Der Teufel ist auch nur ein Mensch
Der Teufel hat keine Lobby. Seine Fürsprecher wie Satanist*innen sind zurecht negativ behaftet und werden gerne mit geopferten Hühnern in Verbindung gebracht. Unappetitlich und unschön, warum also sollte man dem “Fürst der Finsternis”, wie er im Lauf der Menschheitsgeschichte gerne genannt wurde, auch nur einen positiven Gedanken entgegenbringen? Er ist schließlich das Böse in Person.
Der Schweizer Autor Alex Flach hat einen erfrischend anderen Ansatz gewählt, um sich literarisch mit dem personifizierten Übel auseinanderzusetzen. Er lässt ihn in “Luzifers Burnout” nicht nur in der humanen Gestalt eines relativ attraktiven vierzigjährigen Mannes auftreten, sondern er lässt ihn auch an einem allzu menschlichen Problem unserer kapitalistischen Leistungsgesellschaft leiden: Burnout.
Der Teufel heißt bei Flach ganz klassisch: Luzifer, der gefallene, von Gott einst geliebte, aber aufgrund von Fehlverhaltens aus dem Himmel verstoßene Engel. Weil Gott irgendwie doch noch an ihm hängt, hat er Luzifer den Posten des Höllenchefs überlassen. Er ist der Herr über diejenigen, die sich im Leben nicht gut benommen haben und nun ein Daseins der ewigen Langeweile und Eintönigkeit in einem stadtähnlichen, betongrauen Ort zu fristen, an dem Busse ohne Sitzplätze stets überbelegt sind und an dem es das ganze Jahr lang November ist. Zum Glück hat er seinen besten Freund Samael, ebenfalls ein ehemaliger Engel, der zum Dämon abgestiegen ist. Doch selbst er und Samaels Frau Lilith können Luzifer in letzter Zeit nicht mehr aufheitern. Luzifer gesteht ihm schließlich, dass er depressive Gedanken hat und seit sechs Monaten keinen Menschen mehr in teuflische Versuchung geführt hat. Der Teufel “underperformed”, hält die Geschäftsziele nicht ein, sabotiert die eigene Firma. Was tun? Ihm kann nur eins helfen: ein Sabbatical, eine Auszeit - und zwar auf der Erde, bei den Sterblichen. Denn der Tod ist nicht für die Ewigen.
Natürlich bleibt es sowohl “oben” als auch “unten” nicht unbemerkt, wenn der Geschäftsführer eines derart wichtigen und erfolgreichen Unternehmens wie der Hölle sich einfach für eine unbestimmte Zeit verzieht, so nach dem Kerkeling-Motto: “Ich bin dann mal weg.” Im Zuge dessen kommen dann plötzlich die nicht ganz so schönen Seiten der vermeintlich Guten, der Himmlischen, zum Vorschein. Und als sich dann zwischen der schönen, ehrgeizigen und einzigen Erzengelin Ayla und dem Höllenvorsteher auch noch eine Liebesgeschichte abzeichnet, geht es plötzlich - ganz menschlich - drunter und drüber.
Das Buch klingt auf den ersten Blick relativ humorig und das ist es an vielen Stellen auch. Dennoch werden auch ernste Themenkomplexe verhandelt. Allen voran ist das der massenhafte Missbrauch von Kindern durch katholische Priester. Gott höchstpersönlich prangert im Rahmen des “Jüngsten Gerichts” diese Grausamkeit an, er hat deren Beendigung zur “Chefsache” erklärt und wir können alle nur hoffen, dass auch der echte seinem literarischen Vorbild Folge leisten wird.
Überhaupt Gott - er ist schon eine Type. Raucht Zigarren und spielt Golf mit MEGA (Make Eternity Great Again)-Cap, um sich über Trump lustig zu machen. Moralisch ist er, also Gott, aber selbstverständlich einwandfrei und überdies Feminist - was auch sonst, er ist ja schließlich der Allmächtige!
Über dieses Buch könnte man noch viel mehr schreiben. Dass es viel in Clubs spielt, zum Beispiel, weil der Autor wohl selbst einmal einen (oder mehrere) Nachtclubs besessen hat. Dass der Erzengel Michael ein aufgeblasener Angeber zu sein scheint und dass das ziemlich witzig ist. Aber im Grunde solltet ihr das Buch selbst lesen, wenn ihr Humor habt und nicht gleich dort Blasphemie schreit, wo es sich doch nur um künstlerische Ideenfreiheit handelt.
Alex Flach hat in “Luzifers Burnout” mit sehr viel erzählerischer Leichtigkeit theologisches Wissen und philosophische Klugheit in eine göttlich-teuflische Komödie gepackt, die ihresgleichen sucht. Ein kluger, witziger und origineller Roman!
Herzlichen Dank an den Schweizer Th. Gut Verlag für das Rezensionsexemplar!

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