Dienstag, 2. April 2024

"Ein schönes Ausländerkind" von Toxische Pommes

Wer “Toxische Pommes” (im Folgenden von mir “Pommes” genannt, weil sie ihr Buch auch so signiert hat) von ihren Internetvideos her kennt, weiß, dass es kaum eine*n Content Creator*in gibt, die beißende Gesellschaftskritik so humorvoll/ironisch/satirisch verpacken kann wie sie. Und auch beim Romandebüt der mit Vornamen eigentlich Irina heißenden Wiener Juristin dürfte so mancher/m Leser:in oft das Lachen im Hals stecken bleiben.

Pommes beschreibt in ihrem Roman mit dem provokanten Titel “Ein schönes Ausländerkind” (dessen Cover mit der Fotografie eines ausgestopften Babylammes, was laut Nachwort ziemlich schwer zu finden war, nicht weniger provokativ anmutet) die Geschichte ihres eigenen Aufwachsens in autofiktionaler Form, sprich: Es handelt sich um einen Roman mit einer namenlosen Ich-Erzählerin, der sich stark an der Biographie seiner Autorin orientiert, ohne eine 1:1-realistische Abbildung derselben zu sein.

Die Ich-Erzählerin beschreibt, wie sie mit ihren Eltern, die serbischer (Vater) bzw. montenegrinischer (Mutter) Abstammung sind, ihre Heimat Kroatien als kleines Kind während der Balkankriege der 1990er Jahre verlassen hat, um in Österreich sesshaft zu werden.

Der Roman erzählt von der Fallhöhe, die die Immigration in ein anderes Land mit sich bringt: Die Mutter, die eigentlich studierte Pharmazeutin ist, muss in Österreich als Putzkraft/Nanny bzw. “Mädchen für alles” bei der Familie arbeiten, bei der sie kostenlos im ehemaligen Haus der Großmutter wohnen können. Der Vater, eigentlich Schiffsbauingenier, bekommt in Österreich keine Arbeitsgenehmigung und ist zu einem Dasein als unfreiwilliger Hausmann verdammt. Dies macht etwas mit seiner Psyche, er kümmert sich zwar liebevoll um seine Tochter, zieht sich aber immer mehr in sich selbst zurück.

Und da sind natürlich die vielen Vorurteile, die Menschen anderer Herkunft oft entgegengebracht werden. Pommes beleuchtet sozusagen die Fallstricke der Integration. Als Immigrat:in muss man häufig um so viel besser sein als die besten “Einheimischen”, um mithalten zu können. Das bekommt auch die Ich-Erzählerin zu spüren, als sie, obwohl sie Klassenbeste in ihrer Grundschulklasse war, vom Lehrer nur eine Empfehlung für die Hauptschule bekommt. Und als sie später dank des Einsatzes ihrer Mutter doch auf dem Gymnasium landet, gibt ihre Deutschlehrerin ihr trotz Bestleistungen keine Einser, weil sie Vorurteile hat und scheinbar zwischen “guten” und “schlechten” Ausländerkindern unterscheidet.

In diesem Roman geht es aber nicht nur um Fragen der Migration und Identitätsfindung in der neuen Heimat, sondern es wird uns auch eine ganz besondere Vater-Tochter-Beziehung erzählt. Während die Mutter nur mehr oder weniger als Statistin der dreiköpfigen Kleinfamilie fungiert und als Ernährerin eher mit Abwesenheit glänzen muss, ist der Vater rund um die Uhr für das Wohl und Wehe der heranwachsenden Tochter zuständig. Daraus entwickelt sich ein intensives Band zwischen den beiden. Es ist wirklich ganz rührend beschrieben, wie der Vater unfreiwillig immer kleiner und “unsichtbarer” und die Tochter immer “größer”, selbständiger und klüger wird. Aufgrund dessen driften die beiden wieder etwas auseinander, auch wenn die tiefe Beziehung trotz allem bestehen bleibt. Selten habe ich eine so anrührende Vater-Tochter-Beziehung gelesen.

Durch die vielen kurzen Kapitel, die jeweils ein bestimmtes Thema behandeln, ist der Roman ziemlich kurzweilig. Man kann also auch mal schnell auf dem Klo ein Kapitel lesen, wenn man das möchte, ohne von seinen Mitmenschen für eine/n Dauersitzer:in gehalten zu werden. Auch möchte uns die Autorin scheinbar die in den Balkanländern gesprochenen Sprachen (Im Roman “B/K/M/S” genannt) näherbringen, denn es gibt viele Dialogpassagen, vor allem zwischen der Ich-Erzählerin und ihrem Vater, die auf Kroatisch (?) geschrieben und dann in Klammern auf Deutsch übersetzt wurden. Das finde ich ziemlich gut, trägt es doch zur Authentizität des Ganzen auf bezaubernde Weise bei.

Ich kann nur sagen: Lest diesen Roman unbedingt. Er ist kurzweilig, authentisch, humorvoll, herzerwärmend und klug. Ich kann mir gut vorstellen, dass es eine Fortsetzung gibt, denn leider war er auch viel zu schnell zu Ende.

Triggerwarnungen: Fremdenfeindlichkeit, Tierquälerei, Krankheit (Krebs)


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