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Sonntag, 19. November 2023

"Der Tod kommt nach Pemberley" von P. D. James


Man stelle sich vor, man könnte von den Figuren der Weltliteratur auch noch nach dem Ende ihres Klassikers etwas erfahren. Man könnte eine Vorstellung davon bekommen, wie sie sich in einer alternativen Romanwirklichkeit weiterentwickeln würden. Natürlich trifft das nur auf jene Figuren zu, die kein tragisches Ende erleiden und das sind nicht allzu viele. Die Romane von Jane Austen zumindest enden meist mit einer Verlobung oder Hochzeit. Aber danach? Wie geht es mit den frisch vermählten Figuren weiter? Bekommen sie Kinder, werden sie glücklich oder begehen sie Seitensprünge, häufen Spielschulden an oder lassen sich gar scheiden?

In “Der Tod kommt nach Pemberley” hat die Thriller-Autorin P. D. James (1920-2014) den sehnlichsten Wunsch vieler Janes-Austen-Fans Realität werden lassen und ein Sequel zu “Stolz und Vorurteil” geschrieben. Wir schreiben das Jahr 1803 und Elizabeth und Mr. Darcy sind glücklich verheiratet und Eltern von zwei kleinen Söhnen. Sie leben auf Pemberley, dem stattlichen Herrenhaus der Familie Darcy. Als der jährliche Herbstball ansteht, reisen u.a. Elizabeths geliebte Schwester Jane und ihr Mann Bingley an, die auch bereits dreifache Eltern sind. Als plötzlich die aufgelöste andere Schwester Lydia, Frau von Darcys Erzfeind Mr. Wickham, vor der Tür steht, überschlagen sich die Ereignisse. In den Wäldern wird ein betrunkener Wickham neben einem erschlagenen jungen Offizier gefunden, dem Begleiter des Ehepaars. Sollte Lady Catherine de Bourgh, Mr. Darcys hochnäsige Tante, mit ihrem berühmten Ausspruch recht behalten: “Are the shades of Pemberley to be thus polluted?”

Die Wälder von Pemberley spielen in diesem Roman eine wichtige Rolle. Sie sind nicht nur Schauplatz des aktuellen Verbrechens, sondern auch von mysteriösen und tragischen Ereignissen in der Vergangenheit. Mr. Darcys Urgroßvater lebte einst als Einsiedler im Wald von Pemberley, in einem Cottage zusammen mit seinem Hund. Als dieser alt und krank war, erschoss er den Hund und sich. Dem Wunsch, gemeinsam in den Wäldern bestattet zu werden, wurde von Seiten der Familie nicht nachgekommen. Dieser und ein anderer mysteriöser Vorfall haben den Wäldern einen schlechten Ruf eingebracht und es wird sogar gemunkelt, es würde darin spuken. 

Mit der Figur des niederträchtigen Wickham bietet sich “Stolz und Vorurteil” geradezu für ein Krimi-Sequel an. Wickham ist der Sohn des Verwalters von Mr Darcys Vater, sie sind praktisch wie Brüder aufgewachsen. Mr. Darcy bezeichnet ihn als “undankbar, neidisch, lügnerisch und hinterlistig”, dabei “gutaussehend und hat angenehmene Umgangsformen” (S. 190). Aber wäre er wirklich in der Lage, jemanden zu töten? Darum geht es im Endeffekt: Hat der fiese Wickham das Verbrechen begangen oder jemand anders?

“Der Tod kommt nach Pemberley” ist ein schönes Wiedersehen mit alten Bekannten. Super fand ich u.a. dass Mr. Bennett, der Vater der fünf Bennett-Töchter, im Roman auftaucht. Er ist sozusagen der “Bücher-Sachverständige”: Er sorgt z.B. bei den Bingleys dafür, dass “kein Buch dem Übereifer der Hausmädchen zum Opfer fiel” und erstellt “eine Liste der zu erwerbenden Publikationen”. Auf jeden Fall wäre Mr. Bennett heute bei #Bookstagram.

Was die Sprache betrifft, so passt sich P.D. James Jane Austens Sprachduktus perfekt an. Auch in der Übersetzung Michaela Grabingers wird dies deutlich. 

Im Roman ist mir auch ein intertextueller Verweis auf einen anderen Jane-Austen-Roman bzw. ein “Easter Egg” aufgefallen. Und zwar wird auf S. 233 gesagt, dass Wickham eine Anstellung beim Baronet Sir Walter Elliott hatte, dessen Tochter Anne sich erst kürzlich mit einem wohlhabenden Kapitän, nunmehr Admiral, verheiratet habe - ein ganz klarer Verweis auf Austens Roman “Persuasion”. Hier überschneiden sich zwei Romanwelten, sowas finde ich immer ganz toll.

Für alle Fans von Jane Austens Büchern, In-Mr-Darcy-Verliebte und Leser*innen von historischen Krimis, kann ich dieses Buch sehr empfehlen.


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