Im Winter - vor allem in dem scheinbar endlosen grauen Teil nach Weihnachten - brauchen wir manchmal Bücher, die das Herz erwärmen und bei deren Lektüre sich der Intellekt und das Realitätsbewusstsein auch gerne mal ein wenig auf der Couch zusammen einmümmeln und abschalten dürfen. Ein solches Buch möchte ich euch heute empfehlen. Passenderweise findet die Handlung hauptsächlich Winter statt.
“One Night in Hartswood” von Emma Denny habe ich vor fast einem Jahr angefangen, aber mittendrin habe ich aufgehört, es zu lesen. Weil es mir nicht gefallen hat? Ganz im Gegenteil - ich wollte nicht, dass die Geschichte von Raff und Penn endete (und außerdem wollte ich ein Buchfoto mit verschneiten Bäumen machen und es war bereits fast Frühling). Ich wusste aber, dass ich spätestens im nächsten Winter zu dieser Geschichte zurückkehren würde, denn ich wollte natürlich dann doch wissen, wie sie endet. Et volià.
Die Handlung führt uns ins England des Jahres 1360, genauer gesagt nach Oxfordshire. Die Tochter von Lord Griffin Barden, Lady Cecily, soll in einer arrangierten Ehe William de Foucart, den nunmehr einzigen Sohn und Erben von Earl Marcus de Foucart heiraten. Zur Hochzeit mit dem ihr unbekannten Bräutigam wird sie von ihren Brüdern Ash, Titelerbe der Familie Barden, und Raff begleitet. Eine Nacht vor der Hochzeit verschwindet William de Fourcaut plötzlich. Raff wird u.a. dazu auserkoren, den entflohenen Bräutigam zu suchen und zurück in die Burg der de Fourcauts zu bringen. Im nahen Hartswood Forest (Wortspiel mit “Heart” ist hier sicherlich beabsichtigt) begegnet er einem Mann, der sich Penn nennt. In Wirklichkeit ist Penn William de Foucart, was er aber geheim hält. Mit einer erfundenen Geschichte überzeugt er Raff mit ihm zusammen die Gegend um die Burg und somit auch Hartswood Forest zu verlassen. Raff sucht weiter offiziell nach William. Auf der Flucht kommen sich die beiden Männer näher und schließlich entspinnt sich eine bittersüße Liebesgeschichte, über deren weiteren Verlauf ich nicht zu viel verraten möchte.
Dieser queere historische Liebesroman überzeugt mit seinen Charakteren. Raff und Penn sind einfach sympathisch, ihre Dynamik untereinander ist glaubwürdig, ihre Liebe fragil, bis sie immer stärker wird, ihre Psychen - vor allem die von Penn - sensibel und verletzlich. Ein bisschen "Spice" und Action (nicht nur die im Bett) gibt es auch (für alle, die das mögen 😉). Der schlagfertige Ash und die verständnisvolle Lily (Cecily) sowie Penns Schwester Jo sind klassische “Ally-Figuren”, die die Liebe von Raff und Penn supporten, als würde das alles nicht im Spätmittelalter spielen. Aber hier muss man wirklich ein Auge zudrücken, was die historische Glaubwürdigkeit betrifft, wenn man das Buch genießen will. “Mittelalterlich” hingehen verhält sich Penns Vater, Marcus de Foucart, der als ausgewachsener Sadist seine Machtposition, auch und vor allem seinem Sohn gegenüber, wo es geht, ausspielt. Selten so einen üblen Charakter gesehen (gelesen), nicht mal bei James Bond, wo die Schurken wenigstens Charisma haben. Ob er wohl ungeschoren davonkommt?
Der Handlungsaufbau ist klassisch für einen Liebesroman: Schwierige Ausgangssituation, Kennenlernen im romantischen Umfeld, gegenseitiges Misstrauen und gleichzeitige Anziehung, gemeinsamer Weg (Reise) mit Annäherung, intimer Höhepunkt, Genießen der gemeinsamen Zeit, Probleme treten wieder in den Vordergrund, Auseinanderreißen der Liebenden, Happy End.
Es finden sich die altbekannten Tropes “Enemies to Lovers” in diesem Roman als auch das große Thema Wald als Safe Space und der Ort, wo man unterdrückte Sehnsüchte und Gefühle ausleben darf. Spätestens seit Shakespeares “Sommernachtstraum” gibt es in der Literatur dieses Motiv des Waldes als Zufluchtsort von unverstanden Seelen, wo das unterdrückte Unterbewusste endlich glänzen darf.
Für alle, die sich gerne mal auf Romantik einlassen wollen, Wald- und mittelalterliche Settings lieben und überhaupt gerne queere (Liebes-) Geschichten lesen, für die ist “One Night in Hartswood” die absolut richtige Winterlektüre. Für mich war sie das auf jeden Fall, obwohl ich um klassische Liebesgeschichten eher einen Bogen mache. Empfehlung!
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