Obwohl ich kein großer Fan der “Sissi”-Filme mit Romy Schneider bin, ziehen mich fiktionale Bearbeitungen des Lebens der Kaiserin Elisabeth Amalie Eugenie von Österreich an wie die Motten das Licht. Muss ich mir von einem Psychiater schon einen morbiden Crush auf die Kaiserin attestieren lassen und kann man das alles noch unter simplem Interesse verbuchen? Dass es für mich kein Problem war, sowohl lange kastanienbraune Haare als auch sieben “Sisi-Sterne” für das Buchfoto parat zu haben, fließt hoffentlich nicht in mein psychisches Profiling mit ein. Aber weg von mir hin zu dem Roman “Sisi - Die Sterne der Kaiserin" von Mara Andeck aus dem Goldmann - Verlag.
Dieser Roman versucht einer historischen Person aus dem Umfeld der Kaiserin eine Stimme zu geben: Franziska “Fanny” Angerer, ihrer privaten Friseurin, die 32 Jahre lang in Diensten Elisabeths stand. Man sagt, ihrem Friseur/ihrer Friseurin würde eine Frau “alles” erzählen. Was soll man sonst auch machen, wenn man wie Kaiserin Sisi, deren Haare fast bis zum Boden gingen, oft stundenlang frisiert werden musste? Wenn man allerlei Kuren und Prozeduren über sich ergehen lassen musste, damit die Haare dem eigenen kaiserlichen Anspruch genüge leisteten? Haarausfall war Sisi ein Graus und sie betrauerte jedes einzelne Haar, das der Kämmprozedur zum Opfer fiel, indem sie es in einer Silberschale auffangen ließ. Fakt ist, Friseurin bei der Kaiserin zu sein, war ein physischer und mentaler Knochenjob, denn auch über politische und gesellschaftliche Themen, Kultur und die neueste Mode sollte eine Friseurin mit der Kaiserin parlieren können ohne ihr mit der eigenen Meinung zu missfallen, während sie zeitgleich eine in kaiserlichen Augen perfekte Frisur abliefern musste.
Die Beziehung der beiden ungleichen Frauen im Roman beginnt, als Sisi bei einem ihrer Theaterbesuche im Burgtheater die Künste der dort angestellten Friseurin anhand der Frisur einer Schauspielerin bewundern konnte. Vom Fleck weg wird sie vom Hof einberufen, denn zunächst müssen ihre Eignung und ihr Leumund gründlich überprüft werden, letztlich wird sie eingestellt. Von nun an widmet sich die Stieftochter eines Friseurs ausschließlich den kaiserlichen Haaren und bekommt im Roman am eigenen Leib zu spüren, was es bedeutet, Teil des kaiserlichen Hofstaates zu sein. Glanz und Glamour, moderate Berühmtheit und ein finanziell sorgenfreies Leben geben sich mit Verschwiegenheitsgelübden, Hofintrigen und allerlei Personen, die einem nicht wohlgesonnen sind, die Klinke in die Hand. Hinzu kommt, dass die Kaiserin es nicht goutierte, dass ihre persönlichen Angestellten - also die weiblichen - Kontakte zum anderen Geschlecht unterhielten, die über das Professionelle hinausgingen. Sprich: Wollten die Hofdamen eine Ehe eingehen, wurden sie in der Regel aus dem Dienst bei der Kaiserin entlassen. Auch Fanny muss sich im Roman schließlich zwischen Gefühl und Vernunft, zwischen der Liebesbeziehung zu einem Mann und ihrer Loyalität gegenüber der Kaiserin entscheiden. Oder kommt doch alles ganz anders?
Nach dem wirklich gelungenen “Wohlfühl-Opener”, bei dem wir gleich die Kaiserin kennenlernen und viel von der Ich-Erzählerin Fanny erfahren, hätte ich mir gewünscht, dass es in ähnlichem Modus weitergeht. Stattdessen bekommen wir sofort ein absolutes Trigger-Thema (Spoiler: Totgeburt) um die Ohren gehauen. Bei einem historischen Wohlfühlroman - so suggeriert es zumindest das Marketing - muss ich doch nicht gleich am Anfang “Das Leben ist ein schreckliches Jammertal” von den Dächern rufen. Ich war nach dem schönen Anfang, der mich emotional echt gefangen genommen hat, total schockiert und hätte das Buch am liebsten wieder weggelegt. Zumal die Kindheitsgeschichte Fannys und ihrer Schwester auch schon sehr traurig und deprimierend ist, für mich hätte das als Aufhänger für den “from rags to riches”-Trope völlig ausgereicht. Außerdem wissen wir, so schreibt es die Autorin im Nachwort, sehr wenig von der historischen Fanny Angerer und die Geschichte ihrer Herkunftsfamilie ist ebenso erfunden wie die traurige Geschichte, mit der die Existenz der “Sisi-Sterne” später im Buch erklärt wird (correct me if I'm wrong). Wäre der Anfang nicht gewesen, hätte ich volle Punktzahl für dieses Buch gegeben. Mir gefällt die Ich-Erzählerin, die Zeichnung des Charakters der Kaiserin und ihrers Umfelds (von denen mir einige Figuren noch aus dem “Sisi”-Roman von Karen Duve frisch in Erinnerung waren) und auch die (historische) Figur des Hugo Feifalik, der einen sehr witzigen und sympathischen “Love Interest” für Fanny abgegeben hat.
Bis auf den Anfang, der für mich das restliche Buch leider negativ überschattet hat, ein wirklich sehr guter historischer Roman für alle, die so wie ich nicht genug bekommen können von “Sisi”.
Herzlichen Dank an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
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