Mittwoch, 30. Mai 2012

"Ghost (The Ghostwriter)" von Robert Harris



Vorbemerkung: Das Buch ist bereits 2007 erschienen, mittlerweile gibt es auch einen Film mit Ewan McGregor und Pierce Brosnan (Regisseur: Roman Polanski, 2010) dazu. Eigentlich lautet der Titel des Buches schlicht "Ghost", er wurde aber für das Film Tie-In in „The Ghostwriter“ geändert. Bis auf das veränderte Filmcover ist meine Ausgabe inhaltlich absolut identisch mit "Ghost".

"(The)Ghost(writer)" ist eines der atmosphärisch stärksten Bücher, die ich in jüngerer Zeit gelesen habe. Man hat von Anfang an dieses spannungsgeladen-düstere Gefühl dass irgendwas nicht stimmt und im Laufe der Lektüre wird es immer stärker. Die Ich-Erzählperspektive trägt außerdem dazu bei, dass man als Leser auf eine eingeschränkte Sicht der Dinge angewiesen ist, nämlich auf die Sichtweise des Ghostwriters. Dieser ist für den Leser die einzige Informationsquelle, wir verfolgen das Geschehen mit seinen Augen. Das ist vielleicht ein wenig nervenaufreibend, gibt aber auch einen besonderen Kick.
Die Handlung: Ein in London lebender Autor, der für B-Prominente als Ghostwriter arbeitet, wird von einem Verlag angeheuert die Autobiographie von Adam Lang, ehemaliger Premierminister Englands, zu erarbeiten. Dieser hat seinen letzten Ghostwriter Mike McAra kurz zuvor verloren, weil dieser auf Martha‘s Vineyard von einer Fähre ins Wasser gefallen ist (angeblich ein Unfall mit Alkoholeinfluss). Sehr kurzfristig wird der Ich-Erzähler (seinen Namen erfahren wird nicht), dem vertraglich ein großes Honorar zugesichert wird, in die USA abgeordnet. Er soll auf Martha‘s Vineyard mit dem Ex-Premier und seiner Entourage zusammentreffen, um Interviews für die Autobiographie, die er dort auch verfassen bzw. umschreiben soll, zu machen. Alle treffen im düsteren Januar, in dem das Leben auf Martha’s Vineyard einer gespenstischen Stille gewichen ist (man hat das Gefühl nur die Gezeiten geben einen gewissen Rhythmus vor) im Haus des amerikanischen Verlegers von Lang zusammen. In der Zwischenzeit ist in der Presse ruchbar geworden, dass Lang scheinbar während des Irakkrieges Gefangene foltern ließ. Sein ehemaliger Außenminister Richard Rycart untermauert diese Behauptung. Der neue „Ghost“ hat den Verdacht, dass Mike McAra Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, kurz bevor er starb…
Was dieses Buch neben der atmosphärischen Dichte so gut macht ist die Charakterisierung, mit der Harris seinen Haupt- und auch den Nebenfiguren der Handlung Leben eingehaucht hat. Lang ist dabei der schöngeistige Dampfplauderer, der eigentlich Schauspieler werden wollte, aber dann wegen seiner Freundin und späteren Frau Ruth in die Politik gewechselt ist und dort ob seines Charismas große Karriere gemacht hat. Interessant ist wie Ruth, die eigentlich der politische Kopf ist, als ausgetrocknet, eigenbrötlerisch und doch zerbrechlich, eine moderne Lady Macbeth (der Vergleich erfolgt auch durch den „Ghost“), dargestellt wird.
Auch der Ghost selbst lässt einen mitfiebern, obwohl er als Person immer ein wenig unangreifbar bleibt, schließlich erfahren wir auch seinen Namen nicht.
"(The) Ghost(writer)" ist ein Buch, das einen nicht kalt lässt. Ein machiavellistischer Thriller über Politik und Moral, über Schein und Sein und natürlich über Wahrheit und Fiktion.
 
