"Mansfield Park" ist tatsächlich der einzige Roman von Jane Austen, den ich bisher noch nicht gelesen hatte. Es hieß immer, dieser Roman wäre nicht ganz so gut wie die anderen und hätte aufgrund des Umfangs doch einige Längen. Auch wäre die Heldin, Fanny Price, nicht mit den anderen selbstbewusst-schlagfertigen Protagonistinnen von Austens beliebtesten Romanen zu vergleichen. Ich muss den KritikerInnen zum Teil leider recht geben: Es passiert relativ wenig und es wird mehr erzählt als gezeigt. Die Protagonistin Fanny Price wird im Alter von 10 Jahren von ihrer in bescheidenen Verhältnissen lebenden, kinderreichen Familie zur Familie ihrer Tante geschickt. Die Bertrams sind adelig (Sir Thomas ist baronet), haben vier Kinder und wohnen im titelgebenden Herrenhaus Mansfield Park. Neun Jahre verbringt Fanny bei den Bertrams. Gegen Ende dieser Zeit ist sie 18 und bekommt einen Antrag vom charismatischen Henry Crawford, einem Freund der Familie. Sie lehnt ab, denn sie ist in ihren Cousin Edmund verliebt, doch dieser interessiert sich für Crawfords Schwester Mary…
Der ganze Roman könnte gut und gerne um die Hälfte kürzer sein. Die Geschichte dreht sich häufig um sich selbst und die immer wieder gleichen Themen. Der für Austen typische Witz und das Augenzwinkern, die klugen Sentenzen und Aphorismen, sind für meine Begriffe kaum vorhanden. Das Personal des Romans konnte mich auch nur bedingt überzeugen. Edmund, in den sich Fanny verliebt, ist ein wirklich sympathischer Typ, das kommt auch so rüber. Aber wenn man sich dann denkt, wie nah Cousin und Cousine ersten Grades letztlich doch verwandt sind, dann hat das schon irgendwie einen komischen Beigeschmack, zumindest aus heutiger Perspektive. Crawford ist oberflächlich und schmierig, aber auch charismatisch. Mary mochte ich gar nicht, sie biedert sich bei Fanny total an, nur damit sie sich für Henry entscheidet.
Und Fanny selbst? Die ist ein typischer junger Mensch, der in einem für die Persönlichkeitsentwicklung entscheidenden Alter aus finanziellen Gründen von der eigenen Familie zu einer verwandten Familie geschickt wird. Also Traumata, etc., sind da natürlich vorprogrammiert. Zumal es auf Mansfield ja auch nicht optimal für sie läuft. Eigentlich ist "Mansfield Park" der erste (mir bekannte) "Young Adult"-Roman mit einer Frau/einem Mädchen als Protagonistin. Und das ist dann auch der Punkt, der mich letztlich überzeugt hat. Fanny kann gar nicht wie eine Elizabeth Bennett sein, denn sie hat nie den familiären Rückhalt während der Pubertät gehabt. Sie ist einfach unentschlossen, verwirrt, grantig und verliebt, so wie Teenager das eben sind - und das ist auch gut so. Also wenn man "Mansfield Park" als ersten "Young Adult"-Roman liest, dann ist das alles stimmig. Der Witz hat mir dennoch ein wenig gefehlt. Ich habe im Original gelesen, aber manchmal auch in die wunderschöne Ausgabe von Coppenrath-Verlag geschaut, die war 2021 in der Schmökerbox.
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