Freitag, 10. Januar 2025

"Not your Darling" von Katherine Blake


Orgien im prüden Amerika der 1950er Jahre? Ja, laut Katherine Blake und ihrem Buch “Not your Darling” (übersetzt von Astrid Finke) gab es sie zu Hauf - zumindest in Hollywood, in den nur von außen weißen Villen der skrupellosen Filmemacher und glamourösen - männlichen - Stars. Eine Frau, die hier ihr blaues Wunder erlebt und doch ihren Weg relativ unbeirrt fortschreitet, ist die 21-jährige Protagonistin Loretta Darling. Ein Künstlername, denn eigentlich heißt sie Margaret und stammt aus einem englischen Küstenstädtchen, wo sie in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Sie möchte im Sündenpfuhl Hollywood groß rauskommen - als Visagistin der Stars. Außerdem ist es ihr Wunsch, Make-up im großen Stil verkaufen - die Kunst des Schminkemachens lernte sie von ihrer Mutter. Ein ehrenvoller Plan, wenn da nicht die Männer wären, die ihren Weg kreuzen. Wird Loretta ihr Ziel trotz in den Weg gelegter Steine erreichen?

In guter Literatur sind die Charaktere so gezeichnet, dass wir uns mit ihnen identifizieren können und das Gefühl haben, sie wären wirklich “echt”. Bei Loretta hatte ich dieses Gefühl der Authentizität ihrer Persönlichkeit leider an keiner Stelle. Sie wirkt wie eine belebte Barbie, die eine pseudo-feministische Geschichte vorspielt, aber keinerlei Tiefe besitzt. Auch die anderen Charaktere sind nicht sehr differenziert und meist entweder “gut” oder “böse”. Blake zeichnet ein sehr eindimensionales, toxisches Bild vom Hollywood der frühen 1950er Jahre. Praktisch jeder ist machtgeil, dauerhorny und skrupellos - nur wenn man in der Vergangenheit Traumata und schwere Verluste erlebt hat, kann man, wie Scott Elliott (Lorettas “Love Interest”) ein halbwegs "normaler" Mensch bleiben in der Traumfabrik. Auch für Loretta wurde eine melodramatische Background-Story erdacht, die ihren Charakter quasi tiefenpsychologisch unterfüttern soll. Jo, überzeugt mich hier leider nicht und wirkt wie ein sehr durchschaubarer "Kunstgriff" in die Trickkiste literarischer Klischees. 

Was mich immer tierisch stört - wir haben in der Handlung keinerlei Marker für das tatsächliche Vergehen der Zeit. Wir wissen zwar, dass Loretta am Tag ihres 21sten Geburtstages heiratet, aber die Autorin lässt uns über das Datum im Unklaren, wir kennen noch nicht einmal die Jahreszeit. Gut, in Los Angeles gibt es nicht wirklich Jahreszeiten, aber auch als die Handlung nach New York wechselt, wird nichts darüber verraten. Warum haben nicht mal die Briefe, die Loretta an ihre Schwester Enid schreibt, eine Zeitangabe. Loretta sagt an einer Stelle, dass ihr die englischen Jahreszeiten fehlen würden, weil wieder ein sonniger Tag sei. Es ist mir schleierhaft, wie man ohne die Nennung auch nur eines Monatsnamens ein komplettes Buch von fast 400 Seiten schreiben kann. Schließlich gibt es auch Feiertage wie Unabhängigkeitstag, Thanksgiving, Weihnachten, die in den USA eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Alles wird nur sehr vage verortet. Zum Beispiel heißt es “es war ein Sonntag” als sie ihren Ex-Mann Raphael wiedertrifft. Er möchte nicht, dass sie auf das Ereignis an ihrem 21. Geburtstag zu sprechen kommt, das zur Trennung der beiden führte: “Wie du sagst, es ist ja lange her.” Ich will als Leserin wissen, wie lange das her ist. Vor ein paar Kapiteln hat Loretta da noch gesagt, dass sie immer noch 21 ist. Ein bisschen “Worldbuilding” erwarte ich auch von Nicht-Fantasy-Romanen. Nämlich dass sie unsere Welt - auch in historischer Form - plastisch abbilden und nicht in einem luftleeren Raum verharren, in dem sich Lesende nicht orientieren können. Das alles erinnert mich an Seifenopern im TV, die ebenfalls an jeder Stelle schreien: wir sind gescriptet und haben absolut nichts mit dem echten Leben zu tun.

Was die Plotentwicklung und Spannungskurve angeht, so ist der meiner Meinung nach interessante Teil nach nur einem Drittel des Romans bereits vorbei. Ab diesem Höhepunkt ist die Handlung kein tosender Sturm mehr, sondern nur noch ein laues Lüftchen. Oder, um im Vokabular von Lorettas Metier zu sprechen: Das Gesicht des Buches legt sein glamouröses Oscar-Make-up ab, um einen alltagstauglichen und unspektakulären Nude-Look aufzutragen. Gegen Ende passiert dann noch einmal etwas, aber das kann die unnötig aufgeblähte Story auch nicht mehr retten.

Obwohl mich der Anfang des Romans bis zum (ersten) Höhepunkt ganz gut unterhalten hat, habe ich mir wesentlich mehr von dem Buch versprochen. Die gestalterische Aufmachung ist wirklich sehr schön, der Inhalt eher mau. Wie bei einer Person, die durch ein glamouröses Make-Up ein “Durchschnittsgesicht” zu verbergen sucht. Schade.

Herzlichen Dank an Droemer Knaur für das Rezensionsexemplar und die Beigaben.


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