Donnerstag, 3. Januar 2013

"Bekenntnisse eines Serienjunkies" von Jochen Till



Das letzte Jahr hatte zum Jahresende eine letzte Premiere für mich im Gepäck: ich habe zum ersten Mal ein „Ebook“ gelesen. Zwar auf dem PC – denn ich besitze nach wie vor keinen Ebook-reader  – aber immerhin doch ein Buch, das man nicht anfassen kann. Es hat ein sogenanntes Epub-Format und zu Anfangs wusste ich gar nicht wie das alles funktioniert, aber es ging dann und ich bin ganz okay damit zurechtgekommen (auch wenn ich immer wieder vergessen habe wie man weiterblättert). Normalerweise lese ich keine Ebooks, aber was machen wenn es das „richtige“ Buch zum Ebook gar nicht mehr gibt? Mit dieser Frage werde ich mich immer mehr auseinandersetzen müssen – schließlich will man manche Dinge ja trotzdem lesen. In diesem Fall ereilte mich das Dilemma angesichts einer Lovelybooks-Leserunde, bei der es um ein Buch über „Serienjunkies“ ging. Ebook hin oder her: das hat mich interessiert und schon war ich dabei. Software heruntergeladen und es ging los.

Das Buch von Jochen Till ist sowohl Kompendium amerikanischer Serien als auch die Chronik einer Leidenschaft: der Leidenschaft des Herrn Till für Serien. Diese verhängnisvolle Affäre schlägt sich absolut in den einzelnen Kapiteln nieder, mit seiner Begeisterung reißt er einen mit, auch wenn man die beschriebene Serie an sich, naja, nur so mittel fand.

Dass Jochen Till beschreibt nun also seine schon lange andauernde (ja, er hat 1991 eine der ersten im deutschen TV ausgestrahlten „Simpsons“-Folgen bewusst erlebt) amour fou mit Serien. Jede in einem eigenen  Kapitel welches mal mehr mal weniger eingehend dokumentiert um was es in der jeweiligen Serie so geht, welchem Genre sie zuzuordnen ist und welche Konflikte und Charaktere eine wesentliche Rolle spielen. Das ist natürlich höchst subjektiv, oft digressiv und eben aus der Perspektive des männlichen Serienjunkies, aber das macht das Ganze ja auch so authentisch – und witzig, denn Herr Till besitzt die Gabe dies alles mit einem gewissen Augenzwinkern zu beschreiben. Selbstironie ist da ein gern verwendetes Mittel und auch das Gespür für Situationskomik ist hier absolut vorhanden.

Was mir neben dem Humor so an Jochen Tills Buch gefällt ist das unglaubliche Wissen, das bei ihm über den Bereich „(amerikanische) TV-Serien“ zum Vorschein kommt. Man erfährt nach und nach immer mehr über die (US-)Filmindustrie: wie werden Serien produziert, welche Rolle spielen die jeweiligen „Macher“ (Autoren, Regisseure, Schauspieler, Produzenten) und was soll das Ganze überhaupt? Geben die Serien den prüden Amerikanern ein Ventil einmal Dampf abzulassen, Schimpfwörter und Sexszenen einfach so rauszulassen oder unterbinden das die Autoren, weil ihren Genen ein unverbrüchlicher puritanischer Index inhärent ist? Serien sind halt (wenn auch oftmals sehr überspitztes) Spiegelbild der Gesellschaft und das ist – selbst in Amerika – gut so. Nur: will man das sehen und wenn nicht: warum? Überdies seien die gefährlichen „Undercover-Einsätze“ bei den verhassten deutschen Synchronfirmen hier lobend erwähnt.

Im Buch werden außerdem die Probleme, die ein Serienjunkie so bewältigen muss bzw. musste sehr unterhaltsam dargestellt. Früher war es die Angewiesenheit auf die vermaledeiten TV-Ausstrahlungen – die Zeit bevor es das Internet möglich machte relativ problemlos an Serien in der Originalsprache zu kommen. Und das damit verbundene Warten war die Foltermethode Nr. 1 für einen Serienjunkie. Heute ist das alles kein Thema mehr und ein Dasein als dauerhafter Serienkonsument führt lediglich zu einer „real life-Vereinsamung“ (aber was ist das schon für einen SJ) und der Tatsache dass man nicht mal mehr Taschentücher  (die sind für das Tränentrocknen eines SJs unverzichtbar) im Haus hat weil man ja nicht mehr raus kommt.

Wir erfahren dass es bei einer richtig guten Serie auf die Charaktere und was aus ihnen im Laufe der Staffeln so wird ankommt und nicht etwa auf die Thematik oder das Setting. Gut, das spielt natürlich alles auch eine Rolle, aber für den Autor steht der Serienmensch (oder Klingone oder Zombie oder was auch immer) im Mittelpunkt. So erarbeitet Herr Till dann auch ausführliche Charakterstudien seiner Lieblinge (oder auch Nicht-Lieblinge) so dass auch demjenigen Leser, der die Serie nur vom Hörensagen kennt, ein lebendiges Bild des jeweils Portraitierten vor Augen tritt.

