Samstag, 13. Juni 2020

"Das Buch der gelöschten Wörter. Der erste Federstrich" von Mary E. Garner



Wohlfühl-Fantasy für Literaturliebhaber

Lange habe ich keine Fantasy gelesen. Mich hat einfach kaum etwas aus diesem Genre angesprochen in letzter Zeit. Das Buch von Mary E. Garner hat mich aus meiner Fantasy-Leseflaute aber definitiv herausgeholt!

Zugegeben, die Fantasy-Idee, via Portale in die Klassiker der Weltliteratur einzudringen, ist keine neue. Wer zum Beispiel die “Thursday-Next-Romane von Jasper Fforde gelesen hat, weiß wovon ich rede. Nun hat sich auch die deutsche Autorin Mirjam Müntefering unter dem Pseudonym Mary E. Garner an diese Storyline herangewagt und eine Fantasy-Triologie vorgelegt, deren erster Band "Das Buch der gelöschten Wörter - Der erste Federstrich" ist.

Für alle LiebhaberInnen ist es eine mehr als verlockende Vorstellung, in die fiktive Welt eines Buches einzudringen und die berühmten Protagonisten und Figuren dieser Werke persönlich kennenzulernen. Wer möchte nicht mal ein Pläuschchen mit Hamlet über den Sinn des Lebens halten oder den “echten” Mr. Darcy aus “Stolz und Vorurteil” kennenlernen? Auch der Protagonistin aus Mary E. Garners Trilogie, Hope Turner, haben es die Romane von Jane Austen und besonders der letztgenannte angetan. Dass sie aber tatsächlich einmal durch die Gärten und Räume des berühmten Herrenhauses wandeln wird, hätte sich die 42-jährige Angestellte einer Londoner Online-Dating-Agentur in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können... Mehr möchte ich über die Handlung gar nicht verraten - sie ist hochkomplex und das Fantasy-Gerüst, dass sich Mary E. Garner ausgedacht hat, steckt voller Metafiktion und literarischer Anspielungen. Es regt dazu an, sich die genannten Klassiker selbst einmal wieder zu Gemüte zu führen - oder sie sogar zum ersten Mal zur Hand zu nehmen. Allein aufgrund der Belesenheit und des Einfallsreichtums der Autorin, habe ich dieses Buch sehr genossen. Der augenzwinkernde Humor, den die Autorin bei der Vorstellung der literarischen Figuren an den Tag legt, ist einfach toll. Auch wenn die Handlung im ersten Band nur langsam Fahrt aufnimmt, ist es ein großes Vergnügen, zusammen mit Hope Turner die Buchwelt und ihre Möglichkeiten zu erforschen. Die Figuren werden eingeführt und am Ende wird die Welt, die sich der Leser langsam erschlossen hat, wieder aus den Fugen geworfen. Dieser Cliffhanger ist so aufregend, dass ich sehr froh bin, dass der zweite Band schon fertig geschrieben wurde und bereits Ende Juni erscheint. Sonst wäre es wirklich eine lange “Lesefolter”, die man da durchstehen müsste.

Ein paar Fehler sind durchs Lektorat gerutscht: So werden die Figuren aus Theaterstücken im Buch regelmäßig "Dramafiguren" genannt, obwohl der korrekte Plural "Dramenfiguren" lautet. Auch die "Tweethosen" (erstmals S. 227) sind mir negativ aufgefallen, es sei denn sie rühren nicht von einem Stoff namens "Tweed" her, sondern von einem Internet-Kurznachrichtendienst. Aber: wir alle machen Fehler, von daher: für die nächste Auflage sollte man vielleicht etwas genauer hinschauen.

Alles in allem ist dieser erste Teil der Fantasy-Trilogie von Mary E. Garner ein großes Lesevergnügen für alle, die gerne in literarische Welten eintauchen und die Weltliteratur und ihre Figuren und Settings auch mal aus einem anderen Blickwinkel heraus betrachten möchten.

Nähere Infos zum Buch: hier

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