Hacke hat den Anspruch, einen klassischen Essay, also eine Abhandlung über die Heiterkeit aka Fröhlichkeit aka Lebensfreude zu schreiben. Er mäandert mit seinen Gedanken durch die Kulturgeschichte und scannt dabei Filme, Literatur, Psychoanalyse, Philosophie, Zeitgeschichte sowie das Werk von genuinen Humoristen wie Loriot in Hinblick auf das Thema ab. Immer wieder eingestreut finden sich passend zum Thema Heiterkeit, Humor und Lachen Anekdoten aus seinem eigenen Leben, gilt Hacke selbst doch eher als heiterer Autor und humorvoller Kolumnist, sowohl in der Eigen- wie auch in der Fremdwahrnehmung. Ganz unverblümt gibt Hacke zum Besten, mit welchen Lobhudeleien er schon bedacht wurde, weil er seine Leser*innen zum Lachen brachte. Auch Eigenwerbung wie der Verweis auf seine früheren Bücher ist mit von der Partie. Aber why not. Er erzählt im Plauderton mit vielen Abschweifungen ("übrigens" und '"by the way", "kennen Sie den schon", "wussten Sie eigentlich"…). Er gibt den Inhalt von ganzen Büchern wieder (z.B. "Der Name der Rose") und zitiert ausführlich aus der Primär- und Sekundärliteratur, so dass das kleinformatige gelbe Hardcover-Büchlein mit dem fröhlichen gleichfarbigen Lesebändchen und den aufgedruckten Sonnen (sonnig also heiter) schnell voll wird. Zuweilen mutet das sehr eklektizistisch an.
Mein Hauptproblem mit dem Buch ist, ich habe wirklich gedacht, mir würde dieses Werk zwei bis drei "heitere" Stunden bereiten. Also die, die die Sonnenuhr nur bereit ist zu zählen. Stattdessen sah ich mich eher mit dem "Ernst des Lebens", den Hacke unheilvoll im Untertitel heraufbeschwört, konfrontiert. Der Tod, Krankheiten, Krisen und Klimawandel, schlimme Kindheiten und Konflikte: Hacke bewegt sich in denkbar "unheiteren" Gefilden, um sich zu fragen, wie man bei all dem noch heiter bleiben kann. Lachen bei der Lektüre? Fehlanzeige. Werden hier falsche Erwartungen geweckt: Bei mir persönlich ja.
Ferner merkt man dem Buch an, dass sein Autor als nicht-marginalisierter weißer Mann, geboren in der Mitte der 1950er Jahre, mit der Humorvorstellung der heutigen Zeit nichts mehr anfangen kann. Seine Analyse unserer unheiteren Lebensrealität: "Wir leben in einer Welt permanenter Kränkungen und dauernden Gekränktseins, in einer Ära des Narzissmus." (S. 101). Eine Welt, in der man mit jeder witzigen Äußerung ein Minenfeld betritt, weil man sich nicht mehr über Menschen lustig machen darf und das ist sein Problem, wie er ausführt, denn Humor funktioniere nur in Hinblick auf das Menschliche. Und das sei in unserer Welt der "Verbotskultur der Jungen" (S. 105), in der man weder in Innenräumen Rauchen noch Woody Allen verehren darf, eben fast unmöglich geworden.
Ich muss sagen, ich finde Axel Hacke irgendwie sympathisch als Mensch, als Autor und Journalist durchaus intelligent und witzig. Was er hier abgeliefert hat, hat sich mir allerdings nicht erschlossen. Wieso, weshalb, warum das Ganze, im Hardcover mit Lesebändchen für 20 Euro? Es hätten auch 20 Kolumnen werden können und das hätte dem Thema wahrscheinlich besser zu Gesicht gestanden. Oder, stark gekürzt, ein Vortrag vor Mitarbeitenden der Süddeutschen Zeitung, vielleicht im Rahmen der Weihnachtsfeier. Die sollten aber schon mindestens zwei Wein und fünf Lachshäppchen intus haben, sonst lacht keiner. Leider keine Empfehlung von mir.
Herzlichen Dank an Dumont Verlag und Vorablesen für das Rezensionsexemplar.
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