Meine Ausgabe:
Originaltitel: Ghost
Verlag: Pocket Books
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2010 (Film Tie-In Edition)
Erstausgabe: 2007
Seiten: 448
ISBN:  1439130477


Mittwoch, 23. Mai 2012

"Vino Rosso" von Roswitha Wildgans



 Wenn ich verreise nehme ich am liebsten ein Buch mit in den Urlaub, das einen Bezug zu dem Ort hat, an dem ich temporär verweile. Auch letzte Woche hat sich das so ergeben, denn ich war für ein paar Tage am Gardasee, genauer gesagt in Limone sul Garda, dem Ort wo die Zitronen blühen. Glücklicherweise habe ich im Vorfeld ein Buch gefunden das in Limone spielt und durch die Münchner Hauptfigur auch noch einen Bezug zu meiner Heimatstadt hat.
Es handelt sich wieder mal um einen Krimi, eigentlich sogar um einen Regionalkrimi, denn die Handlung spielt ausschließlich am Gardasee, in den Orten Limone und Malcesine. Auch andere bekannte Urlaubsorte rund um den Gardasee wie Torbole, Sirmione, Bardolino, Garda, Riva und Salò werden erwähnt, so dass ein jeder der schon einmal das Glück hatte dort zu sein die Handlung geografisch genau verorten kann.
Zur Handlung: Rosi Holzwurm ist eine ehemalige Münchner Rechtsanwaltsgehilfin, die ihrer Heimat vor drei Monaten den Rücken gekehrt hat um ein neues Leben als Inhaberin einer Putzagentur (mit bisher nur einer Mitarbeiterin, nämlich ihr) im Ferienort Limone sul Garda zu beginnen. Bei einem Urlaub im September des Vorjahres hatte sie sich dort in den Gastronomen Antonio verliebt, der ihr einige unvergessliche Nächte in einem Boot auf dem Gardasee beschert hatte. Der Kontrast zu ihrem verstockten urbayerischen Verlobten Leopold und die Sehnsucht nach Antonio war so groß, dass sie kurzerhand beschloss in die Nähe ihres Geliebten, der zu allem Überfluss verheiratet ist, zu ziehen.
Zu Beginn des Krimis lernen wir eine Rosi Holzwurm kennen, die die Vorzüge ihrer neuen Heimat (Sonne, See & dolce vita) sowie die ausgiebigen Mahlzeiten mit ihrer Vermieterin Signora Bruna genießt sowie den ein oder anderen Spritz im Ristorante ihres Lovers Antonio oder der Bar von Fabio. Außerdem hat sie vier gutsituierte private Klienten, die sich als Ausgleich zu ihrem stressigen Münchner Leben eine Ferienwohnung am Gardasee leisten können. Dort putzt sie gründlich um danach die Vorzüge von deren Wohnungen (große Küche, Bibliothek, Musiksammlung Whirlpool, Fitnessgeräte) in vollen Zügen zu genießen. Dies ist aber nie penetrant, denn als Gegenzug erweist sie den Besitzern auch eine kleine Gefälligkeit. Man merkt: Rosi Holzwurm ist eine unorthodoxe Lebemännin, die einem schnell sympathisch ist.
Ihr Neukunde Otto Simon, ein Weinhändler aus München, hat eine alte Bratsche in Besitz, die vom Geigenbauer Gasparo da Salò (es gab ihn wirklich, seine Lebensdaten sind 1540-1609) stammen soll. Durch das Auftauchen des Instruments wird die eigentliche Krimihandlung in Gang gesetzt. Otto Simon verschwindet, Rosi bekommt merkwürdige Anrufe von dessen Hausmeister. Was haben ihre Klienten Dr. König, ein bekannter Musikkritiker und eine Herzspezialistin aus München, die auffällig viele Bratschen-CDs zu Hause hat, damit zu tun? Warum wird Rosi von diesem Signor Prati, einem Antiquitätenhändler aus Malcesine, verfolgt? Und warum hat ihr Geliebter Antonio plötzlich keine Zeit mehr für sie?

