Der Geschmack der Freiheit
Diese ganz besondere Geschichte einer "späten Freundschaft" wird aus der Perspektive des 76-jährigen Joel Monroe erzählt. Joel lebt seit einigen Jahren im Altenheim "Hilltop Manor". Ein Dasein, das er abgrundtief verabscheut, vor allem seit seine Frau Lucey in ebendiesem Pflegeheim verstarb und ihn dort alleine zurückgelassen hat. Nun ja, nicht ganz alleine, er muss sich sein Zimmer auch noch mit einem Komapatienten teilen. Eines Tages beschließt Joel, sein trostloses Dasein zu beenden und durch einen selbstgewählten Tod aus dem Leben zu scheiden. Doch just im Zuge dieses Entschlusses, stirbt sein Zimmergenosse und kurz darauf zieht ein neuer Bewohner bei ihm ein: Frank. Frank ist ein ehemaliger Schauspieler, der BewohnerInnen und Pflegepersonal durch seine Präsenz und Persönlichkeit sofort für sich einnehmen kann. Joel ist skeptisch und hält den Eindringling zunächst für einen eitlen Blender, bis er hinter die Fassade des einstigen Theatermenschen und TV-Gesichts blickt. Die beiden Senioren werden Freunde und erobern sich gemeinsam ein Stück der Freiheit zurück, die ihnen genommen wurde.
Mit viel Sprachwitz, der sich vor allem in den Dialogen zwischen Frank und Joel aber auch im Schlagabtausch der beiden mit anderen hervortut, besticht dieses Buch auf der Humorebene. Zahlreiche komische Szenen, wie die Ausbruchsversuche der beiden Protagonisten aus dem Altenheim und ihre Begegnungen mit der Welt außerhalb von Hilltop, sorgen beim Leser für Schmunzeln.
Der Roman entbehrt aber gleichzeitig nicht einer gewissen Tragik. Vor allem das Leben von Frank ist bzw. war unter der Oberfläche ein tragisches. Während sich der Schauspieler nach außen hin jovial und lebensfroh gibt, brodeln in seinem Inneren viele Verletzungen, die er in seiner Jugend erfahren hat. Auch die Tatsache, dass der Autor mit Frank einen (Spoiler!) LGBTQ-Charakter ins Spiel bringt, finde ich fabelhaft. Die Probleme von älteren Homosexuellen dieser Generation werden viel zu selten thematisiert, immerhin haben sie im Alter oftmals keine Kinder, die sie betreuen oder zumindest besuchen können. Frank sehnt sich förmlich nach Gesellschaft - ganz im Gegensatz zu seinem zunächst grummeligen neuen Mitbewohner.
Aber auch Joel hat sein Päckchen zu tragen. Sein Leben war zwar bis auf eine nicht so schöne Kindheit irgendwie ganz gut, aber seit dem Tod seiner Frau ist es eben nicht mehr dasselbe und er leidet unter der Situation, von seiner Tochter Eva “eingesperrt” und quasi abgeschoben worden zu sein. Dass er an Selbstmord denkt, rückt das Thema “Altersdepression” in den Vordergrund. Auch eines, über das viel zu wenig gesprochen wird in der Literatur, aber auch in unserer Gesellschaft.
Die Erzählung geht sehr gemächlich vonstatten und passt sich damit dem Tempo seiner Protagonisten im fortgeschrittenen Seniorenalter an. Wer hier einen wilden Ritt oder Roadtrip erwartet, wird enttäuscht werden.
Der junge irische Autor Dan Mooney schafft es wunderbar, sich in die Befindlichkeiten zweier Männer einzufühlen, die ihren Zenith alterstechnisch längst schon überschritten haben. Das Buch wartet neben seinen vielen tragikomischen Szenen mit einer besonderen Warmherzigkeit auf, die zwischen den Seiten zu spüren ist. Die zarte, zerbrechliche Freundschaft zwischen den beiden Männern und ihr Kampf um ein bisschen Freiheit und Selbstbestimmung ist einfach wundervoll beschrieben.
Insgesamt ein traurigschönes Leseerlebnis, das man nicht so schnell vergessen kann.
Herzlichen Dank an den Harper Collins Verlag für das Rezensionsexemplar!
Nähere Infos zum Buch: hier
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