Ich muss sagen, diese "wie kann ich selbst durch mein Verhalten die Welt verbessern Bücher" haben es mir ein wenig angetan. Irgendwie lese ich gerne etwas über urbane Großstädter die versuchen ihren ökologischen Fußabdruck möglichst gering zu halten - und lerne daraus auch immer etwas für mich selbst. "Alles Öko!", das Sachbuch eines Amerikaners, der ein Jahr lang mit so wenig negativen Auswirkungen auf die Umwelt wie möglich leben wollte, habe ich bereits hier kurz vorgestellt. Die Tatsache dass es ein Sachbuch ist hat mich aber davon abgehalten sehr ausführlich darüber zu reden bzw. es eingehend zu rezensieren. Auch im Falle von "Fast nackt" von Leo Hickman soll der folgende Bericht eher ein Lesetipp sein, denn ich werde jetzt nicht nacherzählen oder analysieren was der Autor und seine Familie alles gemacht haben um ihre Ökobilanz zu verbessern. Nur soviel: es geht um das Experiment eines Journalisten aus London, der zusammen mit seiner jungen Familie (Frau und Baby/Kleinkind) umweltbewusster bzw. allgemein "ethischer" leben wollte - natürlich auch mit der Intention darüber journalistisch zu berichten. In dieser Konstellation (junge Familie mit Kleinkind, Journalisten/Autoren, Großstadt) unterscheidet sich das Buch kaum von "Alles Öko!", nur der Ort des Geschehens (New York, in diesem Buch: London) ist anders. Auch der Aufbau des Buches ist ähnlich: erstmal die Bilanz des bisherigen Lebens und der eigenen Ökobilanz (bei Beavan ging es noch etwas mehr um die eigene Co2-Bilanz) und dann der Versuch nach und nach das eigene Leben in allen Bereichen ökologischer zu gestalten - wobei Hickman noch mehr mit den Mitteln ironische Distanz und Humor arbeitet. Da müssen liebgewonnene Gewohnheiten aufgegeben werden und es kommt auch hin und wieder zu Konflikten mit der Partnerin. Außenstehende (bei Hickman: "Experten") kommen ins Spiel, um das Experiment mit ihren Erfahrungen und ihrem Input zu unterstützen - umgesetzt werden muss es aber ganz alleine, das heißt dass man vom Apotheker des Vertrauens höchstpersönlich schräg angeguckt wird weil man größere Mengen Waschsoda bestellen will, die Putzfrau zu kündigen droht weil ihr der glatzköpfige Reinigungsfreund weggenommen wird und der bequeme Einkauf im Supermarkt zum komplizierten Spießrutenlauf wird wenn man versucht möglichst bio, regional und ohne Plastik oder schädliche Inhaltsstoffe zu kaufen. Witzig ist, wie Hickman versucht alles richtig zu machen und dabei doch Federn lassen (ich sage nur: Rattenplage) bzw. seine hehren Ideale in manchen Punkten fahren lassen muss - einfach weil er auf gewisse Dinge wie Fernsehen oder schulmedizininische Medikamente nicht verzichten kann und will. In anderen Lebensbereichen wird die zunächst umständliche Umstellung aber nach und nach selbstverständlich bis zu einem Punkt hin wo man gar nicht mehr weiß warum man es eigentlich längst nicht schon so hätte machen können.
Das Projekt ist bereits von 2005 und deshalb wird zwar schon die Überfütterung mit technischen Geräten thematisiert, ganz aktuelle Dinge wie ökologische Apps und gewisse Websiten bzw. aktuelle Neuerungen, die einen bei der nachhaltigen Lebensweise unterstützen kommen noch nicht vor. Das ist aber nicht so schlimm, denn als Momentaufnahme ist das Buch durchaus lesenswert und viele der Tipps, die darin enthalten sind, sind sowieso zeitlos und auf jede Situation übertragbar.
In jedem Fall auch ein unterhaltsamer Versuch ethischer und ökologisch korrekter zu leben.
Dieses Buch habe ich als Bookcrossing-Buch gelesen (vielen Dank an die "Zur-Verfügung-Stellerin") und ich gebe es jetzt - total nachhaltig und ökologisch ;-) - an die nächste Leserin weiter.
Meine Ausgabe:
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2008
Seiten: 320
Originaltitel: Life Stipped Bare: My Year Trying to Live Ethically (2006)
ISBN: 978-3492250221