Dieses Buch ist ein echter Geheimtipp für alle Freunde von humorvollen Regionalkrimis, die das gewisse Etwas und eine spritzige Erzählweise zu schätzen wissen. Es trägt angenehm zur Lesefreude bei dass die Autorin ihre Geschichte zwar gut durchdacht und kennerisch unterfüttert hat, sie bei alldem aber nicht allzu ernst nimmt. Dieses Buch soll unterhalten, nicht mehr und nicht weniger (auch wenn man nebenbei etwas über die Geschichte des Gardasees und die Typica dieser Region sowie über Musikgeschichte lernt).

Ein heiterer Sommerkrimi der so gut mundet wie ein Spritz mit Blick auf den Gardasee gepaart mit einer angenehmen Unterhaltung über Gott und die Welt.

Wie ich im Anhang sehe hat Roswitha Wildgans noch einige andere Krimis geschrieben die mit Musik zu tun haben bzw. mit Bayern. Der Emons-Verlag hat auch noch andere Regionalkrimis im Angebot, ich werde sie mal durchschauen.

 
Meine Ausgabe:
 
Verlag: emons:
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2011
Erstausgabe: 2011
Seiten: 171
ISBN: 978-3-89705-799-9

Dienstag, 15. Mai 2012

"Rotes Gold" von Tom Hillenbrand


Essen ist ein existentielles Thema, wie auch der Tod eines, ja das existentielle Thema schlechthin ist. Wenn Essen und Tod in einem Krimi zusammenkommen kann man nicht umhin dass einen das an das Leben erinnert.

Aber von Anfang an: ich habe den ersten Roman „Teufelsfrucht“ nicht gelesen, in dem der Luxemburger Koch Xafier Kieffer als Ermittler einer kulinarischen Krimireihe eingeführt wird. Dennoch habe ich mich erneut für eine Lovelybooks-Leserunde für den Nachfolgeband "Rotes Gold" beworben. Der zweite Band beginnt jedenfalls damit, dass einer der weltbesten Sushiköche (Mifune) bei einem ihm gewidmeten Abend im Pariser Museum Orsay tot umfällt. Xavier Kieffer ist zugegen und wird schnell in den Fall hineingezogen, da der exzentrische und schwerreiche Pariser Bürgermeister ihn bittet privat zu ermitteln.

Xavier Kieffer ist einem in seiner Technikskepsis („Wiffi“) und seiner Vorliebe für ein dolce vita (Alkohol, Essen, Wein, Ruhe, schönes Ambiente, schöne natürliche Frauen) ohne Gesundheitsdogmatismus sympathisch. Bei all dem hat er aber stets im Gefühl, wenn der schmale Grat von Genuss überschritten und zur lukullischen Dekandenz wird. Diesen überschreitet beispielsweise der (natürlich fiktive) Pariser Bürgermeister François Allegret, der sich gerne vom Aussterben bedrohte Singvögel und Gänsestopfleber ohne den Hauch eines Skrupels genehmigt.
Von diesen Gourmets ohne Gewissen leben diejenigen, die mit den exotischen Lebensmitteln handeln. Eines dieser schwer zu bekommenden Lebensmittel ist der Blauflossenthun (Blue fin). Vom Handel mit ihm handelt auch der Krimi „Rotes Gold“, eine Umschreibung für diesen Fisch, der als Sushi-Spezialität gilt.

Gemeinsam mit seinem finnischen Freund Pekka, der bei der EU arbeitet und seinem ehemaligen japanischen Kollegen und immer noch Freund Toro versucht Kieffer herauszufinden, was es mit der Thunfisch-Mafia und dem Tod des Sushikochs auf sich haben könnte. Dabei wird der Leser in die düstere – und mitunter auch recht bigotte – Welt des Thunfischfangs entführt. Man lernt Lusoburges (Luxemburger Staatsbürger mit portuguiesischem Migrationshintergrund) kennen und erfährt wie die Sizilianer seit Jahrhunderten mit und durch den Thunfisch leben.
Für Vegetarier und Veganer, zu denen ich mich zähle, ist die kulinarische Verstiegenheit und der (schlechte) Geschmack der Gourmets mitunter schwer zu verkraften. Es wird sehr deutlich wie egozentrisch und moralisch bedenklich die Welt bzw. Industrie des hemmungslosen Genusses ist und welche Gefahr sie darstellt.