Was ich noch anzumerken habe ist dass die Auswahl der Serien doch sehr männlich konnotiert ist (was man einem männlichen Autor ja auch nicht übel nehmen kann ;)). Es sind viele Serien dabei in denen Gewalt eine prominente Rolle spielt. Und das sage ich jetzt nicht weil ich so ein Moralapostel bin, sondern einfach weil ich nicht so auf Gewalt stehe und eine Serie bei mir damit steht und fällt ob sie mich unterhält und zum Lachen (oder zum „oh wie gefühlvoll“-Weinen) bringt oder nicht. Meine Lieblingsserien sind Sitcoms und ergo habe ich gehofft dass ein paar mehr im Buch beschrieben werden (meine Hoffnung soll ja in den Nachfolgebänden laut Autor auch erfüllt werden). Meine beiden All-Time-Favourites „The Big Bang Theory“ und „Seinfeld“ sind zwar prominent vertreten (und auf das im „Seinfeld-Universum“ angesiedelte weil von ihrem Autor stammende „Curb your Enthusiasm“ hat mich das Buch sehr neugierig gemacht), aber leider keine anderen Sitcom-Klassiker wie „Golden Girls“, „The King of Queens“, „Frasier“ usw. (aber das wird ja wie gesagt bestimmt alles in den nächsten Büchern aka „Staffeln“ vorkommen).  Da ich halt lieber lache als anderen zuzusehen wie sie sich eine Knarre an den Kopf halten und ggf. zudrücken oder gar Schlimmeres  bin ich bei Serien wie „Oz“, „The Wire“, „Dexter“, „Sons of Anarchy“, „The Killing“ etc. einfach draußen. Schwarzer Humor ist ja schön und gern genommen, aber all das Knochengebreche und Blutgefließe muss ich mir nicht anschauen-auch wenn dabei bitterböse Bemerkungen einen Lachkrampf entfachen sollten.  Auch mit Aliens („The X-Files“ – obwohl ich jederzeit eine Petition unterschreiben würde die es erlaubt Gillian Anderson als Synonym für „Traumfrau“ verwenden zu dürfen), Geistern („Geister“), Zombies („The Walking Dead“)  und Vampiren („True Blood“), Dittsches („Dittsche“) und Büromenschen („The Office“) hab ich es nicht so – viel zu gruselig. Dass die Feuerwehrmänner in „Rescue Me“ neben ihren ernsten-tiefenpsychologischen Problemen auch noch einen trockenen Humor besitzen hat mich zwar gefreut, aber wahrscheinlich lasse ich auch diese Serie Serie sein genau wie die über Rockstars und Cowboys.  Ich bin eben ein sehr einseitiger Serienjunkie. Aber die „Simpsons“ – keine Sorge Herr Till – die mag ich auch! Hey, es sind schließlich die „Simpsons“!

Also das mit dem unterschiedlichen Geschmack und meiner Gewaltdarstellungsphobie ist wirklich ganz allein mein Problem und auch wenn die meisten besprochenen Serien wohl eher nicht in meinem DVD-Regal Einzug halten werden kann ich die „Bekenntnisse eines Serienjunkies“ Letzteren und solchen, die es noch werden wollen, uneingeschränkt empfehlen. Herr Till besticht nämlich durch seinen Humor so sehr dass es Spaß macht. Und das ist doch die Hauptsache: da wird selbst die blutrünstigste Killerverbrechergefängniszombieserie in Kurzzusammenfassung zur prosaischen Comedy und deshalb dann auch irgendwie wieder was für mich.

Fazit: weiter so Herr Till und nächstes Mal bitte ein bisschen mehr zum Lachen und nicht zuletzt was für uns Frauen: zur Strafe schauen Sie jetzt bitte jeweils eine Folge „Girls“ und „Downton Abbey“ (gell, Frau Schwarzer ;)). 

Vielen Dank an dot.books für das Leseexemplar und an Lovelybooks, Herrn Till und die Mitleser für die amüsante Leserunde.


2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für die schöne und ausführliche Rezension! Freut mich sehr, dass dir mein Buch trotz des hohen Männerserien-Anteils Spaß bereiten konnte. In Staffel 2 liegt der Comedy-Anteil deutlich höher, keine Sorge - da sind immerhin 9 der 25 Serien Comedys und auch der Rest ist weniger gewalttätig...;-)

    Ach ja, und "Downton Abbey" ist auch drin, das gucke ich nämlich freiwillig...;-)

    Beste Grüße & weiterhin fröhliches Seriengucken,

    Jochen

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  2. Herzlichen Dank für den Kommentar und viel Erfolg weiterhin!
    PS & natürlich viel Spaß mit "Downton Abbey" ;)

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