Obwohl sich die beiden Kommissare Jo Weber und Lutz Jäger eigentlich nach
ihrer ersten Zeitreise (ins Mittelalter) im Vorgängerband "Dreikönigsmord" von dem Ereignis erholen, es
verarbeiten und sich mit Polizeipsychologen herumschlagen müssten, die
ihre Zurechnungsfähigkeit anzweifeln, hadert das Schicksal nicht lange
mit ihnen und prompt landen sie wieder gemeinsam in einer längst
vergangenen Zeit. Diesesmal ist die Zeit allerdings "nur" ein wenig mehr
als 100 Jahre her - sie finden sich im Preußen des 19. Jahrhunderts
wieder, nach der Ära Bismarck, während des deutschen Kaiserreichs.
Während Jo plötzlich ihre eigene Urahnin ist, die bei ihrer adeligen
Großmutter und ihrem seltsamen Onkel lebt und an der äußerst kurzen
Leine gehalten wird, muss Lutz sich mit den reaktionären Denkweisen und
Ermittlungsverfahren der Polizei des 19. Jahrhunderts herumschlagen.
Dass die Leiche, die sie in ihrer eigenen Gegenwart des Jahres 2013
gefunden haben das Opfer eines Serienmörders ist wird für die beiden
neuzeitlich ausgebildeten Beamten schnell klar. Mit Hilfe eines damals
fortschrittlichen Psychologen, der bei dem noch unbekannten Wiener
Sigmund Freud studiert hat, soll das psychologische Profil des Täters
aufgedeckt und so seine Identität ermittelt werden. So leicht so
wunderbar, wäre da nicht die Gefahr dass Jo selbst ein potentielles
Opfer des gestörten Täters werden könnte...
Ich muss sagen dieser zweite Band der Reihe um die
"Zeitreise-Kommissare" hat mir genauso viel Spaß gemacht wie der erste
Teil. Die Idee der zeitreisenden Ermittler trägt auch diesen Band und
das biedermeierlich-wilhelminische Setting ist perfekt geeignet um einen
Fall drumherum zu bauen. Auch die Verdächtigenanzahl ist ähnlich
überschaubar und man kann das Geschehen als Leser immer perfekt
überblicken. Dass hier mit so unterschiedlichen Milieus gespielt wird
wie dem geadelten Bürgertum, der Arbeiterschaft zu Beginn der
Industrialisierung und der akademischen Intelligenz, die sich gegen das
reaktionäre Gegdankengut ihrer Zeit durchsetzen will ist äußerst
interessant. Auch der Gedanke dass Lutz und Jo auf Personen treffen, die
sie reinkarniert wähnen und aus ihrer Zeit im Mittelalter vermeintich
kennen ist gut und gibt dem großen Ganzen einen kontinuierlichen
Zusammenhang. Auch die ständige Spannung und Interaktion zwischen den
beiden Protagonisten finde ich sehr prickelnd. Wie sich der Fall
entwickelt war ziemlich überraschend und zeitweise auch erschreckend
(ich sag nur: Sanatorium).
Weil ich den ersten Band dennoch von der Atmosphäre etwas authentischer
und in sich stimmiger fand - vielleicht auch weil die Situation neu -
war, gebe ich 4 statt 5 Sterne.
Vielen Dank an vorablesen.de und den Ullstein Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Ausgabe:
Verlag: Ullstein
Seiten: 352
ISBN: 9783548611839
Erscheinungsjahr: 2014