Kieffer ist als Ermittler wie gesagt eine sympathische Figur, die ein angenehmes „Jedermann“-Image hat. So gar nicht passt seine 36jährige Freundin Valerie zu ihm, möchte man meinen. Sie ist die Erbin des Restaurantführerimperiums Guide Gabin (man braucht nicht lange um das Vorbild in der realen Welt zu entschlüsseln) und als solche im Bermudadreieck der Sternegastronomie beheimatet. Kieffer ist da eigentlich eine komische Wahl, als luxemburgischer Eigenbrötler und momentan ohne Stern sowie leicht ergraut, wie es im Roman heißt. Aber das macht den Reiz aus: Paare, die scheinbar nicht zueinander passen kommen in der Literatur immer gut. Und auch in diesen Krimi bringt die Liebeshandlung ein wenig zusätzlichen Pep und Menschlichkeit, die den skrupellosen Thunfischdealern mangelt.
 
Im letzten großen Handlungsabschnitt wird noch einmal viel an Spannung aufgeboten. Man konnte nicht umhin ein wenig "Miami Vice-Magnum-MacGyver"-Feeling zu bekommen, als sich Kieffer dazu aufmacht die schlimmen Machenschaften der Fischmafia aufzudecken.
 
Ich finde der Krimi ist solide und gut gemacht. Mir gefällt die Sprache und Schreibweise Hillenbrand sehr, denn sie stellt sich nicht experimentell in den Vordergrund um darüber die Handlung in den Hintergrund zu Rücken. Nein, die faktenunterfütterte Handlung, das Setting und die allgemeine Atmosphäre haben hier Vorrang vor einer etwaigen Selbstdarstellung des Autors. Der Faktenreichtum ist an manchen Stellen etwas störend und das geballte kulinarische Wissen schlägt einem allzu enzyklopädisch entgegen.  Natürlich hat das aber auch seine gute Seite, denn obwohl der Lesegenuss manchmal darunter leidet lernt der Leser viel über die ökonomischen Aspekte der Genussbranche und natürlich über luxemburgische Spezialitäten (die dankenswerter Weise in einem beigefügten Glossar am Ende zusammen mit anderem kulinarischen Jargon erklärt werden).
 
Von der Auflösung bzw. der Revelation des Täters hätte ich mir mehr erhofft, denn es ist dann doch „Mr. Obvious“ geworden. Es scheint Tom Hillenbrand also weniger darum zu gehen am Ende dem Leser eine möglichst spektakuläre Auflösung zu bieten, auf die er selbst nie gekommen wäre, sondern eher um den „Weg“ also die Handlung selbst. Das ist als Ansatz durchaus akzeptabel, ob es das ist was ich speziell von einem Krimi erwarte, da bin ich nicht so sicher.

Meine Ausgabe:

Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2012
Erstausgabe: 2012
Seiten: 352
ISBN: 3462044125

Sonntag, 6. Mai 2012

"Der Duft von Erde und Zitronen" von Margherita Oggero


Ich hatte keine allzu hohen Erwartungen als ich an dieses Buch herangegangen bin. Die Beschreibung bei vorablesen.de klang interessant – es sollte um das Lesen und um Italien gehen sowie um ein Mädchen, das durch die organisierte Kriminalität dazu gezwungen wird unterzutauchen – und die Leseprobe war auch nach meinem Geschmack. Dennoch habe ich nicht viel mehr erwartet als einen soliden Roman. Letztlich hat sich das Buch aber als kleines Juwel herausgestellt. Obwohl ich es bei dem schweren Thema nicht erwartet hatte liest sich dieser Roman mit einer Leichtigkeit als würde man ein Dessert essen. Margherita Oggero, von der bereits zwei Krimis ("Mord zum Aperitivo" und "Espresso mit Todesfolge") im Piper-Verlag auf Deutsch erschienen sind, war mir vorher leider kein Begriff, aber ich bin sehr froh dass sich das jetzt geändert hat.

