Samstag, 26. Januar 2013

"Adieu, Sir Merivel" von Rose Tremain


Zunächst: „Adieu, Sir Merivel“ ist eine Fortsetzung. Die Geschichte des Arztes und Höflings Sir Robert Merivel  beginnt bereits im Buch „Zeit der Sinnlichkeit“ (engl. „Restoration“). In dem gegenwärtigen Buch ist vor allem die Rückschau auf sein Leben ein Thema (er schreibt seine Memoiren) und so erfährt der Leser gefiltert einiges, was wohl bereits im ersten Band thematisiert wurde.

Dieser historische Bekenntnisroman (wir haben einen Ich-Erzähler, dem wir quasi über die Schulter schauen können und der sein Leben vor uns ausbreitet) hat das Vermögen die Zeit in der er spielt auf besondere Weise lebendig werden zu lassen. Diese Zeit ist der englische (und französische) Barock: die Zeit des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und von Charles II., jenem König, der nach dem englischen Bürgerkrieg („Interregnum“) und der Exekution seines Vaters Charles I. ab 1660 regieren durfte.

Den Roman durchweht das memento-mori-Gefühl jener barocken Epoche, die sich des Lebens so gefreut hat und dennoch immer mit dem Sterben konfrontiert wurde. Auch Merivel erlebt und erinnert sich an den Tod von Weggefährten, Patienten und Familienmitgliedern. Der Tod ist in der Mitte des Lebens angekommen und lauert stets auf der Schwelle – manchmal stellt er sich aber glücklicherweise „nur“ als Monarch heraus. Humor ist immer auch dort, wo Merivel ist: dem Tod die Zähne zeigen könnte sein Motto lauten. Das macht ihn so liebenswert und sympathisch, diesen weisen Tunichtgut Merivel, der das Leben so schätzt und verehrt wie manche königliche Mätresse und doch immer um seine Endlichkeit weiß.

So ist es auch die Leidenschaft, die den Endfünfziger in Gestalt der schönen (und auch schon nicht mehr ganz in der Blüte ihrer Jugend stehenden) Louise de Flamanville trifft wie zu seinen besten Zeiten. Ich finde diese Affäre  der beiden anrührend wie das letzte Aufflammen der Liebe und Klammern an das Leben eben meistens ist.

Philosophische Gedanken durchziehen das Buch – solche über das Leben an sich und auch darüber, wie wir mit der Kreatur umgehen. Das Falkenmotiv ist hier der Bär, den Merivel in Versailles vor dem sicheren Tod rettet und nach England überschiffen lässt. Doch schafft er es ihn artgerecht zu halten und seiner tierischen Würde gerecht zu werden? Haben Tiere eine Seele und können wir nonverbal mit ihnen kommunizieren? Wie sehr soll der Mensch in die Natur eingreifen und was ist überhaupt Moral? Muss der König moralisch sein und ist sie nur dann angebracht wenn man von ihr profitiert?

Also ich muss sagen dass dies eben kein üblicher historischer Roman ist, wie ihn die Mehrheit vielleicht gerne hat sprich: mysteriöse Tode und der spannende Aufstieg und/oder Fall einfacher Menschen (meist Frauen). Dies ist eben kein Allerweltshistorienreißer, es geht hier um ein spezielles Milieu, nämlich das Adlige zur Zeit des endenden englischen und französischen Barock. Das Lebensgefühl einer ganzen Generation neigt sich dem Ende zu, ähnlich wie am Ende des 19. Jahrhunderts herrscht ennui und zurück bleiben vernachlässigte, gelangweilte Mätressen, an denen der stille Zahn der Zeit nagt und eben Merivel, der auf seinem englischen Landsitz nicht nur den Verfall seines langjährigen Dieners miterleben muss. Deshalb bricht er noch einmal auf, um seinem Geist und Körper neue Energie zu verschaffen. Dass dies manchmal derbe wird ist zeittypisch und wenn man die Klassiker von Laurence Sterne kennt auch nicht weiter verwunderlich.

 Rose Tremain hat ein nachdenkliches Buch geschrieben über einen Mann, der auf sein Leben zurückblickt und es dennoch noch einmal wissen möchte. Ich finde das gut und habe es gern gelesen, auch wenn es eben nicht randvoll gepackt mit Spannung ist.
Herzlichen Dank an vorablesen und den Insel Verlag für das Rezensionsexemplar!


