Donnerstag, 4. Juli 2024

"Die Sache mit Rachel" von Caroline O'Donoghue


Belangloser und repetitiver Coming-of-Age Roman

Die Freundschaft zwischen einer heterosexuellen Frau und einem homosexuellen Mann ist ein beliebtes Motiv in der zeitgenössischen Popkultur, vor allem in Fernsehserien. Man denke nur an “Will & Grace” (die Serie wird im Buch zitiert) oder die Freundschaft zwischen Carrie Bradshaw und Stanford in “Sex and the City”. Daraus hätte man auch literarisch viel machen können, meines Erachtens ist das aber in “Die Sache mit Rachel” (Übersetzung Christian Lux) nicht geschehen. 

Ich weiß nicht, was die anderen Rezensent:innen für ein grandioses Buch gelesen haben. Ich habe Folgendes gelesen: einen mittelmäßig geschriebenen, an manchen Stellen bemüht humorvollen Coming-of-Age-Roman, dessen Handlung an mantrahafter Kreisförmigkeit und bleierner Spannungsarmut kaum zu überbieten ist. Dessen Charaktere so klischeehaft, promiskuitiv und persönlichkeitslos oder bemüht übertrieben merkwürdig sind, dass es in einem Schreibseminar wunderbar als Negativbeispiel in der Charakterentwicklung herangezogen werden könnte. Ich hatte wirklich große Schwierigkeiten dieses Buch zu beenden, denn nach der Szene mit der Lesung zog es sich wie der berühmte Kaugummi.

Rachel Murray, die Hauptfigur und Ich-Erzählerin, hat kaum nennenswerte Charakterzüge. Sie ist einfach nur jung und blickt als schwangere 31-jährige zurück auf die Jahre 2010/2011, in denen sie um die 21 war. Sie ist für mich definitiv keine vielschichtige Protagonistin, sondern eher total austauschbar. Sie definiert sich nur über ihre Anziehungskraft auf Männer und hat keinerlei Eigenschaften, die sie besonders machen. Sie weiß nicht, warum sie eigentlich Anglistik studiert, bildet sich aber dennoch etwas auf ihre Intelligenz ein. Ich ahne aufgrund des Nachwortes, dass das Buch autofiktionale Züge haben könnte, was es irgendwie nicht besser macht. James wirkt noch mehr wie auf dem Reißbrett entworfen: ein homosexueller, ständig sexuell aktiver Mann, der am liebsten zweideutige Witze reißt, mit denen er letztlich als Drehbuchautor in Amerika groß rauskommt. Und Dr. Byrne der verträumte Englischprofessor mit Geheimnis, den alle Studentinnen anhimmeln - ja, noch nie von ihm gelesen (#ironieoff).

Nochmal zum Inhalt: Es gibt also Rachel Murray aus Cork, die Anglistik studiert und in einem Buchladen arbeitet, wo sie die Aushilfe James Devlin kennenlernt. Er wird ihr bester Freund und irgendwann outet er sich ihr gegenüber als homosexuell. Rachel steht auf ihren Englischprofessor Dr. Fred Byrne und will mit ihm schlafen. Dafür fädeln die beiden Freunde ein Komplott ein, der das ersehnte Ereignis herbeiführen soll. Es soll nämlich nach einer Lesung von Dr. Byrne im Buchladen soweit sein, denn dieser hat ein populärwissenschaftliches Sachbuch über die irische Hungersnot geschrieben, das er unter die Lesenden bringen will. Natürlich gibt es dann schon recht früh im Buch den Plot Twist, den man leicht erahnen kann und Rachels und James’ Leben ändert sich - ein bisschen zumindest. Von da an dreht sich der Plot für mein Empfinden nur noch in Kreis: Sie haben Sex, sie waschen ihre Laken oder auch nicht, sie trinken teuren Wein, den sie sich eigentlich nicht leisten können, arbeiten in ihren prekären Jobs, träumen vom Auswandern und wieder von vorne.

Wer etwas für irische Themen übrig hat, wird definitiv in diesem Buch fündig. Die Handlung hängt sich an der finanziellen Schieflage des Landes um 2010 auf, die zu einer Rezession geführt hat. Es wird ständig thematisiert, wie wenig Geld alle zur Verfügung haben: James, der sowieso aus einer britischen Arbeiterfamilie kommt; Rachel, deren Zahnarzt-Eltern nicht mehr so viel verdienen wie früher und sie deswegen nicht mehr unterstützen können; die Buchbranche an sich; Universitäten; etc. pp. Dann geht es natürlich um kulturell in der irischen Geschichte verankerte Themen wie den Katholizismus und das Abtreibungsverbot, die Hungersnot, die von Dr. Byrne in seinem Buch behandelt wird, Homophobie (aber nur sehr am Rande) und die Beziehung zwischen Irland und Großbritannien bzw. deren Bewohner:innen.

Sprachlich ist das Ganze auch kein Hexenwerk, sondern bestenfalls Durchschnitt, der gelegentlich prätentiös rüberkommt. Bei manchen Metaphern habe ich einfach nur mit den Augen gerollt, wie z.B.: “Nach dem sechzehnten ‘Cecilia’ hatten James und ich unsere Beziehung zur Welt gebracht, und sie wanderte durchs Haus wie ein verklebtes, neugieriges Fohlen.” (37) So nach dem Motto: Hey, schaut her, wie kreativ ich mit Sprache umgehen kann, aber im Endeffekt ist es nur heiße Luft. Mehrere Beispiele würden die ohnehin viel zu lange Rezension zu diesem belanglosen Roman sprengen.

Noch gut gemeinte 3 Sterne, eher 2,5, weil der Anfang (auf den ich reingefallen bin) ganz okay war.

TW: Fehlgeburt, Abtreibung(sverbot)

Herzlichen Dank an den Kiwi-Verlag und vorablesen für das Rezensionsexemplar!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.