Dienstag, 16. Juni 2020

"Die Oxford-Morde" von Guillermo Martínez



Enigmatisch, empirisch, elitär



Da ich Universitätsromane sehr mag und auch klassische Krimis, hat "Die Oxford-Morde" mein Interesse geweckt. Der Kriminalroman erschien im Original bereits im Jahr 2003 und 2006 auch als Übersetzung im Eichborn-Verlag unter dem Titel "Die Pythagoras-Morde". 2008 wurde er als "Die Oxford-Morde" für Hollywood verfilmt. Er stammt von Guillermo Martínez, einem argentinischen Mathematiker, der in Oxford studierte und ist damit zum Teil autobiographischen Einflüssen geschuldet. Im Roman geht es eben auch um einen jungen argentinischen Mathematikstudenten (der namenlose Ich-Erzähler), der für einige Zeit nach Oxford geht. Die Handlung und die Morde, die passieren, sind rein fiktiv.

Der Roman ist ein typischer Vertreter des Genres Universitätsroman, engl. "campus novel", denn er spielt in der bekanntesten Universitätsstadt der Welt: Oxford. Es geht um Wissenschaft - hier ist es hauptsächlich die Mathematik - und die beiden Hauptfiguren sind dementsprechend ein Professor und ein Doktorand, wir bekommen aber auch Einblicke ins nicht-akademische Milieu der Stadt. Der echte ermittelnde Polizist Petersen ist eher eine Nebenfigur, der die Denkweise von Oxfords geistiger Elite eher kurios anmutet. Seldom und der Doktorand sind sozusagen wissenschaftliche Berater der Polizei.

Die renommierte englische "Times" schrieb zum Erscheinen des Originals, dass der Krimi selbst für Leser "mit wenig Sinn für Mathematik ein Hochgenuss" sei. Ich persönlich kann jedenfalls nicht behaupten, dass ich alle wissenschaftlichen Gedankengänge der Protagonisten nachvollziehen konnte bzw. mit brennendem Interesse verfolgt habe. Theoreme und Axiome sowie abstrakte Probleme der Logik sind gedanklich einfach nicht meine Welt. Es gibt einige Stellen, an denen über solche mathematischen Gedankenspiele philosophiert wird. Oftmals liest sich der Krimi deshalb wie Auszüge aus einer eklektizistischen Überblicksvorlesung über mathematische Hypothesen. Auf ca. 200 Seiten werden viele Themen angeschnitten, aber nur eine geistige Bewegung wird etwas näher beleuchtet und die führt dann auch zum Schlüssel des Verbrechens.

Die Handlung - es passieren im Umfeld Arthur Seldoms Morde, die mit kryptischen Symbolen versehen sind - erinnert an die Robert-Langdon-Romane von Dan Brown. Wer hier allerdings einen actiongeladenen Symbolismus-Thriller erwartet, ist fehl am Platz. Eine rasante Schnitzeljagd findet nicht wirklich statt - nach jedem Mord erfolgt erstmal ein ausgiebiges "Brainstorming" des unfreiwilligen Ermittler-Duos. Sie gehen an den Fall wie an ein mathematisches Problem heran und versuchen den Mörder mit ihrer empirischen Denkweise zu überführen. Zum Ende hin schlägt die Handlung Kapriolen. Es gibt eine überraschende Wendung nach der nächsten und man fragt sich: wer ist jetzt hier der Mörder?

Ich fand diesen Roman interessant und relativ kurzweilig und kann ihn für Leser von Büchern, die im Universitätsmilieu spielen, empfehlen und auch solchen, die sich gerne mit abstrakten Denkmustern beschäftigen und klassische Krimis bevorzugen.

Fazit: Ein intellektueller Whodunit, gelegentlich etwas verkopft, aber durchaus gut konstruiert und mit einer überraschenden Auflösung.

Herzlichen Dank an die bloggerjury von Bastei Lübbe und eichborn für das Rezensionsexemplar!
Nähere Infos zum Buch: hier

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