Weihnachts-Cosy-Krimi mit München Flair
Wer zu Weihnachten einen cosy Krimi sucht, der weich und kuschelig wie Schafwolle anmutet, perfekt für alle ist, die kein Fleisch essen und/oder sich für Tierrechte einsetzen und München als Schauplatz lieben, der ist mit “Die wunderbaren Schafe der Amelie und der Tote im Englischen Garten” an der exakt richtigen Stelle. Erst als ich das hier schreibe, geht mir ein Licht auf, an welchen französischen Feelgood-Film der doch recht lange Titel angelehnt ist. Ich habe scheinbar eine ebenso lange Leitung, aber das nur am Rande.
Es gibt wohl kaum eine größere Kluft als die zwischen vegan lebenden und Fleisch konsumierenden Menschen. Amelie, die Protagonistin des Romans, steht sozusagen zwischen den Welten: als Vegetarierin konsumiert sie Tierprodukte und verkauft in ihrem “Laden für Galanteriewaren” neben selbstgemalten Schaf-Bildern sogar die Wolle, die ihre kleine Mini-Schafherde ihr liefert. Aber Fleisch isst sie keines, schon seit sie ein Kind ist. Befreundet ist sie sowohl mit dem Wurstbrater Sepp, der eigentlich keiner sein möchte, als auch mit der Veganerin Fiona.
Als Amelies Herde als Kulisse für den veganen Weihnachtsmarkt im Englischen Garten dient und sie dort im Schäferwagen übernachtet, findet sie Sepp eines Nachts tot in einer Feuerschale vor. Zum Glück kennt sie den netten Polizisten Konrad, der ihr sofort zur Seite steht. Und natürlich hat sie ihre Schafe. Sind sie so intelligent wie die Professorin der Tiermedizin meint und können sogar einen Mörder überführen?
Ja, dieser Krimi ist so “cosy” heimelig, dass man oftmals mehr als ein Auge zudrücken muss, was den “Realitätsabgleich” anbelangt. Es wird gesagt, dass Amelie wenig verdient und das florierende Weihnachtsgeschäft braucht, um über die Runden zu kommen. Wie kann sie sich dann die Miete für den Laden in der Münchner Innenstadt (!) leisten? Außerdem für ihre Wohnung am Kolumbusplatz und für die Unterbringung der Schafe in Daglfing? Und zusätzlich einen Schäferwagen? Keine Ahnung was Dinger kosten, aber sie ist Künstlerin und Wollverkäuferin und verdient sich unregelmäßig ein bisschen was dazu, wenn die Schafe als Streicheltiere/Attraktion gebucht werden. Aber ein stabiles Einkommen ist was anderes…
Auch die Personenbeschreibungen sind für meinen Geschmack unzureichend - was mir vor allem bei Konrad negativ aufgefallen ist. Die Hintergründe des Kennenlernens und der Status Quo die genaue Art des Verhältnisses (Freundschaft, Liebesbeziehung, etc.) zwischen ihm und Amelie bleiben lange im Dunkeln. Am Anfang ist zum Beispiel überhaupt nicht klar, ob die beiden etwas “miteinander haben”. Sein Alter wird nicht angegeben, er könnte auch ein kurz vor der Pensionierung stehender Polizist sein, der gar nicht auf Frauen steht. Nach und nach wird dann langsam klar, dass sie Interesse am jeweils anderen haben.
Ganz anders hingegen verhält es sich mit der erzählten Atmosphäre, die ist absolut stimmig und gut beschrieben. In Gedanken bin ich die Schauplätze abgegangen und habe oft genickt, weil ich Dinge wiedererkannt habe. Gefallen hat mir außerdem der fast schon philosophische Tiefgang, den ich bei einem solchen Krimi nicht erwartet habe. Es wird an vielen Stellen über Fragen des Lebens einerseits und der Moral andererseits philosophiert: “Darf man Tiere töten?” ist nur eine davon, aber sie steht sicherlich im Mittelpunkt der Handlung. Auch die Forschungsreihe darüber, ob Schafe Menschen auf Fotos erkennen, ist wohl einer realen englischen Studie entnommen. Als Autorin von “Rauhnachtsbüchern” kennt sich Christine Rechl auch mit der Weihnachtszeit aus und die Cover-Illustration stammen ebenfalls von der Autorin selbst.
“Die wunderbaren Schafe der Amelie” ist ein überraschend tiefsinniger Krimi über Tierrechte, Fleischersatzprodukte, Weihnachtsmarktumsätze und die Konsumroutinen der Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft. Die Spannung steht hier definitiv nicht im Vordergrund und wer solche “gutmütigen” Krimis mag, sollte hier zugreifen.
Herzlichen Dank an Gmeiner Verlag für das Rezensionsexemplar!

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.