Donnerstag, 13. Juni 2024

"Königsherz" von Markus Richter


Manchmal stiehlt die (historische) Realität der Fiktion einfach die Show. Man stelle sich vor: Ein exzentrischer, unangepasster, schöngeistiger König, der lieber Opern für sich alleine aufführen lässt, als sich um die Belange des Volkes zu kümmern. Der lieber kostspielige Märchenschlösser bauen lässt, als die Staatskasse gut gefüllt zu wissen. Der lieber nicht seine Cousine aus Gründen der Staatsraison heiratet und einen Erben zeugt, sondern sich mit kernigen Männern niederen Standes umgibt, weil er homosexuell ist, sich aber deswegen schämt. Der lieber ausschweifende Feste auf seinen abgelegenen Bergresidenzen feiert, als Politik zu machen. Der lieber mitten in der Nacht dekadente Menüs vom “Tischleindeckdich” diniert, als seinen Repräsentationspflichten in der Residenzstadt nachzukommen. Und dann stelle man sich vor, dass er abgesetzt und entmündigt wird, von einem alternden Prinzen-Onkel, denn einen Sohn hat der königliche Junggeselle nicht und sein jüngerer Bruder ist aufgrund seiner schlechten geistigen Verfassung nicht in der Lage, Regent zu sein. Er wird also abgesetzt und im Rahmen dieser Absetzung kommt er unter unerklärlichen Umständen im Starnberger See ums Leben. Sein geistig umnachteter Bruder, der gerne Erdbeeren im Garten des Schlosses sucht, in dem er eingesperrt ist und Vögel beobachtet, wird zwar König, aber er weiß nichts davon. Die Amtsgeschäfte führt für viele Jahre sein alter Onkel, der Prinzregent. 

Ja, die Geschichte von König Ludwig II. von Bayern (25.8.1845-13.6.1886) klingt in der Tat, als hätte sie sich jemand ausgedacht, der mit viel Fantasie und Vorstellungsvermögen gesegnet ist. Aber es kommt noch besser. Ca. 130 Jahre nach diesen Ereignissen gibt es einen Autor, Markus Richter, der 20 Jahre lang auf dem Märchenschloss des Königs - Neuschwanstein - als Kastellan angestellt war. Nach Beendigung seiner Tätigkeit 2013 schreibt er zwei historische Thriller, die in Bezug zum Schloss stehen. Nach Beendigung des zweiten Teils tauchen in der Apotheke von Füssen bislang unbekannte Dokumente des damaligen Stadtapothekers auf, der die Ereignisse um die Absetzung Ludwigs hautnah miterlebte. Markus Richter wertet die Dokumente aus und verwendet sie letzten Endes für den dritten Teil seiner Neuschwanstein-Trilogie. Während der Fertigstellung ereignen sich mysteriöse Dinge im Umfeld des Autors, die er in einem Nachwort beschreibt und die mir eine ziemliche Gänsehaut beschert haben.

Wie von den anderen beiden Teilen bin ich auch von “Königsherz” restlos überzeugt. Die fiktionale Thriller-Handlung rund um Lenz Baumgartner, seine Frau, Kammerzofe Klara, und den Geheimpolizisten Heiland (in den ich ein bisschen verknallt bin) fügen sich nahtlos und spannend in das historische Geschehen rund um Ludwig II. und seine Absetzung ein. Hier trifft geballtes Faktenwissen eines absoluten Kenners der Materie auf unterhaltsame Fabulierkunst. Chapeau Markus Richter, ich hoffe, Sie schreiben “an anderer Stelle” weiter.



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