Der Roman “Männer töten” behandelt ein eklatant wichtiges Thema: Gewalt durch Männer an Frauen. Sprich: körperliche und sexuelle Gewalt bis hin zum Femizid. Aber es geht auch um psychische und mentale Gewalt, männlichen Narzissmus, Chauvinismus, Mansplainining, Antifeminismus und Homophobie. Ich habe keine Statistiken im Kopf, aber enorm viele Frauen werden im Laufe ihres Lebens Opfer einer der genannten Formen von Anfeindungen bzw. von psychischer und/oder physischer Gewaltanwendung. [Ich brauche hoffentlich nicht erwähnen, dass es auch im realen Leben Frauen gibt, die Männern Gewalt in oben genannter oder anderer Form antun. Nur ist dieser umgekehrte Fall wesentlich seltener.] Österreich gilt als trauriger Vorreiter, was die Gewalt von Männern gegenüber Frauen angeht. Ergo ist es sehr passend, dass dieses Thema von einer österreichischen Autorin aufgegriffen und von einem österreichischen Traditionsverlag verlegt wurde.
In “Männer töten” rächen sich Frauen an den Herren der Schöpfung für die ihnen zugefügte Gewalt. In Engelhartskirchen, einem fiktiven oberösterreichischen Dorf, ticken die Uhren etwas anders: Hier gibt es eine Mädchenfußballmannschaft, die von “Fußballerinnenmüttern” angefeuert wird. Hier trägt eine Frau die Soutane des katholischen Pfarrers und führt sein Amt aus, als wäre es normal, dass eine Frau dies tut. Hier sind überdurchschnittlich viele Frauen, die an der Hochzeit von Sabine und Josepha teilnehmen, verwitwet und noch mehr Männer abwesend oder sogar spurlos verschwunden…
Doch von alledem weiß die eigentlich in Berlin lebende Wienerin Anna-Maria, die 30-jährige Protagonistin des Romans, noch nichts, als sie zum ersten Mal ihren neuen Partner Hannes auf seinem Bauernhof in Engelhartskirchen besucht. Nach und nach beginnt die Fassade vom harmonischen Feministinnendorf zu bröckeln und auch Anna-Maria muss sich den männlichen Geistern ihrer Vergangenheit stellen.
Den weiteren Plot werde ich jetzt nicht groß spoilern, nur so viel: Es wird blutig und es sterben Männer. Letzteres erwähnt auch eine Triggerwarnung zu Anfang des Buches. Dies möchte ich besonders positiv hervorheben, denn leider sind diese Content Notes oder Triggerwarnungen noch längst nicht selbstverständlich. Auch Notfallkontakt-Nummern für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, finden sich hinten im Buch.
Während ich finde, dass das Buch allein aufgrund seiner gesellschaftspolitischen Brisanz eine absolute Daseinsberechtigung hat, konnte es mich als Roman, als in sich geschlossener literarischer Text, leider nicht so richtig überzeugen. Die Figuren bleiben blass, selbst die Protagonistin hat wenig Tiefe. Die Handlung ist durch die häufigen Flashbacks oft verwirrend zu lesen, die Zeit in Engelhartskirchen, in der sich die Gegenwartshandlung abspielt, wird meiner Ansicht nach nur oberflächlich beleuchtet. Mit der Zeit driftet die Handlung ins Groteske ab. Die Morde sind extrem brutal und speziell in einem Fall ist das Motiv nicht richtig nachvollziehbar. Sprachlich ist das Ganze sehr einfach und parataktisch gehalten.
“Männer töten” lässt sich vom Setting her sehr gut mit “Nincshof” von Johanna Sebauer vergleichen. Beides mal ein eigenartiges österreichisches Dorf mit Matriarchat, das ein Geheimnis hat. Nur hat mich “Nincshof” was Figurenzeichnung, Handlungsaufbau und Spannungsbogen sowie Ironie und subtilen Humor betrifft so viel mehr überzeugt. “Männer töten” bleibt nur Skelett während bei “Nincshof” ein richtiger Körper mit all seinen Funktionen entstanden ist, um mal so einen gewagten Vergleich zu machen.
Das Buch zu lesen war aber kein Fehler, denn jede*r sollte sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Der Kauf des Buches hat mir außerdem viel Spaß bereitet, alleine schon weil ich “meinen” Buchhändler mit Bestellung und Kauf ein wenig in Verlegenheit bringen konnte (hihi). Aufgrund des provokanten zweideutigen Titels sollte es jede Literaturliebhaberin im Bücherregal haben. Man weiß ja nie, ob man mal eine Waffe braucht und die einzige, die ich befürworten kann, ist Sprache.
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