Sonntag, 29. Juni 2014

"Bring up the Bodies" von Hilary Mantel


"Bring up the Bodies" ist das beste Buch, das ich über die Tudors gelesen habe - getoppt werden kann es allenfalls noch von seinem Nachfolger, der noch nicht erschienen ist und der die Trilogie um Thomas Cromwell komplett machen wird.
Ich muss sagen die Intensität und Nüchternheit, mit der die physisch und psychisch brutalen Vorgänge rund um die Hinrichtung von Anne Boleyn geschildert werden, sucht sicher ihresgleichen. Ein derat visuelles Leseerlebnis ist mir in einem historischen Roman eigentlich noch nicht untergekommen.
Während "Wolf Hall" viel Cromwell-zentrierter und gemächlicher daherkommt, geht es nun im Wesentlichen um die Zeit, in der Heinrich VIII seine Beziehung zu Anne Boleyn zu legitimieren versucht. Es geht um seine "Trennung" von Katharina von Aragon, die Annäherung an Anne und deren Aufstieg zur Königin von England. Die Ablösung Heinrichs von der katholischen Kirche, die in der Gründung der Anglikanischen Kirche gipfelt, ist dabei nicht wirklich vordergründig. Vielmehr geht es um den royalen Menschen und menschlichen Royal Heinrich, der einfach nur verzweifelt ist, weil er keinen männlichen Erben bekommt. Die Zukunft in Form seiner Töchter Mary und Elisabeth, die beide - wie der Leser ja bereits weiß - einmal England als selbstständige MonarchINNEN regieren werden, steht bereits am Horizont und lässt das Verhalten des strauchelnden Königs Heinrich nur noch verzweifelter und absurder erscheinen. Besonders wenn man bedenkt, dass vor allem Elisabeth England wie kaum ein anderer Souverän England prägen und das berühmte "Goldene Zeitalter" bestimmen wird... Jedenfalls wird der Aufstieg und Fall der Anne Boleyn in "Bring Up the Bodies" durch die Augen Thomas Cromwells - des bürgerlichen Emporkömmlings - gefiltert.
Natürlich wissen wir alle, was passieren wird, aber dennoch jagt es einem beim Lesen einen Schauer über den Rücken. Die Klarheit der Worte trifft auf die Grausamkeit der Vorgänge und konfrontiert den Leser mit einem Innuendo, das man nicht so schnell wieder vergisst...
Auch weniger Geschichtsinteressierte werden von diesem wahnsinnig intensiven Historienroman gepackt werden, den ich nur wirklich jedem empfehlen kann!

PS in eigener Sache: wieder entschuldige ich mich dafür, dass momentan so wenig von mir kommt, aber ich bin momentan - wie Heinrich VIII so oft, allerdings im Gegensatz zu ihm hoffentlich nur einmal ;-) - mit Heiraten beschäftigt ;-)