„Der Duft von Erde und Zitronen“ ist ein erzähltes Familienpanorama! Es geht um die Mitglieder einer italienischen Familie (mit Angeheirateten und „über-5-Ecken-Verwandten“) und ihre jeweilige Geschichte. Zwischendrin ist immer wieder die Ich-Erzählung der Protagonistin Imma geschaltet, die fernab ihrer süditalienischen Heimat bei einer Nenn-Tante inkognito leben muss, weil sie unfreiwillig mit der Mafia in Kontakt gekommen ist: sie hat den Sohn des örtlichen Mafia-Paten mit einem Stein attackiert, nachdem dieser sie vergewaltigen wollte. Mit dem Gedanken ihn erschlagen zu haben muss sie im Norden Italiens bei Rosaria untertauchen. Auch deren Hintergrundgeschichte erfährt der Leser nach und nach. Imma ist mit ihren 13 Jahren bereits schwer vom Schicksal gezeichnet: die Mutter (Melina) wurde vom untreuen Vater verlassen und starb früh bei einem Autounfall, den Imma mit ansehen musste. Auch von einem grausamen Verbrechen wurde die  träumerische Jugendliche Zeugin, verübt ausgerechnet von dem Mann, der ihr eigener Peiniger werden sollte…

Das Buch wurde als ein Roman verkauft, in dem es um das Lesen geht und darüber, wie es einem aus einer schlimmen Lebenssituation qua Eskapismus hinweghelfen kann. Ich würde sagen: es geht auch darum, aber nicht an erster Stelle. Imma verliebt sich am Ort ihres Exils in einen Studenten, der für seinen Onkel Bücher auf dem Markt verkauft. Auf Nachfrage nach ihren Lektürevorlieben sagt sie, dass sie Bücher über Kinder bzw. Jugendliche lesen möchte, die eingesperrt sind und sich stark angesichts ihren harten Schicksals verhalten. So kommt sie in Kontakt mit Anne Frank und Oliver Twist, aber auch mit Guy Montag, dem es in „Fahrenheit 451“ verboten ist zu lesen und der es trotzdem tut. Auch Immas Lesen ist zunächst geheim, hat sie doch von Zuhause nur Schulbücher mitgebracht und eigentlich darf sie nicht nach draußen (die neuen Bücher würden verraten, dass sie doch rausgegangen ist). Sie liest die Bücher und holt sich immer wieder Nachschub von Paolo.
Nebenbei wird die Geschichte Immas und ihrer Familie erzählt, der Leser erfährt immer mehr Details und kann sich aus der Rückschau ein kompletteres Bild machen.

Mir ist aufgefallen, dass das Buch weitaus weniger pathetisch ist, als es vermarktet wurde. Es ist von einem warmen Humor durchsetzt und stellt die Lebenswirklichkeit der Personen so dar dass es nie artifiziell oder konstruiert wirkt. Das ist für mich die absolute Stärke dieses Buches – weniger der scheinbarere Überbau (Emanzipation, Lektüre als Befreiung). Man fühlt sich in diese italienische Familie und ihr Umfeld hinein, kann mit ihr lachen und weinen ist nicht zuletzt entsetzt über die tatsächliche Allmacht der mafiösen Strukturen, die den italienischen Süden wie ein starres Korsett umschließen. Italienische Tradition (Familie steht an erster Stelle, die Schönheit des Landes, kulinarische Highlights, die Mafia) und globalisierte Moderne (Jobs in anderen Ländern, die Zerstreuung von Familien durch Mobilität und der hohe Einfluss der Technik) prallen aufeinander in diesem Roman. Hier wird Gegenwart erzählt und spürbar gemacht.

Man merkt zwar, dass Oggero eine Kriminalautorin ist, denn Mord, Tod und Totschlag spielen eine große Rolle. Dennoch durchzieht das Buch der Gedanke, dass man sich davon nicht einschüchtern lassen darf und das Leben feiern wo es geht – sei es durch Essen, Familie, Lektüre oder die bedingungslose Liebe eines Hundes.

Fazit: Ein einnehmender Roman voller Lebenswirklichkeit und Wärme, den ich jedem ans Herz legen möchte!
 
Meine Ausgabe:
Originaltitel: L’oro di pietra
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2012
Erstausgabe: 2011
Seiten: 320
ISBN: 978-3421045539