Donnerstag, 21. November 2019

"Der zehnte Gast" von Shari Lapena

(Cover: Lübbe)

Mehrere Leute sind zusammen in einem abgelegenen Hotel eingeschlossen - und dann passiert ein Mord. Das ist ein Szenario, das alle Liebhaber von klassischen Whodunit-Krimis - zu denen ich mich zähle - kennen dürften. Hier ist das Setting ein typisches Hotel auf dem Land im Staate New York, wo sich gestresste Großstadtpärchen für gewöhnlich ein romantisches Wochenende gönnen. Mit der Idylle ist es schnell vorbei, als ein Schneesturm aufzieht. Natürlich gibt es weder WLAN noch Handyempfang, der Festnetzanschluss ist durch den Schneesturm tot und es wäre zu gefährlich, sich zu weit vom Hotel zu entfernen. Und dann ist plötzlich jemand tot und jemand anderes ein potenzieller Mörder. Ein "Locked-Room-Mystery" also.

Das Personal erscheint mir ein wenig am Reißbrett entworfen zu sein. Es gibt die alleinreisende Schriftstellerin, den erfolgreichen Strafverteidiger, die Kriegsberichterstatterin mit den seelischen Wunden und ihre geheimnisvolle Freundin, den reichen Neuengland-Erben mit der bildhübschen Verlobten, das mittelalte Paar in der Ehekrise und ein scheinbar ganz "normales" frisch verliebtes Pärchen, über das wir zunächst wenig erfahren. Komplettiert wird das Ganze vom Besitzer des Hotels und dessen Sohn mit der Drogenvergangenheit.

Lapena ist keine Wortakrobatin. Sie erzählt ergebnisorientiert und nur so viel, als es für die Handlung relevant ist. Die Landschafts- und Umgebungsbeschreibungen sind nur im Einsatz, um zu illustrieren, wie schlimm die Wetterverhältnisse sind und wie abgelegen das Hotel. Die düstere und altmodische Atmosphäre im Hotel wird mehrfach eindrücklich beschrieben. Dennoch kommt das alles ein wenig hölzern und "gewollt" rüber, so dass man unweigerlich an eine Theaterkulisse denken muss - oder an ein Krimidinner oder ein Exit-Room-Spiel, wo einen der Spielleiter ständig darauf hinweist, dass hier etwas seeehr verdächtig ist. So kommen auch alle im Hotel Eingeschlossenen perspektivisch zu Wort. Jeder verdächtigt jeden und der Leser muss sich durch den Dschungel von gegenseitigen Verdächtigungen winden.

Je weiter die Erzählung fortschreitet, desto weniger genau wird die Handlung beleuchtet. Während um den ersten Mord noch einiges Aufhebens gemacht wird, passieren die anderen immer mehr nebenbei. Irgendwann wurden es mir auch zu viele Leichen. Klar, oft wird auch ein Verdächtiger mit einem "Aha-Effekt" ausgeschaltet, aber ich fand das dann nicht mehr reizvoll, sondern einfach nur noch too much.

Die Auflösung war leider auch kein Wow-Effekt und die unglaubwürdige Geschichte, die dahintersteckt, auch nicht. Die Story ist zu einfach gestrickt, es fehlt einfach an Raffinesse. Durch die flachen Charaktere hat der Leser keine Ansatzpunkte für Empathie.

Fazit: Das Buch ist weder sprachlich-erzähltechnisch, noch auf den Plot bezogen eine Sensation. Die Charaktere sind zu oberflächlich, als dass man richtig mitfühlen könnte. Dennoch denke ich dass sich mancher weniger anspruchsvolle Krimiliebhaber für das Buch erwärmen könnte - als schnelle, wenig anspruchsvolle Lektüre zwischendurch.


Herzlichen Dank an Bastei Lübbe und netgalley für das Rezensionsexemplar!
Nähere Infos zum Buch: Link

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