Freitag, 30. Mai 2014

"Das Glück, wie es hätte sein können" von Veronique Olmi


 
Ich habe vorletztes Jahr bereits "In diesem Sommer" durch vorablesen.de kennengelernt und weil es mir - trotz einer gewissen Ereignisarmut - gut gefallen hat, wollte ich auch dieses neue Buch von Veronique Olmi lesen, das mit seinem Titel "Das Glück, wie es hätte sein können" einiges an dieser typisch französischen Stimmung zu vermitteln verspricht. In der Tat ist der neue Roman von Olmi durchtränkt von der "tristesse" oder Melancholie, wie wir sie aus französischen Filmen und der literarischen Tradition Frankreichs kennen: das Leben wird immer mit einer gewissen Bitterkeit gesehen und wo Fröhlichkeit, Liebe und Fülle ist denkt man doch auch immer kurzzeitig an deren Vergänglichkeit. In "Das Glück, wie es hätte sein können" wird eine kurzzeitige Liaison zum reinigenden Gewitter, zur Explosion, die das Leben von drei - eigentlich sogar mehr - Menschen für immer verändert. Suzanne, die bodenständige Klavierstimmerin, lernt über ihren Beruf den alternden Immobilienjongleur Serge kennen. Zunächst eigentlich das teure Klavier, das für seinen untalentierten Sohn von seiner Frau Lucie angeschafft wurde. Zunächst beschreibt Olmi in kurzen, momentaristisch geprägten Kapiteln, wie das Leben von Serge und Suzanne abläuft, wie sie im Alltag sind...dann läuft es langsam auf die Begegnung der beiden zu, die die Initialzündung zu ihrer Affäre sein wird. Aus dem "menage a quatre"-Roman wird aber immer mehr die Selbstfindungsgeschichte des 60jährigen Serge, der Suzanne mit seinen Lebenslügen konfronitiert... Das Buch ist literarisch hervorragend, von der Thematik her aber eher schwer und zuweilen beliebig. Tausendmal schon gehört man man eine solche Geschichte zu haben, die Vorgeschichte von Serge wirkt stellenweise sehr konstruiert und man wähnt sie einem Groschenroman entnommen zu haben. Trotz der etwas seichten Story ist das Buch aber von einer besonderen Intensität, die vor allem durch die Beschreibung kleiner Details und eindrücklicher Szenereien zustande kommt. Man wähnt sich wirklich an einem Herbsttag in Paris, dieses spezielle Licht, der Geruch, die Atmosphäre in den Straßen - man meint sie wirklich zu spüren. Veronique Olmi ist eine hervorragende Autorin und diese Geschichte, die das Leben spielt, ist eigentlich auch genau ihre Thematik, wenn die theatralisch-pathetische Vorgeschichte ein wenig abgeschwächter wäre, würde ich volle 5 Sterne geben.

Eine Anmerkung noch zum Titel: Interessant ist, dass der französische Titel "Nous étions faits pour être hereux" übersetzt eigentlich "Wir sind dazu gemacht, glücklich zu sein" und nicht "Das Glück, wie es hätte sein können." Was sagt uns die freie Übersetzung? Dass die Franzosen vielleicht bei aller tristesse doch optimistisch(er) sind?


Herzlichen Dank an den Antje Kunstmann Verlag und vorablesen.de für das Leseexemplar!

Mittwoch, 23. April 2014

"Welttag des Buches 2014" - Verlosung von "Nachtzug nach Lissabon"

Es ist soweit: der "Welttag des Buches 2014" ist da und die tolle Aktion "Blogger schenken Lesefreude" geht in die nächste Runde.



Auch ich verlose dieses Jahr wieder etwas. Nachdem ich letztes Jahr ein Buch verlost habe, das mir persönlich sehr am Herzen lag, verlose ich heuer ein Buch, das ich noch nicht gelesen habe. Durch die Verlosung will ich mich auch selbst animieren es endlich zu lesen - es ist sozusagen eine SUB-Abbau-Challenge für mich - und eine SUB-Aufbau-Möglichkeit für euch ;-)



Es handelt sich um das doch recht populäre Buch "Nachtzug nach Lissabon" von Pascal Mercier. Mein eigenes Exemplar habe ich schon recht lange, vor Jahren von einer Freundin geschenkt bekommen. Für die Verlosung gibt es ein nigelnagelneues Hardcover-Exemplar.




Bis zum 30. April 2014 läuft die Verlosung, in der ihr mir per Kommentarfunktion folgende Frage beantworten sollt:

Welches Buch liegt schon viel zu lange auf eurem persönlichen "Stapel Ungelesener Bücher"?


Bitte gebt eure Email- oder Blogadresse an, damit ich euch im Gewinnfall kontaktieren kann. Teilnehmen kann jeder ab 18. Jahren. Der Gewinner wird per random.org ermittelt und per Email benachrichtigt. Die Daten werden nur für das Gewinnspiel verwendet und danach gelöscht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück!

