Der Beruf des Leuchtturmwärters gehört der Vergangenheit an. Längst hat die Technik den Menschen aus diesem seltenen und auch etwas seltsamen, von vielen Menschen romantisch verklärten Job verdrängt. Leuchttürme gibt es noch, aber Menschen wohnen und arbeiten - bis auf ganz wenige Ausnahmen - nicht mehr in ihnen, auch wenn es uns so mancher moderne Liebesroman (à la Städterin in Lebenskrise renoviert Cottage in Irland und trifft total gutaussehenden, aber abweisend wirkenden Leuchttumwächter) gerne vorgaukeln möchte.
Dass der Beruf alles andere als romantisch ist, wird im Roman "The Lamplighters"/"Die Leuchtturmwärter" von Emma Stonex von Anfang an klar gemacht. Aus der Perspektive der drei Leuchtturmwärter Arthur (um die fünfzig), Bill (Mitte dreißig) und Vince (Anfang zwanzig) erfahren wir vom wahren Alltag eines Leuchtturmwächters im Jahr 1972 an der Küste Cornwalls. Damals war die Technik schon weit fortgeschritten, aber noch nicht so weit, dass es keiner bemannten Leuchttürme mehr bedurfte. Stonex beschreibt sehr gut den streng getakteten Alltag der Männer und das klaustrophobische Gefühl der Enge. Wie in einem Gefängnis können die Männer den Turm wegen dessen exponierten Lage im Meer nicht einfach so verlassen. Sie sind aufeinander angewiesen und müssen den jeweils anderen blind vertrauen. Es gibt keinen, der für ihre psychische oder physische Gesundheit sorgt, außer sie selbst.
Aber dies ist kein fiktiver Erlebnisbericht über das Leben auf einem Leuchtturm. Die drei Männer verschwanden im Dezember 1972, wenige Tage vor dem neuen Jahr und bevor Bill wieder für einige Zeit an Land durfte, spurlos aus dem Leuchtturm. Dieser kann nur durch ein Boot angefahren werden. Die schwere Tür ist von innen verriegelt, beide Uhren sind um 8.45 Uhr stehen geblieben, es ist ein Tisch für zwei gedeckt und im Logbuch steht ein Sturm, der so nicht stattgefunden hat. Ein Regenmantel von drei hängt noch an seinem Haken. (Das alles klingt höchst mysteriös, der Roman basiert aber tatsächlich auf einer wahren Geschichte, die sich 1900 auf einer unbewohnten schottischen Insel zugetragen haben soll: Auch hier verschwanden drei Wächter spurlos aus ihrem Leuchtturm.)
20 Jahre später, im Jahr 1992, will ein Autor von maritimen Spannungsromanen ein Buch über das "Maiden Rock Mystery" schreiben. Helfen sollen ihm dabei die drei Frauen, die die Männer damals an Land zurück ließen: Helen, Ehefrau von Arthur, Jenny, Ehefrau von Bill und Michelle, Verlobte von Vince. Anhand der Ich-Perspektiven der drei Frauen sowie aus den Vergangenheits-Ich-Perspektiven ihrer drei Männer werden nach und nach die Geschichten dieser sechs Menschen enthüllt.
Durch das multiperspektivische Erzählen wird eine komplexe Spannung erzeugt. Auch ich wollte unbedingt wissen, wie die Geschichte aufgelöst wird. Allerdings ist die Handlung - bei aller Spannung - unglaublich deprimierend, zumindest für mich. Im Englischen gibt es ein Wort, was meiner Meinung nach perfekt zu diesem Buch passt: Es ist "bleak", also trist, trostlos. Mit jedem Kapitel wird das Ausmaß der Tragödie dieser sechs miteinander verwobenen Menschen immer größer und größer. Eigentlich müsste über dem Buch eine riesige Triggerwarnung stehen, denn kaum ein traumatisches Geschehen wird hier ausgespart.
Wenn eine Lektüre einen total runterzieht und man das Gefühl hat, man wird mit den Figuren zusammen in einen Abgrund gerissen, dann kann ich so einen Roman nicht guten Gewissens empfehlen. Das war leider nix für mich.
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