Mittwoch, 5. Februar 2025

"Gentlemen and Players" von Joanne Harris


“‘You can't work at St Oswald's for as long as I have without believing in signs and portents and - ‘Ghosts?’ I suggested slyly. He did not return my smile. ‘Of course’, he said. ‘The bloody place is full of them.’ I wondered for a moment if he was thinking of my father. Or Leon. For a moment, I wondered if I was one myself.” (S. 193)

Kennt ihr diese Bücher, die ein extrem langes Built-up haben und es einem scheinbar endlos vorkommt, bis sie zum Punkt bzw. Sinn und Zweck der Geschichte kommen? Das ist bei “Gentlemen & Players” von Joanne Harris (übrigens die Autorin von “Chocolat”) so. Ich habe mich in das Cover verliebt und auch das Setting “englische Jungen-Eliteschule” hat mich sofort angesprochen. Wenn ich gewusst hätte, dass sich die knapp über 500 Seiten wie Kaugummi ziehen, hätte ich das Buch wahrscheinlich nicht gelesen.

Es ist eine Geschichte, die aus zwei Perspektiven erzählt wird. Zum einen die des 65-jährigen Lateinlehrers Straitley - ja, sprechende Namen gibt es in diesem Buch auch einige - zum anderen die eines namenlosen Ich-Erzählers, dem Kind eines früheren Hausmeisters der Schule namens Snyde. Straitley ist die gute Seele von St. Oswald, er wird demnächst sein Century vollmachen, was ich nicht ganz verstanden habe. Denn Century heißt ja eigentlich Jahrhundert und er ist ja doch wesentlich jünger. Andererseits ist das Buch von 2005/2006 (10 Jahre später gab es diese Neuauflage) und vielleicht meint er einfach das Ende des 20. Jahrhunderts. Eine genaue Jahreszahl bekommen wir im Gegensatz zu Daten (Tag und Monat), aber nicht. Es wird aber gerade alles digitalisiert an der Schule (PC-Räume) und von Smartphones gesprochen. Ich weiß nicht, ob die Autorin das Buch für den zweiten Release nochmal überarbeitet hat. Jedenfalls ist Straitley der Sympathieträger, den Schüler und Lehrer*innen gleichermaßen respektieren. Er ist alleinstehend und quasi mit der Schule “verheiratet” und bringt uns als Lesenden die Insiderinfos. Dann ist da eben diese Ich-Erzählinstanz, die davon berichtet, wie sie als Kind des Hausmeisters in einem Häuschen auf dem Schulgelände mit dem Vater aufgewachsen ist, die Mutter hat beide früh verlassen. Diese Person, die auf die öffentliche Schule gehen musste, ist fasziniert von St. Oswald und legt sich eine zweite Identität als “Pinchback” zu, einem Phantom-Schüler, der in seiner Freizeit und teilweise auch während der regulären Schulzeit, durch die Gänge der Eliteschule streift. Dort trifft Pinchback eines Tages auf den etwas älteren Schüler Leon Mitchell und verliebt sich in ihn. Damit nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Das ist der Kern der Geschichte, allerdings gibt es sehr viel Überbau, der hier auch noch erzählt wird. Es scheint mir, als wollte die Autorin die Atmosphäre haarklein schildern, um bei den Lesenden das Gefühl zu erzeugen, sie würden die Schule in und auswendig kennen. Eine Schule hat allerdings ziemlich viel Personal und ja, jeder Lehrer wird hier “besprochen” und auch eine Menge Schüler, vor allem die aus der Lateinklasse von Mr. Straitley. Der ist natürlich schon sehr sympathisch als Charakter, allerdings war mir die Handlung als Ganzes viel zu langatmig. Der große Twist am Ende war schon überraschend, aber leider auch ein wenig unglaubwürdig. 

Ein Buch, an dem ich gefühlt ewig gelesen habe. Es wundert mich nicht, dass es nicht ins Deutsche übersetzt wurde, zumindest wüsste ich nichts davon. Blieb leider hinter den Erwartungen zurück, obwohl ich das Cover immer noch sehr feiere.


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