Freitag, 28. März 2014

"Die Verlobungen" von J. Courtney Sullivan


Just einen Tag bevor ich das Buch angefangen habe, habe ich selbst einen Heiratsantrag bekommen...das Buch hat mich also thematisch wie die Faust aufs Auge erwischt. Selbst mit einem Diamatring an der Hand habe ich also der Werbetexterin und selbst niemals verheirateten Frances bzw. ihrer Geschichte und beruflichen Passion als Werberin der Diamantindustrie gelauscht, die nur eine von mehreren in diesem Buch ist. Sie alle beleuchten von irgendeiner Seite das Thema Ehe als gesellschaftlicher Institution - von den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts bis fast in die Gegenwart des Lesers hinein. Sei es eben aus der Perspektive der unverheirateten, berufstätigen Frau (damals noch ein Novum), die sich in ihrem Leben mit wenig anderem als Verlobungen und deren Attribut dem Diamantring befasst hat oder aus der der Frau, die ihren älteren Ehemann für einen Jüngeren verlässt und wiederum selbst betrogen wird (Delphine). Auch die Geschichte von Gerald und Evelyn, die eigentlich Geralds besten Freund hätte heiraten sollen und die nun dabei zusehen muss wie ihr Sohn seine perfekte Frau für eine verlässt, mit der Evelyn nicht mal in einem Raum sein möchte sowie die von Katie, die selbst niemals heiraten will und dem befreundeten schwulen Pärchen Jeff & Toby dabei zusieht wie es von der Idee der Ehe, die ihr so fremd erscheint, wie besessen ist - umkreisen das Thema Ehe und was Mensch von ihr eigentlich hat wie die Erde die Sonne. Die Geschichte von James, dem typischen "Versager" und Sheila, die in den 1980er Jahren spielt, fand ich am wenigsten überzeugend, am meisten hat mich Delphine & ihre Story gefesselt.
Ich fand den Roman typisch amerikanisch, man merkt wie die Autorin mit den Ansichten ihrer Nation zum Thema Ehe über die Jahrzehnte hinweg spielt. Sei es mit der Marketing-Idee dass jede Frau einen Verlobungsring haben müsse, der dem Zukünftigen mindestens zwei Monatsgehälter wert sein sollte. Oder auch mit dem Schwerttun der Amerikaner mit der Öffnung der Ehe gegenüber homosexuellen Paaren oder ihrer bigotten Haltung, dass man treu sein solle und sich dennoch meistens anders verhält sowie mit der Ansicht, dass man heiraten müsse wenn man sich liebt. Was letztlich der Schlüssel zum Glück ist lässt die Autorin offen - ob man heiraten soll oder nicht, das ist eine Sache, die jeder für sich selbst entscheiden müsse. Im Großen und Ganzen suggeriert das Buch dass die Ehe sowohl Schreckgespenst als auch Faszinosum (symbolisiert durch den den Roman durchziehenden Diamantring, den jede der Geschichten gemeinsam hat) ist - ein gesellschaftliches Verhalten, zu dem man sich selbst wiederum irgendwie verhält - für oder gegen das man Position beziehen muss.
Dass der Roman mehrere Handlungsstränge hat hat mich nicht gestört - im Gegenteil, ich finde es hat gut gepasst dieses doch sehr kontroverse Thema, das jeder anders erlebt und an das dennoch so unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen geknüpft sind, von einer anderen Seite so multiperspektivisch zu präsentieren.
Ein guter Roman, der an manchen Stellen vielleicht zu viel Schubladendenken in sich vereint...

Vielen lieben Dank an den Deuticke-Verlag und vorablesen.de für das Leseexemplar!

Montag, 17. Februar 2014

"Karfreitagsmord" von Bea Rauenthal (= Kommissare auf Zeitreise, Bd. 2)

