Montag, 16. Juni 2025

"Permafrost" von Eva Baltasar


“Ist es eine Tragödie? Ist es eine Komödie?” hat sich Thomas Bernhard gefragt. Im besten Falle beides. In Lektüren und neuerdings auch in meinem eigenen Schreiben suche ich immer das Tragikomische. Es ist einfach das, was mich am meisten anspricht, was Literatur für mich menschlich und “echt” macht. 

Nicht nur ist Thomas Bernhard auch mit aus diesem Grund einer meiner Lieblingsautoren. Er verbindet das abgrundtief Traurige mit dem Humorvollen, den Schmerz mit dem Kalauer und dem beißenden Sarkasmus. Und wenn dann eine zeitgenössische Schreibende ihr Buch mit einem Zitat von ihm beginnt, dann ist das für mich allein schon ein Qualitätsnachweis und Vertrauensvorschuss, bevor ich das Buch überhaupt begonnen habe. Die katalanische Lyrikerin Eva Baltasar hat es getan. Ihren schmalen Roman “Permafrost”, der gleichzeitig ihr erstes Prosawerk ist, mit einem Thomas-Bernhard-Zitat eingeleitet: “To be born is to be unhappy, he said, and as long as wie live we reproduce this unhappiness.” Der Satz stammt aus dem Roman “Der Untergeher”, der in der Übersetzung witziger und nicht ganz akkurater Weise “The Loser” heißt. Da ich des Katalanischen nicht mächtig bin, habe ich Baltasars Buch in der englischen Übersetzung von Julia Sanches gelesen.

Um was geht es? Eine lesbische Ich-Erzählerin, gebürtig aus Barcelona, die edgy ist und wo es geht versucht, gegen gesellschaftliche Normen aufzubegehren, berichtet uns plain and simple aus ihrem Leben. Gescheiterte Lieben, das Lesbischsein, gescheiterte Berufe, Liebäugeln mit dem Selbstmord, die monatliche Qual der Endometriose, der gesellschaftliche und berufliche Erfolg der Schwester, die sie ja doch liebt. Es geht nicht so sehr um das “Was”, sondern vielmehr um das “Wie”. Um die Authentizität, mit der sie schreibt, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es um Körperliches geht und um den Hauch von Witz und Ironie mit der sie das Thema “Suizid” mit ihren perfekt gewählten Worten einsprüht. Schwärzer als in “Permafrost” kann Humor fast nicht sein. Ich habe mir viele Sätze markiert in diesem Buch, einfach weil sie so schön und wahrhaftig sind. Zum Beispiel: “Like love, death catches the body. So let it be caught unawares.” (S. 13) oder “Sex distances me from death, though it doesn’t bring me closer to life.” (S. 91). Das Buch muss man selbst erlebt haben und kann es trotz der Kürze nicht eben so weglesen.

Das Buch ist der erste Band einer Trilogie - Permafrost, Boulder, Mammut -  in der es um drei lesbische Frauenleben geht. “Mammut” erscheint im Herbst in der Übersetzung bei Schöffling & Co.


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