Meine Ausgabe:
Originaltitel: Merivel. A Man of his Time
Erstausgabe: 2012
Verlag: Insel Verlag
Erscheinungsjahr: 2013
ISBN: 978-3458175636

Mittwoch, 16. Januar 2013

"Mrs. Wilcox und die Tote auf der Terrasse" von Emilie Richards



 Cozy mysteries bzw. Häkelkrimis nach dem Miss-Marple-Vorbild zeichnen sich für gewöhnlich dadurch aus, dass die Ermittlerin eine alleinstehende ältere Dame ist, die in einem kleinen Dorf in England lebt und in ihrer vielen Freizeit gerne Verbrechen aufklärt. In den Mrs. Wilcox-Krimis von Emilie Richards ist die Ermittlerin zwar auch in einem kleinen Ort („Emerald Springs“) zuhause, dieser liegt allerdings nicht in England, sondern in Ohio/USA. Auch ist die Ermittlerin keinesfalls alleinstehend oder alt: sie ist Mitte 30 und mit einem (natürlich protestantischen) Pfarrer (Unitarier) verheiratet, mit dem sie zwei Töchter hat. So weit so anders.
Viel Freizeit hat Aggie (Agatha) Wilcox dennoch: weil sie sich langweilt fängt sie sogar an in der neuen Buchhandlung zu arbeiten, die einen eigenen Raum für Bücher mit „Erwachsenenthemen“ hat. Ausgerechnet gegen diesen Raum laufen die rechtschaffenen (um nicht zu sagen: bigotten) Bürger von Emerald Springs Sturm.
Auch sonst ist in der kleinen Gemeinde nicht gerade Friede-Freude-Eierkuchen am Start: Aggie muss sich mit konservativen Frauenvereinsmitgliedern und deren Feindseligkeiten sowie Abneigung gegen allzu freizügige Kleidung herumschlagen und es soll noch schlimmer kommen: eines schönen Tages liegt eine nackte tätowierte Frau auf ihrer Terrasse… was hat das alles zu bedeuten und wer ist als nächstes dran?
Ja hm, also was soll ich zu dieser Reihe sagen? Zunächst finde ich die Charaktere ganz unterhaltsam: Aggie ist eine Frau die mitten im Leben steht und sich um alles kümmert und dennoch von Wissbegierde in die unterschiedlichsten sozialen Situationen geführt wird. Dass ihre jüngste Tochter Teddy ziemlich morbide ist (sie will immer ihre lebendige (!) Katze begraben) und ihre größere Tochter sich zu einem ganz normalen Teengaer entwickelt gehört wesentlich zur Handlung. Auch ihre jüdische Freundin Lucy, Immobilienmaklerin mit Vorliebe für heiße Schlitten (Autos ;)) und aufsehenerregende Kleidung sowie natürlich ihr liebevoller Ehemann Ed, der immer ein bisschen verschlafen wirkt und nichts lieber möchte als wissenschaftlich arbeiten und sich aus der Politik raushalten.
Wie gesagt: die Hauptfiguren sind lebensecht und sympathisch gezeichnet, die Antagonisten dementsprechend hinterhältig und unsympathisch.
Einzig die Stoy bzw. Kriminalhandlung war mir in diesem ersten Buch der Reihe etwas zu fahrig, beliebig wenn man so will. Ja, o.k., hintergründige Geheimnisse kommen ans Licht aber das alles zieht sich etwas zu lang für meinen Geschmack. Ich werde dieser amerikanischen Häkelkrimireihe aber weiterhin eine Chance geben – vielleicht ist ja der nächste Fall mehr nach meinem Geschmack.

Lieben Dank nochmal an scarlett59, die mir das Buch, das auf meiner Wunschliste stand, zum Lovelybooks Weihnachtswichteln 2012 geschenkt hat.
 

Meine Ausgabe:
Originaltitel: Blessed is the Busybody
Verlag: mira Taschenbuch im Cora Verlag
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2008
Erstausgabe: 2005
Seiten: 320
ISBN:  978-3899414981

Donnerstag, 3. Januar 2013

"Bekenntnisse eines Serienjunkies" von Jochen Till



Das letzte Jahr hatte zum Jahresende eine letzte Premiere für mich im Gepäck: ich habe zum ersten Mal ein „Ebook“ gelesen. Zwar auf dem PC – denn ich besitze nach wie vor keinen Ebook-reader  – aber immerhin doch ein Buch, das man nicht anfassen kann. Es hat ein sogenanntes Epub-Format und zu Anfangs wusste ich gar nicht wie das alles funktioniert, aber es ging dann und ich bin ganz okay damit zurechtgekommen (auch wenn ich immer wieder vergessen habe wie man weiterblättert). Normalerweise lese ich keine Ebooks, aber was machen wenn es das „richtige“ Buch zum Ebook gar nicht mehr gibt? Mit dieser Frage werde ich mich immer mehr auseinandersetzen müssen – schließlich will man manche Dinge ja trotzdem lesen. In diesem Fall ereilte mich das Dilemma angesichts einer Lovelybooks-Leserunde, bei der es um ein Buch über „Serienjunkies“ ging. Ebook hin oder her: das hat mich interessiert und schon war ich dabei. Software heruntergeladen und es ging los.

