Von schleimigen Franzosen und filmreifen Szenen
Ich liebe ja Burgen und Mittelalter und den ganzen Kram und queere Geschichten sowieso. Also musste ich “Heirate nicht - ne te marie pas!” von Sabine Brandl einfach lesen. Es geht darin nämlich um die lesbische Mittdreißigerin Nora, die in einer Coverband singt, seit ihrer letzten Beziehung in München wohnt, aber aus dem Fränkischen stammt. Obwohl sie sich beruflich mit Schlagern befasst, ist sie eher “gothic” drauf, also zumindest was ihre schwarze Alltagskluft und ihre private Vorliebe für “dark punk”-Musik betrifft. Ja und diese Person ist jetzt auf einer - ursprünglich - mittelalterlichen Burg, die zu einem Hotel umgebaut wurde. Warum eigentlich?
Noras liebliche Schwester Sophie soll hier - an einem Frühlingstag im Jahre 2023 - den attraktiven, aber schmierigen Franzosen Vic heiraten, den sie gerade mal vier Monate kennt. Nora ist alles andere als begeistert davon, zumal sie zu ihrer Familie keinen guten Kontakt hat, bis auf ihre 88-jährige Oma Evelyn. Die wiederum hat es eingefädelt, dass die Hochzeit auf genau dieser Burg stattfindet - denn hier hat sie vor etwa siebzig Jahren ihre große Liebe Marie, die kurz danach verstarb, zum letzten Mal gesehen. Wurde sie umgebracht? Von ihrem Mann Richard? Ist das der Grund, warum sie hier noch rumspukt und Sophie und Vics Hochzeit sabotieren will? Und auch die sich anbahnende Romanze von Nora und der hübschen rothaarigen Barfrau Lucy?
Also das Buch ist einfach ein Vergnügen, weil es eben nichts anders sein will, als sehr gute Unterhaltungsliteratur. Allein, wie fies und böse Vic mit seinem französischen, ins Deutsche eingemischten “Sprech” ist, ist schon wirklich sehr unterhaltsam - “N’est-ce pas, Norah?” Manche Charaktere werden einfach nur erfunden, damit man sie unverhohlen hassen kann - Vic ist einer davon. Herrlich! Manchmal fühlte ich mich - ganz positiv - an einen Rosamunde-Pilcher-Film erinnert, wo die fiesen Heiratsschwindler ja auch immer sehr “obvious evil” zu denen sind, die sie durchschauen und schleimig-charamant zu den Schwiegermüttern und Damen ihres Herz- äh, Geldbeutels.
Überhaupt hat das ganze wirklich TV-Film-Potenzial. Ich konnte mir die Szenen alle super bildlich vorstellen und da der realtiv kurze Roman (188 Seiten) auch hauptsächlich auf der Burg (und kurz mal im Krankenhaus) spielt, wären das die idealen Voraussetzungen für ein Drehbuch bzw. eine TV-Adaption.
Was ich am Gruselaspekt super fand: dass der Geist selbst in einem Kapitel zu Wort kommt und quasi seine bzw. ihre Perspektive darlegen kann. Überhaupt sehr interessant, dass der Spuk nicht rational “erklärt” wird, sondern tatsächlich auf der realen Ebene einfach so existiert, ohne groß in Frage gestellt zu werden.
Fun fact: Es ist glaube ich wirklich das erste Mal, dass ich ein Buch lese, in dem die Hauptfigur regelmäßig E-Zigaretten raucht. Ich musste mich erst an die Terminologie wie “sie dampfte” gewöhnen, aber dieser Ausdruck gehört wohl jetzt zu unserer gegenwärtigen Lebensrealität und hält damit auch Einzug in die Literatur.
Alles in allem ein toller Unterhaltungsroman mit süßer lesbischer Liebesgeschichte in Vergangenheit und Gegenwart, mit ein bisschen Grusel und einem großen Plot Twist, den ich so nicht erwartet hätte.
