Das letzte Jahr hatte zum Jahresende eine letzte Premiere
für mich im Gepäck: ich habe zum ersten Mal ein „Ebook“ gelesen. Zwar auf dem
PC – denn ich besitze nach wie vor keinen Ebook-reader – aber immerhin doch ein Buch, das man nicht
anfassen kann. Es hat ein sogenanntes Epub-Format und zu Anfangs wusste ich gar
nicht wie das alles funktioniert, aber es ging dann und ich bin ganz okay damit
zurechtgekommen (auch wenn ich immer wieder vergessen habe wie man
weiterblättert). Normalerweise lese ich keine Ebooks, aber was machen wenn es
das „richtige“ Buch zum Ebook gar nicht mehr gibt? Mit dieser Frage werde ich
mich immer mehr auseinandersetzen müssen – schließlich will man manche Dinge ja
trotzdem lesen. In diesem Fall ereilte mich das Dilemma angesichts einer Lovelybooks-Leserunde,
bei der es um ein Buch über „Serienjunkies“ ging. Ebook hin oder her: das hat
mich interessiert und schon war ich dabei. Software heruntergeladen und es ging
los.
Das Buch von Jochen Till ist sowohl Kompendium
amerikanischer Serien als auch die Chronik einer Leidenschaft: der Leidenschaft
des Herrn Till für Serien. Diese verhängnisvolle Affäre schlägt sich absolut in
den einzelnen Kapiteln nieder, mit seiner Begeisterung reißt er einen mit, auch
wenn man die beschriebene Serie an sich, naja, nur so mittel fand.
Dass Jochen Till beschreibt nun also seine schon lange
andauernde (ja, er hat 1991 eine der ersten im deutschen TV ausgestrahlten
„Simpsons“-Folgen bewusst erlebt) amour fou mit Serien. Jede in einem
eigenen Kapitel welches mal mehr mal
weniger eingehend dokumentiert um was es in der jeweiligen Serie so geht,
welchem Genre sie zuzuordnen ist und welche Konflikte und Charaktere eine
wesentliche Rolle spielen. Das ist natürlich höchst subjektiv, oft digressiv
und eben aus der Perspektive des männlichen Serienjunkies, aber das macht das
Ganze ja auch so authentisch – und witzig, denn Herr Till besitzt die Gabe dies
alles mit einem gewissen Augenzwinkern zu beschreiben. Selbstironie ist da ein
gern verwendetes Mittel und auch das Gespür für Situationskomik ist hier absolut
vorhanden.
Was mir neben dem Humor so an Jochen Tills Buch gefällt ist
das unglaubliche Wissen, das bei ihm über den Bereich „(amerikanische)
TV-Serien“ zum Vorschein kommt. Man erfährt nach und nach immer mehr über die (US-)Filmindustrie:
wie werden Serien produziert, welche Rolle spielen die jeweiligen „Macher“
(Autoren, Regisseure, Schauspieler, Produzenten) und was soll das Ganze überhaupt?
Geben die Serien den prüden Amerikanern ein Ventil einmal Dampf abzulassen,
Schimpfwörter und Sexszenen einfach so rauszulassen oder unterbinden das die
Autoren, weil ihren Genen ein unverbrüchlicher puritanischer Index inhärent
ist? Serien sind halt (wenn auch oftmals sehr überspitztes) Spiegelbild der
Gesellschaft und das ist – selbst in Amerika – gut so. Nur: will man das sehen
und wenn nicht: warum? Überdies seien die gefährlichen „Undercover-Einsätze“
bei den verhassten deutschen Synchronfirmen hier lobend erwähnt.
Im Buch werden außerdem die Probleme, die ein Serienjunkie
so bewältigen muss bzw. musste sehr unterhaltsam dargestellt. Früher war es die
Angewiesenheit auf die vermaledeiten TV-Ausstrahlungen – die Zeit bevor es das
Internet möglich machte relativ problemlos an Serien in der Originalsprache zu
kommen. Und das damit verbundene Warten war die Foltermethode Nr. 1 für einen
Serienjunkie. Heute ist das alles kein Thema mehr und ein Dasein als
dauerhafter Serienkonsument führt lediglich zu einer „real life-Vereinsamung“ (aber
was ist das schon für einen SJ) und der Tatsache dass man nicht mal mehr
Taschentücher (die sind für das Tränentrocknen
eines SJs unverzichtbar) im Haus hat weil man ja nicht mehr raus kommt.
Wir erfahren dass es bei einer richtig guten Serie auf die
Charaktere und was aus ihnen im Laufe der Staffeln so wird ankommt und nicht
etwa auf die Thematik oder das Setting. Gut, das spielt natürlich alles auch
eine Rolle, aber für den Autor steht der Serienmensch (oder Klingone oder
Zombie oder was auch immer) im Mittelpunkt. So erarbeitet Herr Till dann auch
ausführliche Charakterstudien seiner Lieblinge (oder auch Nicht-Lieblinge) so
dass auch demjenigen Leser, der die Serie nur vom Hörensagen kennt, ein
lebendiges Bild des jeweils Portraitierten vor Augen tritt.