 
Obwohl sich die beiden Kommissare Jo Weber und Lutz Jäger eigentlich nach ihrer ersten Zeitreise (ins Mittelalter) im Vorgängerband "Dreikönigsmord" von dem Ereignis erholen, es verarbeiten und sich mit Polizeipsychologen herumschlagen müssten, die ihre Zurechnungsfähigkeit anzweifeln, hadert das Schicksal nicht lange mit ihnen und prompt landen sie wieder gemeinsam in einer längst vergangenen Zeit. Diesesmal ist die Zeit allerdings "nur" ein wenig mehr als 100 Jahre her - sie finden sich im Preußen des 19. Jahrhunderts wieder, nach der Ära Bismarck, während des deutschen Kaiserreichs. Während Jo plötzlich ihre eigene Urahnin ist, die bei ihrer adeligen Großmutter und ihrem seltsamen Onkel lebt und an der äußerst kurzen Leine gehalten wird, muss Lutz sich mit den reaktionären Denkweisen und Ermittlungsverfahren der Polizei des 19. Jahrhunderts herumschlagen. Dass die Leiche, die sie in ihrer eigenen Gegenwart des Jahres 2013 gefunden haben das Opfer eines Serienmörders ist wird für die beiden neuzeitlich ausgebildeten Beamten schnell klar. Mit Hilfe eines damals fortschrittlichen Psychologen, der bei dem noch unbekannten Wiener Sigmund Freud studiert hat, soll das psychologische Profil des Täters aufgedeckt und so seine Identität ermittelt werden. So leicht so wunderbar, wäre da nicht die Gefahr dass Jo selbst ein potentielles Opfer des gestörten Täters werden könnte... Ich muss sagen dieser zweite Band der Reihe um die "Zeitreise-Kommissare" hat mir genauso viel Spaß gemacht wie der erste Teil. Die Idee der zeitreisenden Ermittler trägt auch diesen Band und das biedermeierlich-wilhelminische Setting ist perfekt geeignet um einen Fall drumherum zu bauen. Auch die Verdächtigenanzahl ist ähnlich überschaubar und man kann das Geschehen als Leser immer perfekt überblicken. Dass hier mit so unterschiedlichen Milieus gespielt wird wie dem geadelten Bürgertum, der Arbeiterschaft zu Beginn der Industrialisierung und der akademischen Intelligenz, die sich gegen das reaktionäre Gegdankengut ihrer Zeit durchsetzen will ist äußerst interessant. Auch der Gedanke dass Lutz und Jo auf Personen treffen, die sie reinkarniert wähnen und aus ihrer Zeit im Mittelalter vermeintich kennen ist gut und gibt dem großen Ganzen einen kontinuierlichen Zusammenhang. Auch die ständige Spannung und Interaktion zwischen den beiden Protagonisten finde ich sehr prickelnd. Wie sich der Fall entwickelt war ziemlich überraschend und zeitweise auch erschreckend (ich sag nur: Sanatorium). Weil ich den ersten Band dennoch von der Atmosphäre etwas authentischer und in sich stimmiger fand - vielleicht auch weil die Situation neu - war, gebe ich 4 statt 5 Sterne.

Vielen Dank an vorablesen.de und den Ullstein Verlag für das Rezensionsexemplar!

Meine Ausgabe: 
Verlag: Ullstein
Seiten: 352
ISBN: 9783548611839
Erscheinungsjahr: 2014

Donnerstag, 13. Februar 2014

Warum ich dann mal nicht so regelmäßig da bin und so...


Ich möchte nicht lange mit privaten Dingen nerven, aber es gilt meine momentane Postknappheit zumindest kurz in Andeutungen zu erklären. Er ist nichts Negatives, es passiert nur gerade sehr viel in meinem Leben, was mich am intensiven Lesen und Rezensieren hindert. Sagen wir so: eine Verlobung <3 (mit nicht so ganz langer Verlobungszeit) und ein neuer Job (in der wundervollen Buchbranche-juhuu!) sind nur die zwei prominentesten Gründe warum ich gerade mal nicht so regelmäßig da bin.
Dennoch: mein Blog bleibt weiterhin bestehen und so oft ich kann werde ich auch etwas rezensieren und posten - ich möchte mich jetzt schon mal bei allen Lesern bedanken die mir treu bleiben!

In jedem Fall alles Liebe!

