Enigmatisch-packender Schauerroman
"I blame Charles Dickens for the death of my father." So lautet der kuriose erste Satz dieses historischen Romans von 2013, der in der Tradition des englischen Schauerromans steht. Er greift Motive der "Gothic novel" von Charlotte Brontës "Jane Eyre" bis hin zu Daphne du Mauriers "Rebecca" auf und generiert doch gleichzeitig einen ganz eigenen individuellen Zugang zum Genre. Auch Elemente des Horrors, des Kriminalromans und des Psychothrillers werden in "This House is Haunted" verarbeitet.
London 1867: Die 21-jährige Eliza Caine verliert nach einer Lesung von Charles Dickens ihren geliebten Vater und einzigen engeren Verwandten (die Mutter starb bei der Geburt ihrer jüngeren Schwester). Während ihr Vater als Entomologe am Britischen Museum beschäftigt war, ist Eliza Lehrerin an einer Schule für Mädchen, wo sie die 5-6-jährigen unterrichtet. Aufgewühlt vom plötzlichen Verlust ihres Vaters, sieht die junge Frau eine Anzeige für eine Stelle als Gouvernante in Norfolk. Begierig ihrer Einsamkeit in London zu entfliehen, kündigt sie ihre Stelle als Lehrerin und macht sich auf den Weg in die ihr unbekannte Grafschaft. Nachdem bereits die Reise mit unheimlichen Zwischenfällen einherging, erlebt Eliza bei ihrer Ankunft auf “Gaudlin Hall” schier Unglaubliches: Die beiden Kinder Isabella und Eustache empfangen sie, von Erwachsenen fehlt jede Spur. Und das ist nur der Anfang von einer Kette von unerklärlichen Ereignissen, die die Protagonistin auf eine harte Probe stellen.
"Gaudlin Hall" ist ein typisches englisches Herrenhaus, das schon bessere Tage gesehen hat und damit prädestiniert als Schauplatz für eine "Gothic novel". Aber nicht nur das abgewirtschaftete Herrenhaus selbst erzeugt eine gruselige Atmosphäre. Auch die Bewohner oder vielmehr ihre Abwesenheit, lassen beim Leser viel Raum für Schauder und Spekulationen über die wahre Natur ihres Verschwindens. Zahlreiche Nebenfiguren spinnen ein Netz aus Gerüchten und Geschichten, aus dem Eliza sich einen Weg zur Wahrheit bahnen muss. Sie ist eine starke Protagonistin, die niemals an ihrem eigenen Verstand zweifelt. Bodenständig, mutig und sympathisch versucht sie die Abgründe von “Gaudlin Hall” auf eigene Faust zu ergründen.
Was mir besonders gefallen hat: Der Roman strotzt nur so vor Intertextualität. Neben Charles Dickens (wir erinnern uns an den ersten Satz), der mit seinen Texten und auch als extrem erfolgreicher Autor der viktorianischen Zeit, in der der Roman spielt, quasi leitmotivisch erwähnt wird, werden noch viele andere AutorInnen bzw. Ihre Werke genannt. Neben Shakespeare, den Eliza gerne zur Sprache bringt, wird u.a. die Lektüre von Jane Austen (“Pride & Prejudice”) sowie George Eliot bzw. Mary Ann Evans (“Silas Marner”), die zur Handlungszeit des Romans noch lebte, erwähnt.
Als Schauerroman und “moderne” Gothic novel kann ich diesen Roman, bei dem dem Leser niemals langweilig wird, unbedingt empfehlen.
Der Roman ist auf Deutsch beim PIPER Verlag als "Haus der Geister" erschienen.
Nähere Infos zum Buch (Klick auf die Cover):
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