Was ich noch anzumerken habe ist dass die Auswahl der Serien
doch sehr männlich konnotiert ist (was man einem männlichen Autor ja auch nicht
übel nehmen kann ;)). Es sind viele Serien dabei in denen Gewalt eine
prominente Rolle spielt. Und das sage ich jetzt nicht weil ich so ein
Moralapostel bin, sondern einfach weil ich nicht so auf Gewalt stehe und eine
Serie bei mir damit steht und fällt ob sie mich unterhält und zum Lachen (oder
zum „oh wie gefühlvoll“-Weinen) bringt oder nicht. Meine Lieblingsserien sind
Sitcoms und ergo habe ich gehofft dass ein paar mehr im Buch beschrieben werden
(meine Hoffnung soll ja in den Nachfolgebänden laut Autor auch erfüllt werden).
Meine beiden All-Time-Favourites „The Big Bang Theory“ und „Seinfeld“ sind zwar
prominent vertreten (und auf das im „Seinfeld-Universum“ angesiedelte weil von
ihrem Autor stammende „Curb your Enthusiasm“ hat mich das Buch sehr neugierig
gemacht), aber leider keine anderen Sitcom-Klassiker wie „Golden Girls“, „The
King of Queens“, „Frasier“ usw. (aber das wird ja wie gesagt bestimmt alles in
den nächsten Büchern aka „Staffeln“ vorkommen). Da ich halt lieber lache als anderen zuzusehen
wie sie sich eine Knarre an den Kopf halten und ggf. zudrücken oder gar
Schlimmeres bin ich bei Serien wie „Oz“,
„The Wire“, „Dexter“, „Sons of Anarchy“, „The Killing“ etc. einfach draußen.
Schwarzer Humor ist ja schön und gern genommen, aber all das Knochengebreche
und Blutgefließe muss ich mir nicht anschauen-auch wenn dabei bitterböse
Bemerkungen einen Lachkrampf entfachen sollten. Auch mit Aliens („The X-Files“ – obwohl ich jederzeit
eine Petition unterschreiben würde die es erlaubt Gillian Anderson als Synonym
für „Traumfrau“ verwenden zu dürfen), Geistern („Geister“), Zombies („The
Walking Dead“) und Vampiren („True
Blood“), Dittsches („Dittsche“) und Büromenschen („The Office“) hab ich es
nicht so – viel zu gruselig. Dass die Feuerwehrmänner in „Rescue Me“ neben
ihren ernsten-tiefenpsychologischen Problemen auch noch einen trockenen Humor
besitzen hat mich zwar gefreut, aber wahrscheinlich lasse ich auch diese Serie
Serie sein genau wie die über Rockstars und Cowboys. Ich bin eben ein sehr einseitiger
Serienjunkie. Aber die „Simpsons“ – keine Sorge Herr Till – die mag ich auch!
Hey, es sind schließlich die „Simpsons“!
Also das mit dem unterschiedlichen Geschmack und meiner
Gewaltdarstellungsphobie ist wirklich ganz allein mein Problem und auch wenn
die meisten besprochenen Serien wohl eher nicht in meinem DVD-Regal Einzug
halten werden kann ich die „Bekenntnisse eines Serienjunkies“ Letzteren und
solchen, die es noch werden wollen, uneingeschränkt empfehlen. Herr Till
besticht nämlich durch seinen Humor so sehr dass es Spaß macht. Und das ist
doch die Hauptsache: da wird selbst die blutrünstigste
Killerverbrechergefängniszombieserie in Kurzzusammenfassung zur prosaischen
Comedy und deshalb dann auch irgendwie wieder was für mich.
Fazit: weiter so Herr Till und nächstes Mal bitte ein bisschen
mehr zum Lachen und nicht zuletzt was für uns Frauen: zur Strafe schauen Sie
jetzt bitte jeweils eine Folge „Girls“ und „Downton Abbey“ (gell, Frau
Schwarzer ;)).
Vielen Dank an dot.books für das Leseexemplar und an
Lovelybooks, Herrn Till und die Mitleser für die amüsante Leserunde.
Vielen Dank für die schöne und ausführliche Rezension! Freut mich sehr, dass dir mein Buch trotz des hohen Männerserien-Anteils Spaß bereiten konnte. In Staffel 2 liegt der Comedy-Anteil deutlich höher, keine Sorge - da sind immerhin 9 der 25 Serien Comedys und auch der Rest ist weniger gewalttätig...;-)
AntwortenLöschenAch ja, und "Downton Abbey" ist auch drin, das gucke ich nämlich freiwillig...;-)
Beste Grüße & weiterhin fröhliches Seriengucken,
Jochen
Herzlichen Dank für den Kommentar und viel Erfolg weiterhin!
AntwortenLöschenPS & natürlich viel Spaß mit "Downton Abbey" ;)