Freitag, 24. Januar 2014

"Wolf Hall" von Hilary Mantel


Die momentane Gallionsfigur des intellektuellen historischen Romans, also des historischen Romans jenseits von vorhersehbaren Handlungen und stromlinienförmigen Charakteren, ist zweifelsohne Hilary Mantel. Nicht ohne Grund hat sie für ihre beiden letzten historischen Romane, "Wolf Hall" (dt.: "Wölfe") und dessen Fortsetzung "Bring Up the Bodies" (dt.: "Falken"), bei denen es sich um die ersten beiden Bände einer Trilogie handelt, einen der renommiertesten aller Literaturpreise, den englischen "Booker Prize" gewonnen. Mit dem Vorwissen der besonderen Qualität dieser Lektüre bin ich also an selbige herangegangen - und wurde nicht enttäuscht. Ja, "Wolf Hall" ist etwas besonderes - zweifelsohne!
Es geht im Wesentlichen um Thomas Cromwell-einen der Architekten der Anglikanischen Kirche und anderer zentraler Reformen in der Geschichte Großbritanniens, den Staatsmann, der unter Heinrich dem Achten wie kaum ein anderer Karriere gemacht hat um dann umso tiefer vom Rad der Fortuna zu fallen bzw. der seinen einzigartigen Erfolg mit seinem Leben bezahlen musste.
Das Reizvolle an "Wolf Hall", das den Familiensitz von Heinrichs dritter Ehefrau Jane Seymour bezeichnet, ist, dass die historischen Fakten und auch die zwischen ihnen aufklaffenden Lücken aus der Perspektive Cromwells berichtet werden.
Das Buch verhandelt die Mechanismen der Macht und zeigt auf, wie gefährlich es ist sich im Dunstkreis ebendieser Macht zu bewegen. Das Spannende sind natürlich die Sequenzen, die Hilary Mantel sich aus dem Leben Cromwells herauspickt bzw. die sie dem Erfolgsmenschen Cromwell zuschreibt. Sie zeigen wie dicht er in den politischen Intrigen und persönlichen Auseinandersetzungen am schillernden Hof Heinrichs des VIII. involviert war. Er war sein wichtigster Minister, der seine Schachzüge bezüglich der Trennung von seiner ersten Frau, Katharina von Aragon und der damit verbundenen Abspaltung von der römisch-katholischen ausgeführt und in vielen Fällen auch entworfen hat. Dabei wird Cromwell entgegen der geschichtlichen Darstellung, die ihn als skrupellosen Machtpolitiker einstuft, als Mensch gezeigt, der viele private Verluste hinnehmen musste und dennoch seinem Land und seiner Krone als Politiker gedient hat, der oft zur rechten Zeit am richtigen Ort war. Seinen Sturz erleben wir wahrscheinlich erst im dritten, noch nicht veröffentlichten Teil der Trilogie. In "Wolf Hall" geht es um seinen Aufstieg, in dem Glück und Machtbewusstsein, Wissen und Intrigen wichtige Qualitäten sind.
Hilary Mantel ist eine Meisterin der Charakterisierung - sie weiß wie sie die historischen Personen zeichnen soll um sie vom allgemein bekannten Bild, das wir von ihnen haben, abzuheben und sie zu etwas besonderem zu machen.
So viel mag ich gar nicht mehr zu diesem herausragenden Werk sagen außer dass es jeder lesen sollte, der sich für die Tudorzeit interessiert und für den historischen Roman mit Mehrwert.

Meine Ausgabe:
Verlag: Fourth Estate
Erscheinungsjahr: 2009
Deutsche Erstausgabe "Wölfe": 2010 (Dumont)
Seiten: 652
ISBN: 9780007351459

Mittwoch, 8. Januar 2014

"Dreikönigsmord" von Bea Rauenthal (= Kommissare auf Zeitreise, Bd.1)

