Das frühneuzeitliche Europa des Jahres 1618 in dem der Roman
„Das Sündenbuch“ spielt war eine Zeit der Umbrüche. Dank der Reformation haben
sich einige Länder bereits vom „alten“ Glauben abgenabelt, in anderen schwelten
die Konflikte. Prag ist auch so eine vom Glauben „entzweite“ Stadt gewesen. In
dieser Stadt lebt die junge Jana, die – ungewöhnlich für diese Zeit – in der
Apotheke ihres Onkels Karel eine Ausbildung machen darf. Dass der Konflikt
zwischen Katholiken und Protestanten zu einem vorläufigen Höhepunkt (mit dem
Prager Fenstersturz im Mai 1618 als Auslöser des darauffolgenden
Dreißigjährigen Krieges) gelangt ist wird im Buch deutlich. Der
Religionskonflikt ist immer präsente Hintergrundhandlung, vor der sich das
Schicksal Janas abspielt. Sie ist Protestantin, ihre Tante und zukünftige
Schwiegermutter (sie soll ihren Sohn Tomek heiraten-was Jana überhaupt nicht behagt)
Radomila setzt aber auf die Kaufkraft der katholischen Bevölkerung um die
Apotheke wirtschaftlich über Wasser zu halten. Alle in der Handlung
vorkommenden Figuren werden sofort mit dem Etikett „Katholik“ oder „Protestant“
versehen, erst nach und nach kommt ihr wahrer Charakter jenseits der Konfession
zum Vorschein.
Während Jana in Prag ist lehrt ihr Vater Marek in Heidelberg
an der Universität. Der Wissenschaftler bekommt von einem betrunkenen Seefahrer
ein wertvolles Manuskript und ein dazugehöriges Amulett verkauft, welches
angeblich mit einem Fluch belastet sein soll. Der Seefahrer stirbt und Marek
studiert das Buch, will mehr erfahren und andere Wissenschaftler darüber in
Kenntnis setzen. Auch Marek fällt dem „Fluch“ zum Opfer während das Buch und
das Amulett auf dem Weg zu Jana nach Prag sind. Doch was soll eine junge Frau
mit einem verklausulierten alten Buch anfangen, dessen Sprache und Information sie
nicht versteht. Da kommt ihr der Arzt Doktor Conrad Pfeiffer aus Wien gerade
recht: er soll ihr helfen zu entschlüsseln was es mit dem Buch auf sich hat…
Die weitere Handlung des Romans erinnert an ein Roadmovie in
Buchform. Jana und Pfeiffer brechen zu einer abenteuerlichen Reise durch
Tschechien, Deutschland, Spanien und Frankreich zu den Klöstern nach Dijon und
Bordeaux auf, wo die beiden anderen Teile des Manuskripts angeblich aufbewahrt
werden. Natürlich darf auch eine katholische Geheimgesellschaft nicht fehlen,
die Jana und Pfeiffer das Leben schwer macht. Und zu allem Überfluss verfolgt
sie auch noch Tomek mit seinem Freund, dem Jesuitenmönch Jendrik. Tomek will
zurück was vermeintlich ihm gehört: seine Verlobte.
In dem Roman geht es im Wesentlichen um das Konfliktfeld Wissenschaft
vs. Religion und das absolute Streitverhältnis in dem diese beiden
Welterklärungsmodelle zur Zeit der frühen Neuzeit noch standen. Entweder man
war gläubig oder dem – nach Ansicht der (katholischen) Kirche – Irrglauben Wissenschaft
verfallen. Gott durch andere Erklärungsmuster infrage zustellen galt als Sünde und
deswegen der Titel „Das Sündenbuch“. Nebenbei werden noch andere gesellschaftliche
Themen wie Homosexualität, die Emanzipation der Frau, medizinische Versorgung
etc. verarbeitet. Alles vor dem Hintergund dieser interessanten Umbruchszeit.
Beate Maly ist ein spannender historischer
Wissenschaftsroman (Krimi oder Thriller wäre trotz einiger Toter doch
wahrscheinlich die falsche Genrebezeichnung) gelungen, der vielleicht zum
Schluss etwas zu theatralisch wird und
dabei ein gewissermaßen offenes Ende hat. Der Weg ist in diesem Roman das Ziel,
eine Botschaft die ja auch zum Thema der immerwährenden Suche nach Erkenntnis
passt.
Vielen herzlichen Dank an vorablesen und Ullstein für das Rezensionsexemplar.
Hier geht es zur Homepage der Autorin.
Meine Ausgabe:
Verlag: Ullstein
Erscheinungsjahr: 2012
Seiten: 480
ISBN: 978-3-548-28464-4