„Die Dirne vom Niederrhein“ ist Teil 2 einer (geplanten)
historischen Trilogie, die im zerstückelten Deutschland des 30jährigen Krieges –
1642 am Niederrhein – spielt. Der erste Teil „Die Hexe vom Niederrhein“ behandelt
die Geschichte des Schmiedes Lorenz, der die Tochter des Statthalters von
Kempen, Elisabeth, rettet. Obwohl diese ein Auge auf Lorenz geworfen hat
verliebt er sich in Elisabeths Stiefschwester Antonella, die im Dorf durch ihr
Kräuterwissen zunehmend als Hexe verschrien ist.
[Wer nicht wissen will wie „Die Hexe vom Niederrhein“
ausgeht sollte jetzt nicht weiterlesen!]
In „Die Dirne vom Niederrhein“ sind Lorenz und Antonella
tot und Elisabeth fühlt sich schuldig, weil sie ihre Schwester in einem Anfall
von Eifersucht als Hexe denunziert und auf den Scheiterhaufen gebracht hat. Aus
dem Kriegsversehrten und von den Hessen geplünderten Kempen flieht sie und wünscht
sich einen schnellen Tod im Straßengraben. Auch Lorenz‘ Bruder Maximilian lebt
in Sühne: er hat seinen Bruder erstochen und bereut die Tat zutiefst. Wie
Elisabeth wünscht auch er sich einen schnellen Tod. Im ebenfalls vom Krieg
gebeutelten Viersen kommt er halb tot an und bricht schließlich zusammen. Eine
Nonne (Schwester Agathe) findet ihn, pflegt ihn gesund und bietet ihm an sich
Kost und Logis im Viersener Nonnenkloster zu erarbeiten. Dort lernt er auch den charismatischen Leiter des Klosters, Vikar Weisen, kennen. Auch Elisabeth hat
Glück im Unglück: sie wird halbtot von einer Hurenmutter (Rosi) aufgefunden.
Diese peppelt sie auf und Elisabeth will sich revanchieren indem sie selbst als
Hure im Tross des Heeres anfängt.
Sowohl Maximilian als auch Elisabeth bekommen es in ihren
neuen Lebenswelten mit groben Menschen und Kriegsgewinnlern (Major von Rosen,
Doktor Sylar,…), aber auch mit Hilfsbereitschaft und Freundschaft (Bela, Agathe)
zu tun. Dies illustriert dass sich im Krieg und in anderen Extremsituationen oft
das wahre Gesicht der Menschen zeigt. Außerdem passt die sich zwischen Tod und
Verderben sowie Menschlichkeit und Liebe (in ihrer gegenwärtigsten Ausprägung)
angesiedelte Handlung perfekt zu den miteinander verbundenen Leitthemen des
Barocks: „memento mori“ & „carpe diem“.
Die Handlungsstränge um Elisabeth und Maximilian laufen
zunächst parallel und man kann den beiden unterschiedlichen Geschichten (die
sich in der Vergangenheit bereits gekreuzt haben) gut folgen. Der Leser ahnt
dass es darauf hinauslaufen wird dass die beiden Protagonisten sich wieder
begegnen und wird in dieser Hinsicht auch nicht enttäuscht. Die Handlung an
sich finde ich durchaus passend für einen historischen Roman. Der Autor
vermeidet es aber trotz der historischen Handlung allzu genau auf historisch-soziologische
Details und die Umstände des Krieges einzugehen. Man hat oft das Gefühl dass
sich alles in einer Kulisse mit dem Titel „30jähriger Krieg am Niederrhein“ abspielt,
die ein moderner Geist für die Dauer der Handlung aufgebaut hat – um sie danach
wieder im Theaterfundus verschwinden zu lassen. Richtig hineinversetzt in die
Zeit – wie das bei anderen historischen Romanen oft der Fall ist – fühlte ich
mich als Leser also nicht.
Auch was den Untertitel „historischer Kriminalroman“
betrifft möchte ich potentielle Leser warnen sich auf eine spannende
Krimihandlung einzuschießen. Ein Krimi im eigentlichen Sinne ist das Buch
nicht, auch wenn Leichen und Verbrechen zahlreich vertreten sind. Es gibt
keinen ungeklärten Fall, keine Ermittlung im eigentlichen Sinne, auch wenn
Maximilian ein Verbrechen (bzw. mehrere) aufdeckt. Dies geschieht aber mehr
nebenbei, der Fokus der Handlung liegt auf den beiden Biographien der
Hauptfiguren und ihrer sich entwickelnden gemeinsamen Geschichte.
Zur Erzählsprache muss ich noch sagen dass der Autor eine
klare und schöne Prosa schreibt, die sehr schnörkellos und gut lesbar ist ohne
aber einfach zu wirken. Der Autor kann erzählen, daran besteht für mich kein
Zweifel.
Der Gmeiner Verlag hat hier ein sehr lesenswertes (und
schön gestaltetes) Buch herausgebracht.
Ich bedanke mich bei Lovelybooks und den Teilnehmern der Leserunde
(inklusive dem Autor) und natürlich dem Gmeiner-Verlag für die Bereitstellung
des Rezensionsexemplars.
Meine
Ausgabe:
Verlag: Gmeiner
Erscheinungsjahr: 2013
Seiten: 341
ISBN: 978-3-8392-1352-0
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