Wie lange hab ich auf so ein Buch gewartet? Ich kann es gar nicht beschreiben wie sehr mich hier die Vorankündigung interessiert hat: ein Krimi sollte es sein, bei dem ein Mord von zwei gegenwärtig lebenden Kommissaren in der Vergangenheit aufgeklärt werden würde. Das klang für mich nach einem tollen anachronistischen Leseerlebnis und ich kann schon mal vorweg sagen - ich wurde nicht enttäuscht.
Zunächst mal zur Rahmensituation: die beiden Kommissare Jo Weber (weiblich, 36) und Lutz Jäger (34) sind Kollegen mit sehr unterschiedlichem Naturell - sie ist die überkorrekte Beamtin und kinderlose Karrierepolizistin, die natürlich (vor allem was ihr Privatleben betrifft) auch eine verletzbare Seite hat, die sie aber tunlichst zu unterdrücken versucht und er ist der wilde und unkonventionelle Abenteuer-Polizist, der genau diese Komponente an seinem Beruf so mag, er trägt eine verwegene Gesichtsbehaarung, ansonsten kocht und er gerne (im Gegensatz zu seiner Kollegin) und mag wie fast jeder Mann Fußball. So weit also das Persönlichkeitsprofil der beiden Polizeibeamten, die im beschaulichen Städtchen Ebersbach ihren Dienst verrichten. 
Eines Tages zu Beginn der Adventszeit werden Jo und Lutz zum nahegelegen Kloster gerufen, um einen Leichenfund zu begutachten. So weit so alltäglich - wäre da nicht eine mumifizierte Leiche vorhanden, die laut der sympathischen Gerichtsmedizinerin Yun-Si Mittermeier bereits mehrere hundert Jahre tot sein muss. Kein Fall also für die beiden Kommissare - denken sie, denn bei der Heimfahrt erleiden sie nach einem kurzen Disput einen Unfall, der sie geradewegs in die Zeit katapultiert, in der der Mord geschehen ist: 1380.
Dort finden sich die beiden wieder als Josepha Weber, eine verwitwete Tuchhänderin und als Lutz Jäger, der zweifelhaft beleumundete Kneipenwirt der "Grünen Traube". Schnell finden die beiden heraus dass sie besser mit- als gegeneinander arbeiten in dieser fremden Zeit. Sie lernen die alte, aber sehr toughe Äbtissin des Klosters kennen, die sie über den Toten informiert und ihnen klarmacht dass sie erst wieder in ihre eigene Gegenwart reisen dürfen, wenn sie das Verbrechen aufgeklärt haben.
Bea Rauenthal schafft es mit diesem anchronistischen Zeitreisekrimi, der er erste in einer Trilogie ist, dass man komplett das Gefühl hat mit Lutz und Jo ins Mittelalter einzutauchen. Der übersichtliche Ort wird topografisch eindrücklich erzählt, es wird viel Wert auf Detailreichtum und Atmosphäre gelegt. Die Charaktere werden absolut lebendig charakterisiert, sowohl Protagonisten als auch alle anderen Figuren sind anschaulich dargestellt. Die Geschichte ist so unterhaltsam, teilweise ironisch und natürlich auch spannend, dass man rundherum alles vergisst. Die Anzahl der Verdächtigen ist genau richtig, der Leser wird wie die beiden Kommissare auf verschiedene Fährten geführt und letztlich vom Ausgang auch überrascht.
Alles in allem ist dies wirklich ein überaus gelungener Auftrakt einer tollen Krimireihe, deren zweiter Teil bereits in wenigen Tagen erscheint.

Meine Ausgabe:
Verlag: List
Seiten: 348
Erscheinungsjahr: 2013
ISBN: 9783548611808