Das Buch von Jochen Till ist sowohl Kompendium amerikanischer Serien als auch die Chronik einer Leidenschaft: der Leidenschaft des Herrn Till für Serien. Diese verhängnisvolle Affäre schlägt sich absolut in den einzelnen Kapiteln nieder, mit seiner Begeisterung reißt er einen mit, auch wenn man die beschriebene Serie an sich, naja, nur so mittel fand.

Dass Jochen Till beschreibt nun also seine schon lange andauernde (ja, er hat 1991 eine der ersten im deutschen TV ausgestrahlten „Simpsons“-Folgen bewusst erlebt) amour fou mit Serien. Jede in einem eigenen  Kapitel welches mal mehr mal weniger eingehend dokumentiert um was es in der jeweiligen Serie so geht, welchem Genre sie zuzuordnen ist und welche Konflikte und Charaktere eine wesentliche Rolle spielen. Das ist natürlich höchst subjektiv, oft digressiv und eben aus der Perspektive des männlichen Serienjunkies, aber das macht das Ganze ja auch so authentisch – und witzig, denn Herr Till besitzt die Gabe dies alles mit einem gewissen Augenzwinkern zu beschreiben. Selbstironie ist da ein gern verwendetes Mittel und auch das Gespür für Situationskomik ist hier absolut vorhanden.

Was mir neben dem Humor so an Jochen Tills Buch gefällt ist das unglaubliche Wissen, das bei ihm über den Bereich „(amerikanische) TV-Serien“ zum Vorschein kommt. Man erfährt nach und nach immer mehr über die (US-)Filmindustrie: wie werden Serien produziert, welche Rolle spielen die jeweiligen „Macher“ (Autoren, Regisseure, Schauspieler, Produzenten) und was soll das Ganze überhaupt? Geben die Serien den prüden Amerikanern ein Ventil einmal Dampf abzulassen, Schimpfwörter und Sexszenen einfach so rauszulassen oder unterbinden das die Autoren, weil ihren Genen ein unverbrüchlicher puritanischer Index inhärent ist? Serien sind halt (wenn auch oftmals sehr überspitztes) Spiegelbild der Gesellschaft und das ist – selbst in Amerika – gut so. Nur: will man das sehen und wenn nicht: warum? Überdies seien die gefährlichen „Undercover-Einsätze“ bei den verhassten deutschen Synchronfirmen hier lobend erwähnt.

Im Buch werden außerdem die Probleme, die ein Serienjunkie so bewältigen muss bzw. musste sehr unterhaltsam dargestellt. Früher war es die Angewiesenheit auf die vermaledeiten TV-Ausstrahlungen – die Zeit bevor es das Internet möglich machte relativ problemlos an Serien in der Originalsprache zu kommen. Und das damit verbundene Warten war die Foltermethode Nr. 1 für einen Serienjunkie. Heute ist das alles kein Thema mehr und ein Dasein als dauerhafter Serienkonsument führt lediglich zu einer „real life-Vereinsamung“ (aber was ist das schon für einen SJ) und der Tatsache dass man nicht mal mehr Taschentücher  (die sind für das Tränentrocknen eines SJs unverzichtbar) im Haus hat weil man ja nicht mehr raus kommt.

Wir erfahren dass es bei einer richtig guten Serie auf die Charaktere und was aus ihnen im Laufe der Staffeln so wird ankommt und nicht etwa auf die Thematik oder das Setting. Gut, das spielt natürlich alles auch eine Rolle, aber für den Autor steht der Serienmensch (oder Klingone oder Zombie oder was auch immer) im Mittelpunkt. So erarbeitet Herr Till dann auch ausführliche Charakterstudien seiner Lieblinge (oder auch Nicht-Lieblinge) so dass auch demjenigen Leser, der die Serie nur vom Hörensagen kennt, ein lebendiges Bild des jeweils Portraitierten vor Augen tritt.

