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Montag, 1. Februar 2021

"Die Erfindung des Dosenöffners" von Tarkan Bagci

 

Die Leiden des jungen Timurs

Eine westfälische Kleinstadt unserer Gegenwart: Der frische “Twen” Timur Aslan hat es nicht leicht. Der zwanzigjährige Deutschtürke möchte Journalist im großen Stil werden, sitzt aber in der Lokalredaktion des "Westfälischen Anzeigers" fest, das Volontariat in der Hauptredaktion in der benachbarten größeren Stadt scheint unerreichbar. Eine große Story muss her, um seinem langweiligen Heimatort Steinfeld und dem Elternhaus, das nach dem Tod der Mutter nur noch aus ihm und seinem nach Autos verrückten Vater besteht, den Rücken zu kehren. Die Geschichte der Seniorin Annette, die von sich behauptet den Dosenöffner erfunden zu haben, soll sein Sprungbrett werden. Doch ihre Begegnung mit der älteren Dame löst etwas in Timur aus und er wird nachdenklich: Ist beruflicher Erfolg wirklich alles im Leben?

Die Probleme, die ein junger Mensch Anfang zwanzig in unserer modernen Welt der unendlichen Möglichkeiten hat, werden anhand des Protagonisten Timur exemplarisch dargestellt. Er stellt sich die Frage, die sich wahrscheinlich fast alle seiner Altersgenossen stellen: Wohin mit mir und meinen Fähigkeiten und was sind diese überhaupt? Der selbstverständliche Umgang mit den sozialen Medien und die das Selbstbewusstsein - vor allem junger Menschen - gefährdende Eigenschaft derselben werden im Roman thematisiert. Das vermeintlich perfekte Leben der anderen wird zum Richtschwert des eigenen kümmerlichen Daseins. Timur wird im Laufe der Handlung feststellen, dass nicht alles echtes Gold ist, was in den sozialen Medien so vor sich hin glänzt.

Humortechnisch hat mir der Einstieg in das Buch sehr gut gefallen. Wie der Alltag in der kleinen Redaktion beschrieben wurde und die Daseinsberechtigung des Lokaljournalismus, die auf tönernen Füßen steht, das hat bei mir für einige Schmunzler gesorgt. Auf die Dauer der Handlung hin gesehen konnte das Buch aber meines Erachtens den Humor-Standard des Anfangs nicht halten. Überhaupt plätscherte die Handlung vor sich hin und blieb an einigen Punkten sehr vage. Ich mag es zum Beispiel überhaupt nicht, wenn in einem Roman nicht erwähnt wird welchen Monat oder zumindest welche Jahreszeit wir haben. Aber das ist vielleicht ein persönlicher Spleen von mir. Der groß angekündigte Roadtrip mit Annette war eher ein “Tripchen”. Wobei wenn ich gewusst hätte, dass es in diesem Buch wieder einen “generationenübergreifenen Roadtrip” gibt, hätte ich es nicht gelesen. Das Thema ist nämlich für mein Empfinden ausgelutscht bis zum Gehtnichtmehr.

Man sollte dieses Buch also lesen, wenn…

...man Anfang 20 ist und auf Sinnsuche

...man beim Plot-Element "generationenübergreifende Freundschaft mit Roadtrip" leuchtende Augen bekommt und das Buch "Marianengraben" mochte

...man schon immer mal mehr über Lokaljournalismus wissen wollte

…man sich für die Entstehungsgeschichte des Dosenöffners und seine Unterarten interessiert

...man ein(e) Bekannte(r)/Freund(in)/Verwandte(r) des Autors ist (ich beziehe mich hier auf eine Szene im Buch, in der Timur behauptet dass nur obige Bezugspersonen einer Person, die in einem lokaljournalistischen Zeitungsartikel vorkommt, diesen lesen würden)

...man auf den Humor des Autors steht

Aus allen anderen Gründen würde ich die Lektüre von "Die Erfindung des Dosenöffners" getrost anderen überlassen.

Herzlichen Dank an Ullstein und vorablesen.de für das Rezensionsexemplar!

Nähere Infos zum Buch (Klick aufs Cover):


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