Donnerstag, 2. Januar 2014

"Naschmarkt" von Anna Koschka


Vor rund einem Jahr hat dieses Buch ziemliche Wellen unter Chick-lit-Leserinnen geschlagen und nun schon mit dem zweiten Teil der Reihe, "Mohnschnecke", eine Fortsetzung gefunden. Da ich gelesen habe dass das Buch in Wien spielen sollte und von einer Literaturverrückten Singledame handeln sollte habe ich selbiges meiner Mutter geschenkt (nicht ganz uneigennützig) und es mir von ihr vor kurzem ausgeliehen.
Da der Roman sehr gehyped wurde habe ich natürlich auch viel erwartet - aber wie so oft wird man bei Bestsellern enttäuscht weil Realität bzw. eigenes Empfinden und hohe Erwartung selten Hand in Hand gehen.
Aber zum Inhalt: Dotty (Dorothy) Wilceck (gerade 30 geworden) ist eine Wiener Literaturredakteurin, die beim "Österreichboten" Rezensionen aktueller Bücher schreibt - ein "larger than life"-Traumjob für alle die gerne und viel lesen und ihre Meinung zum Gelesenen kundtun. Ihre englische Mutter führt einen Laden names "Pies & Pages" in dem sie Literaturkränzchen mit Tea & Scones organisiert. Ja,  das wäre für jede Jane-Austen-vergötternde Literaturstudentin das Himmelssetting auf Erden, wenn da nicht - zunächst - die Abwesenheit eines "Mr. Darcy" zu kristieren wäre: Dotti ist nämlich Single und zwar aus absoluter Überzeugung! Warum sollte man sich in zu enge Klamotten quetschen um blöde Männer, die noch nie ein Buch gelesen haben zu beeindrucken wenn man doch in bequemen Klamotten mit dem Kater auf der Couch kuscheln kann und - genau - lesen. Dotti ist also jemand, der ganz und gar keinen Mann sucht und keine Beziehungslücke in ihrem Leben finden kann: sie hat einen Haufen Freundinnen, einen Traumjob, eine tolle Wohnung, eine liebe Katze und gaaanz viele Bücher. Nur blöd wenn man von seinem Chef plötzlich aufgebrummt bekommt einen Blog zu führen zum Thema Dating & Co - aus der Sicht eines selbsternannten Mauerblümchens...
So schreibt sie nun ihre Blogtexte, die auch der Leser des Buches präsentiert bekommt und zwischendurch lernt sie reale - oder zumindest digital existierende Männer wie "djfleming" kennen, die auf ihren Blog und die Frau dahinter unterschiedlich reagieren.
Die Autorin spielt mit dem Potential neuer Medien und ihrem Einfluss auf die Partenersuche- und -findung, vor allem Twitter hat es ihr angetan. Das mag ja recht nett sein von der Erzähltechnik und inhaltichen Auseinandersetzung, aber ein guter Frauenroman steht und fällt mit seiner Protagonistin, die mir leider bis zum Schluss alles andere als sympathisch ist. Ihre leichte Neigung zu Besserwisserei gepaart mit Sturheit wird auch durch die wenigen sympathischen Unzulänglichkeitsmomente nicht gerettet und hinterlässt einen faden Beigeschmack. Aber wahrscheinlich bin ich auch einfach nur komisch bzw. habe es nicht verstanden, welchen Charme und Esprit die liebe Dotti, mit der sich so viele identifizieren können, versprüht.
Auch die Geschichte an sich ist gut gemeint, ganz gut geschrieben (also vom Sprachlichen her) und mit der Idee einer literarischen Schnitzeljagd eigentlich mit einem interessanten Plot-Katalysator gesegnet - leider hat sie mich nicht mitreißen können. Ich hatte beim Lesen das Gefühl dass sich die Autorin nicht entscheiden konnte ob sie nun eine sozialkritische Abhandlung über das Singledasein schreiben möchte mit einer Protagonistin, die Sprachrohr dieser Haltung ist, die alle "Weibchen" verarchtet, die sich nach einer Beziehung sehnen oder einen Schlaraffenland-Wohlfühlroman für "Bücherfrauen" bei dem die Literaturredakteurin dann doch ins obligatorische Happy End mit dem ihr die Welt zu Füßen legenden Mr. Right erlebt.
Eigentlich schade, schade, schade dass ich hier nicht vollständig mitgehen konnte - schließlich ist doch eigentlich alles ganz nach meinem Geschmack. Auch ich bin nur eine Bücherfrau, die den ganzen Tag im "Pies&Pages" hocken, Scones futtern und über - und mit - Oscar Wilde philosophieren möchte, aber leider leider fühle ich dabei den Drang "Naschmarkt" ohne Wehmut zurück ins Regal zu stellen...

Meine Ausgabe:
Verlag: Knaur
Erscheinungsjahr: 2012
Seiten: 448
ISBN: 3426511207