[Die
nachfolgende Rezension beinhaltet ein paar Hinweise zur Handlung und könnte
damit das Lesevergnügen beeinträchtigen.]
Dieses
Buch ist für mich eine kleine Sensation! Einerseits ist es ein richtiges
Teenager-Drama, leicht geschrieben, vollgepackt mit Welt- und Herzschmerz und
einer tüchtigen Portion Popkultur! Andererseits ist es ein Beispiel, wie
aktuell und spannend Geschichte sein kann, die immer wieder neu interpretiert
und bis in die Gegenwart für uns Bedeutung zu konstruieren in der Lage ist.
Die
Gegenwart eines unglücklücken Teenagers – auf künstlerische Weise verwoben mit
den Ereignissen aus dem revolutionären Frankreich des 18. Jahrhunderts, so
könnte die Überschrift lauten.
Eigentlich
bin ich skeptisch bei Jugendromanen, weil ich mich mit meinen fast dreißig
Jahren immer schwerer in die Psyche von Teenagern hineinversetzen kann, ihre
Verliebtheiten und depressiven Stimmungen, die Streits mit den Eltern und das
Gefühl der Nutzlosigkeit. Bei „Revolution“ ist es so, dass man Andi ihre
„Moodiness“ von Anfang an zugesteht, sie ist motiviert denn die Geschichte mit
ihrem Bruder (die immer nur angedeutet, erst zum Schluss auserzählt wird) ist
einfach schrecklich und man kann sich vorstellen, wie sehr sie darunter leidet.
Die melancholische Verstiegenheit der Protagonistin nervt also nur sehr selten.
Zum
Plot: Diandra, genannt Andi, ist nach dem Tod ihres geliebten jüngeren Bruders
Truman, für den sie sich verantwortlich fühlt, untröstlich. Sie vermag nur noch
für ihre Musik zu leben (sie spielt leidenschaftlich gern Gitarre). Auf der
teuren privaten Highschool in New York steht bald ihr Abschluss an und sie soll
ihre Abschlussarbeit zum selbstgewählten Thema „André Malherbeau (ein fiktiver
Komponist, der im Roman im Frankreich des 18 Jh. für Gitarre komponiert hat)
und seinen Einflüssen auf andere Musiker bis heute“ bald abgeben.
Ihre
Mutter, eine aus Frankreich gebürtige Malerin von Stillleben, ist vom Tod des
Sohnes psychisch angegriffen und lebt in einer ganz eigenen Welt, in der sie
nur noch Bilder des verstorbenen Kindes malt. Der Vater von Andi ist
Nobelpreisträger für Genetik, beruflich extrem erfolgreich und kaum zu Hause.
Weil Andi es nicht schafft sich selbst aus ihrem tiefen seelischen Tal zu
befreien und immer wieder mit dem Tod kokettiert, nimmt ihr sonst wenig
präsenter Vater sie für drei Wochen mit nach Paris, weil er dort mit seinem
Studienfreund Guillaume (genannt „G“), Historiker und Star-Forscher über die
Französische Revolution, ein Projekt ausarbeiten will.
Sie
fahren nach Paris und dort bekommt Andi Einblicke in die Welt der Französischen
Revolution.
Das
Projekt: Andis Vater Lewis und „G“ wollen das Herz von Louis-Charles, dem Sohn
von Louis XVI und Marie Antoinette erforschen, der mit 10 Jahren als Gefangener
des Terrorregimes von Robespierre in Gefangenschaft starb. Es gab im Jahr 2000
tatsächlich genetische Untersuchungen, die die Echtheit des Herzens belegt
haben.
Als
Andi ein Bild von Louis Charles sieht ist sie geschockt: er sieht genauso aus
wie ihr verstorbener Bruder Truman!
In
einem alten Instrumentenkoffer aus der Sammlung von Gil findet Andi ein
Geheimfach, in dem sich ein Buch befindet und das Bild des Prinzen
Louis-Charles. Das Tagebuch stammt von der 1795 damals 17 Jahre alten
Alexandrine. Ihre Aufzeichnungen sollen der Nachwelt die Geschichte um das
traurige Ende des französischen Thronfolgers zeigen. Die Gaukler-Tochter kam
durch eine zufällige Aufführung ihrer Truppe vor der Königsfamilie dazu die
Gesellschafterin des jungen Prinzen zu werden, der kurz zuvor seinen älteren
Bruder verloren hatte und dadurch auch seine Fröhlichkeit. Alex erzählt von den
Ereignissen der Revolution, die sie am eigenen Leib erfahren hat ….
In
Paris versucht Andi ihre Abschlussarbeit voranzubringen, doch sie wird immer
wieder abgelenkt-sei es vom Tagebuch Alexandrines oder dem jungen französischen
Taxifahrer Vergil, mit dem sie die Leidenschaft für die Musik teilt. Immer mehr
gerät Andi in den Strudel der Ereignisse, Gestern und Heute verquicken sich und
plötzlich befindet sich die junge Frau an einem Ort, an dem sie nie sein
wollte…
Der
letzte Teil des Buches ist der eigentliche Höhepunkt – für meinen
Geschmack.
Das,
was mich an dem Roman so fasziniert hat ist die originelle Verknüpfung
eines Teenagerschicksals mit der Historie und der äußerst interessanten
Geschichte rund um Louis-Charles, den „verlorenen König von Frankreich“. Dass
wir ohne Geschichte nicht wären was wir sind, das erzählt das Buch auf eindrucksvolle
Weise - deshalb lohnt sich der Blick zurück!
Am
Ende des Buches finden wir eine ausführliche Auflistung der von der Autorin
benutzten Sekundärliteratur. Das ist prima für alle die wie ich weiter in die
Materie eintauchen und noch ein wenig quer lesen möchten was es sonst noch über
die Revolution, ihre Opfer und Täter sowie die ganze Zeit zu wissen gibt.
Meine
Ausgabe:
Verlag:
Bloomsbury Publishing
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2011
Erstausgabe:
2010
Seiten: 472
ISBN:
9781408801512
Deutsche Übersetzung: Das Blut
der Lilie
Verlag: Pendo