Was ich noch anzumerken habe ist dass die Auswahl der Serien doch sehr männlich konnotiert ist (was man einem männlichen Autor ja auch nicht übel nehmen kann ;)). Es sind viele Serien dabei in denen Gewalt eine prominente Rolle spielt. Und das sage ich jetzt nicht weil ich so ein Moralapostel bin, sondern einfach weil ich nicht so auf Gewalt stehe und eine Serie bei mir damit steht und fällt ob sie mich unterhält und zum Lachen (oder zum „oh wie gefühlvoll“-Weinen) bringt oder nicht. Meine Lieblingsserien sind Sitcoms und ergo habe ich gehofft dass ein paar mehr im Buch beschrieben werden (meine Hoffnung soll ja in den Nachfolgebänden laut Autor auch erfüllt werden). Meine beiden All-Time-Favourites „The Big Bang Theory“ und „Seinfeld“ sind zwar prominent vertreten (und auf das im „Seinfeld-Universum“ angesiedelte weil von ihrem Autor stammende „Curb your Enthusiasm“ hat mich das Buch sehr neugierig gemacht), aber leider keine anderen Sitcom-Klassiker wie „Golden Girls“, „The King of Queens“, „Frasier“ usw. (aber das wird ja wie gesagt bestimmt alles in den nächsten Büchern aka „Staffeln“ vorkommen).  Da ich halt lieber lache als anderen zuzusehen wie sie sich eine Knarre an den Kopf halten und ggf. zudrücken oder gar Schlimmeres  bin ich bei Serien wie „Oz“, „The Wire“, „Dexter“, „Sons of Anarchy“, „The Killing“ etc. einfach draußen. Schwarzer Humor ist ja schön und gern genommen, aber all das Knochengebreche und Blutgefließe muss ich mir nicht anschauen-auch wenn dabei bitterböse Bemerkungen einen Lachkrampf entfachen sollten.  Auch mit Aliens („The X-Files“ – obwohl ich jederzeit eine Petition unterschreiben würde die es erlaubt Gillian Anderson als Synonym für „Traumfrau“ verwenden zu dürfen), Geistern („Geister“), Zombies („The Walking Dead“)  und Vampiren („True Blood“), Dittsches („Dittsche“) und Büromenschen („The Office“) hab ich es nicht so – viel zu gruselig. Dass die Feuerwehrmänner in „Rescue Me“ neben ihren ernsten-tiefenpsychologischen Problemen auch noch einen trockenen Humor besitzen hat mich zwar gefreut, aber wahrscheinlich lasse ich auch diese Serie Serie sein genau wie die über Rockstars und Cowboys.  Ich bin eben ein sehr einseitiger Serienjunkie. Aber die „Simpsons“ – keine Sorge Herr Till – die mag ich auch! Hey, es sind schließlich die „Simpsons“!

Also das mit dem unterschiedlichen Geschmack und meiner Gewaltdarstellungsphobie ist wirklich ganz allein mein Problem und auch wenn die meisten besprochenen Serien wohl eher nicht in meinem DVD-Regal Einzug halten werden kann ich die „Bekenntnisse eines Serienjunkies“ Letzteren und solchen, die es noch werden wollen, uneingeschränkt empfehlen. Herr Till besticht nämlich durch seinen Humor so sehr dass es Spaß macht. Und das ist doch die Hauptsache: da wird selbst die blutrünstigste Killerverbrechergefängniszombieserie in Kurzzusammenfassung zur prosaischen Comedy und deshalb dann auch irgendwie wieder was für mich.

Fazit: weiter so Herr Till und nächstes Mal bitte ein bisschen mehr zum Lachen und nicht zuletzt was für uns Frauen: zur Strafe schauen Sie jetzt bitte jeweils eine Folge „Girls“ und „Downton Abbey“ (gell, Frau Schwarzer ;)). 

Vielen Dank an dot.books für das Leseexemplar und an Lovelybooks, Herrn Till und die Mitleser für die amüsante Leserunde.


Dienstag, 1. Januar 2013

Happy new Year & 2013 „A book a week“ - Reading Challenge


Ich möchte allen ein frohes, glückliches und gesundes neues Jahr 2013 wünschen.

Was das Jahr bringt wissen wir jetzt noch nicht: ob Herausforderungen oder Überraschungen, Glück oder (hoffentlich nicht) Unglück, Liebe oder Schmerz. Oder vielleicht alles zusammen?
Das Schöne ist ja an einem neuen Jahr, dass in ihm nahezu alle Potentialität steckt die sich der menschliche Verstand ausmalen kann. Von daher bin ich zuversichtlich und begrüße dieses Jahr mit offenem Herzen und einem kleinen bisschen Mut. Wie sagt Hermann Hesse so schön: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ – so halte ich das auch mit dem neuen Jahr.
 
Was das Lesen betrifft so habe ich mir – angelehnt an die Goodreads-Lesechallenge – vorgenommen pro Woche ein Buch zu lesen. Da ich für meine sonstige Tätigkeit viel lesen muss bzw. darf schaffe ich es nicht immer privat bzw. für meinen Blog auch so viel zu lesen, aber wie gesagt: es ist ein fester Vorsatz – ein Buch pro Woche. 

So, nun wünsche ich allen noch einen wunderbar entspannten Neujahrstag mit dem vielleicht ersten guten Buch des Jahres.

Macht's gut!
 
Eure Vicky