Die Handlung der Gegenwart: Lilly
Kaiser, Ende 30 und durch den Krebstod ihres Mannes Peter früh Witwe geworden, ist
Antiquitätenhändlerin in Berlin mit eigenem Laden. Eines kalten Wintertages
kommt ein Fremder in den saisonal gerade wenig besuchten Laden und legt ihr
einen Geigenkoffer auf den Tisch der angeblich ihr gehöre. Er versichert sich
ihrer Identität, will keine Bezahlung für die Geige und verschwindet ohne viele
Erklärungen. Die Geige ist mit einem ungewöhnlichen Rosenornament versehen, das
Lilly seltsam vorkommt. Außerdem enthält der Geigenkasten ein Musikstück namens
„Der Mondscheingarten“, allerdings ohne Angabe des Komponisten. Eine mysteriöse
Geige also! Wie gut dass ihre in London lebende Freundin Ellen Morris
(gebürtige Hamburgerin wie Lilly, die mit einem Engländer verheiratet ist) ausgerechnet
Expertin für alte Musikinstrumente ist! Sie ruft sie an und schlägt ihr vor
sich die Geige anzusehen. Lilly reist nach London und lernt auf dem Flug den
attraktiven Musiklehrer Gabriel Thornton kennen, der ihr in der Zukunft und in
puncto Geige noch behilflich sein wird. In London führt sie die Spur der Geige
zu zwei ihrer Vorbesitzerinnen: Rose Galway und Helen Carter. Was hat es mit
der Geige und der Geschichte der Frauen auf sich? Ihre weitere Recherchereise
führt sie nicht nur weiter in die Violinenstadt Cremona, Italien, sondern auch
nach Sumatra, Südostasien und in ihre eigne, ganz persönliche Vergangenheit.
In der Vergangenheit lernen wir
im London der Jahrhundertwende um 1900 Rose Galway kennen, eine gefeierte Stargeigerin.
Als sie auf Konzertreise in ihrer mütterlichen Heimat Sumatra ist (Rose ist zur
einen Hälfte Engländerin, zur anderen Hälfte eine Minangkabau, ein Volksstamm
in dem die mütterliche Linie und das Matriarchat noch vorherrschend sind). Auf
Sumatra lernt sie den englischen Kaufmann Lord Paul Heavenden kennen und
verliebt sich in ihn, der allerdings bereits mit einer anderen verlobt ist…
„Der Mondscheingarten“ ist von
seinem Erzählaufbau her ähnlich angestaubt wie der Geigenkoffer, in dem Lilly
Kaiser in ihrem Berliner Antiquitätenladen die Geige von Rose Galway überreicht
bekommt. Jemand in der Gegenwart findet einen alten Gegenstand (gerne auch ein
Buch oder die üblichen Briefe mit Samtschleife), der natürlich geheimnisumwoben
ist; dieser jemand recherchiert alles, was es über dieses Artefakt (warum ist
es nur so besonders?) zu wissen gibt und reist deswegen in ferne/fremde Länder
und natürlich auch immer in die eigene Vergangenheit – denn es ist
erzähltechnisch ja kein Zufall dass genau diese Person das geheimnisvolle
Artefakt findet. Nebenbei findet sich auch meistens die große Liebe, denn
der/die GeheimnissucherIn ist natürlich ein etwas vereinsamter Single (meist
mit tragischem Verlust eines früheren Partners oder anderen Verletzungen) und irgendjemand
mit einem Spezialwissen zu dem Gegenstand hilft ihr nicht nur dessen
Vergangenheit aufzuklären sondern ist meistens auch besonders attraktiv und
sympathisch…
Was soll ich sagen außer: alles
schon mal dagewesen und in Antonia S. Byatts „Posession“ literarisch um einiges
reizvoller aufbereitet. Aber es wäre nicht gerecht einen Roman dieser Qualität
mit dem „Mondscheingarten“ zu vergleichen, der sicher mehr unterhalten als
durch seine literarische Raffinesse überzeugen will. Aber auch ein Jugendroman
nach dem gleichen Schema („Revolution“ von Jenniffer Donelly, Rezension hier)
hat mich da um einiges mehr überzeugt. Dort wurde man mehr mitgenommen von der
Geschichte und dem Schema F wurde durch eine differenzierte Erzähltechnik ein
einzigartiger Charakter verliehen.
Ich muss sagen ich war nicht
sonderlich überrascht als sich im „Mondscheingarten“ die Beziehung zwischen den
Vorbesitzerinnen der Geige (Rose Galway und Helen Carter) und ihrer
gegenwärtigen Besitzerin als so erwiesen hat wie es sich im Roman herausstellt.
Ich hab eher gedacht: das kann doch nicht sein dass es tatsächlich so ist, wie
langweilig! Auch Lilly Kaiser als gegenwärtige Hauptfigur erschien mir ziemlich
oberflächlich und stromlinienförmig charakterisiert. Dass dann mit Gabriel auch
noch so ein „offensichtliches“- männliches Pendant (ein
„larger-than-life“-Kerl) dazukam, hatte – ich muss es leider sagen – Groschenromancharakter (leider hat der ein oder andere Groschenroman aber auch noch mehr pep!)
Die Charaktere in der
Vergangenheit hatten etwas mehr Tiefgang, was die historische Erzählung
gegenüber der Gegenwartshandlung etwas aufgewertet hat. Die ganze Handlung ist
allerdings zu steif und wirkt übermäßig konstruiert.
Nun gut, aber der Roman – so
viele finden ihn ja toll – muss doch irgendetwas haben was ihn besonders macht,
so besonders wie den „Mondscheingarten“ in Padang, Sumatra, Indonesien…
Leider habe ich es nicht
gefunden. Ja klar, es geht um Frauenschicksale in der Vergangenheit, um
Künstlerinnen, das ist an sich ein ehrenwertes Thema und man lernt etwas über
ein Land, das einem – wenn man nicht gerade Südostasienexperte ist – ziemlich
fremd und exotisch vorkommt. Das Thema Matriarchat wird auf den Plan gebracht,
was mir auch gut gefallen hat: alles wird von einer weiblichen Linie definiert.
Alles wunderbar und auch ganz lesens- bzw. hörenswert, aber das gewisse Etwas,
das diesen Roman zu einem einzigartigen Wow-Erlebnis hätte machen können, hat
mir persönlich gefehlt. Das heißt jetzt aber nicht dass der Roman schlecht ist:
die Autorin kann durchaus erzählen und einen Spannungsbogen aufbauen,
allerdings hat dieser meinen Erwartungen nicht entsprochen und mich durch eine dominante
Vorhersehbarkeit enttäuscht.
Ich habe den Roman als Hörbuch
erhalten. Die Stimme der Vorleserin war ganz angenehm. Die Qualität der
Hörbuch-CDs ist einwandfrei.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei Hörbuch Hamburg und
vorablesen für das gewonnene Exemplar!
Meine Ausgabe:
Verlag: Hörbuch Hamburg
Erscheinungsjahr: 2013
Erstausgabe: 2013
Minuten: 454 (auf 6 CDs)
Sprecherin: Elena Wilms
ISBN: 978-3869091259
ISBN: 978-3869091259
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