Montag, 20. April 2020

"Die Herren der Zeit" von Eva García Sáenz



Dynastische Verwicklungen


“Die Herren der Zeit” ist der letzte Teil der Thriller-Trilogie um den Kriminalprofiler Unai López de Ayala (genannt Kranken) aus dem Baskenland. Ich habe die ersten beiden Bände nicht gelesen, konnte aber aufgrund der Rückblenden-Informationen, die die Autorin einstreut, gut ins Geschehen finden. Um die Persönlichkeitsentwicklung der Hauptfigur Kraken und die komplexen Zusammenhänge der Geschichte besser zu verstehen, ist es aber sicher hilfreich, wenn man mit dem ersten Band beginnt.

Die baskischen Orts- und Personennamen waren für mich, die ich bislang wenig mit der Sprache und Kultur Navarras in Berührung gekommen bin, gewöhnungsbedürftig. Teilweise war es schwer zu erfassen, ob ein Vorname männlich oder weiblich ist. Die Verwandtschaftsverhältnisse, die in beiden Handlungssträngen vorkommen, sind aufgrund der vielen Namensähnlichkeiten sehr schwer zu durchschauen. Eine Familie, in der jedes männliche Mitglied über mehrere Generationen den gleichen Vornamen trägt, puh! Dazu kommt noch die spezielle Wesensart des Hauptverdächtigen. Das hilfreiche und sehr ausführliche Personenregister sowie das Glossar, das die wichtigsten Begriffe erklärt, habe ich durch die Lektüre des Ebooks leider erst am Ende gesehen.

Das Interessante an "Die Herren der Zeit" ist die Tatsache, dass es zwei Bücher in einem sind: zum einen ein Thriller in der Gegenwart des Septembers 2019, zum anderen ein historischer Roman, der im 12. Jahrhundert spielt. Die beiden Handlungsstränge sollen sich gegenseitig spiegeln. Während aber in der Gegenwart recht schnell einige Morde passieren, nimmt die Vergangenheitshandlung einen eher gemächlichen Verlauf. Erst ab der Hälfte des Buches etwa überholt die Vergangenheit die Gegenwart was die kriminellen Vorkommnisse angeht. Um es dann noch etwas komplizierter zu machen, kommt nach etwa zwei Dritteln des Romans eine dritte Zeitebene, gegen Ende noch eine vierte hinzu.

Normalerweise lese ich Krimis/Thriller recht schnell, weil man ja natürlich wissen möchte, wer der Mörder/Täter ist. Für diesen Thriller habe ich verhältnismäßig lange gebraucht. Durch die Rückblenden in die Jahre 1190 ff. wird außerdem beständig auf die Bremse getreten, die Gegenwartshandlung wird angehalten, wenn sie gerade Fahrt aufgenommen hat. Ich verstehe schon den Sinn dahinter, allerdings habe ich innerlich manchmal schon gestöhnt, wenn wieder mal ein Cliffhanger in 2019 von einem Handlungsstrang aus dem Mittelalter abgelöst wurde. Dennoch ist das komplexe Konstrukt, das die Autorin mit diesem letzten Teil der Kraken-Trilogie erschaffen hat, aller Ehren wert. Allein die Recherchearbeit im Vorfeld hat, wie sie im Nachwort sagt, sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Die Auflösung des Ganzen ist dann auch recht überraschend gewesen, wie ich finde. Man fiebert mit der Hauptfigur Kraken mit und bekommt einen hoch komplexen, extrem verschachtelten Krimi mit dynastischen Verwicklungen serviert, der mir aber auch einiges an Durchhaltevermögen abverlangt hat.


Herzlichen Dank an den S.Fischer-Verlag/Scherz und netgalley für das Rezensionsexemplar!
Nähere Infos zum Buch: hier


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