeugt, dass eine junge Sattlerin namens Charlotte, eine Räuberbande rund um den im 18. Jahrhundert berüchtigten Räuber Hannikel, der Arzt und Dichter Friedrich Schiller sowie der verschwendungssüchtige Herzog Carl Eugen von Württemberg auf einem Marbacher Gestüt im Sommer 1781 aufeinandergetroffen sind (in der historischen Wirklichkeit war das nicht der Fall). Zahlreiche interessante Nebenfiguren sowie Schauplätze in Württemberg, Baden und dem Schwarzwald (damals Hoheitsgebiet der Habsburger) komplettieren den Eindruck eines lebendigen historischen Romans. Das Setting also stimmt schon mal.

Alle Hauptfiguren in diesem Roman haben eine Mission, sie sind getrieben von der Jagd nach ihrem ganz persönlichen Glück. Die (fiktive) Protagonistin Charlotte, Tochter eines Sattlers, möchte der Ehe mit einem 20 Jahre älteren Amtmann entgehen und flieht mit unbekanntem Ziel auf ihrem Pferd Wälderwind einen Tag vor der anberaumten Hochzeit aus ihrem Heimatort Märgen. Der junge Regimentsarzt Friedrich Schiller möchte endlich seinen ihm zustehenden Sold erhalten und alle Leute behandeln dürfen, die bei ihm vorsprechen, nicht nur die Soldaten aus Carl Eugens Regiment. Außerdem muss er sein Theaterstück "Die Räuber" für die Mannheimer Bühne adaptieren. Zu seinem Verdruss wird er als Aushilfs-Rossarzt ans herzogliche Marbacher Gestüt geschickt, dabei sind ihm Pferde eigentlich suspekt…

Seine Durchlaucht, der Herzog von Württemberg, möchte seine langjährige Mätresse, die Gräfin von Hohenheim, heiraten, aber die Kirche macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Einstweilen lenkt er sich mit der Jagd nach extravaganten Geschenken für sie ab und auch sich selbst möchte er um ein exklusives Reitpferd aus Venedig bereichern, für das außerdem ein prunkvoller Sattel benötigt wird (hier kommt Charlotte ins Spiel). Carl Eugens Hoffaktorin Karoline Kaulla (eine großartige Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts) sieht die schwindelerregenden Ausgaben des Herzogs mit Skepsis. Und dann sind da ja auch noch die Räuber um Hannikel, die, wie sollte es auch anders sein, räubern wollen bzw. müssen.

Ralf Dorweiler hat sich mit diesem Buch sehr viel vorgenommen, wie er auch im Nachwort betont. Die Handlung wird vor allem von der lebendigen Darstellung der historischen Figuren getragen. Die Dialogszenen sind eine große Stärke des Buches, sie haben mich sehr gut unterhalten und warfen mitunter auch ein neues Licht auf Schiller und Carl Eugen, den Herzog von Württemberg, die beide sehr komplexe Persönlichkeiten waren. Madame Kaulla hat mich begeistert, toll dass sie mir hier vorgestellt wurde. Für den subtilen Humor und die Situationskomik gibt es nochmal einen großen Pluspunkt. Die Handlung um Charlotte ist mir leider mitunter etwas zu melodramatisch ausgefallen. Ein Verehrer weniger hätte meines Erachtens auch gereicht. Das ist aber auch schon der einzige Kritikpunkt, den ich habe.

Im Großen und Ganzen ein wundervoller historischer Roman, der uns das Württemberg des
18. Jahrhunderts und seine facettenreichen Persönlichkeiten authentisch näher bringt.

Ich bedanke mich bei der Lesejury von Bastei Lübbe für die Leserunde mit Autorenbegleitung sowie für das Rezenionsexemplar!

Nähere Infos zum Buch (Klick aufs Cover):


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