Ich freue mich sehr dass es dieses Buch auf die Longlist des ManBooker Prize 2012 geschafft hat. Ob es auf die Shortlist kommt oder sogar
gewinnt? Ich hoffe es, denn es ist ein hochliterarisches Paradebeispiel für den
Facettenreichtum und die unterschwellige Seriosität des britischen Humors, der
sich hier auf 285 Seiten Bahn bricht.
„Willkommen auf Skios“ ist ein Universitätsroman – und das
ohne an einer Universität zu spielen. Er ist es in dem Sinne, indem er den
Wissenschaftsbetrieb mit seiner eigenen Welt aus Forschungsaufenthalten und
Vortragsreisen, Allüren und Affären persifliert so wie David Lodge es mit
„Changing Places“ getan hat – nur eben anders. Die vermeintliche Wichtigkeit
eines Forschungsgebietes (in diesem Fall: Szientometrie, die Wissenschaft über
die Wissenschaft – allein das ist schon eine ironische Tautologie!) wird auf
die Schippe genommen ebenso wie alle Leute, die sich vom Glauben an herausgeputzte
schöne Orte am „Geburtsort“ der menschlichen Kultur, die der Vermittlung von
Wissen geweiht sind blenden lassen.
Das Ironische am Ganzen ist ohne Zweifel die Tatsache, dass
sich die Fred-Toppler-Stiftung der hehren Zivilisation geweiht hat, ihre Mitglieder
und Gäste aber einen Ausbund an Chaos repräsentieren. Nikki Hook, der Assistentin
der verwitweten Stiftungsgründerin gelingt es bei aller weißblusigen
Perfektheit und trotz aller logistisch-organisatorischer Bemühungen mit
Direktionsambitionen nicht, Ordnung in das Chaos zu bringen – stattdessen wird
sie vom Chaos wie eine Marionette bespielt ab dem Moment in dem sie den
charmanten und zwielichtigen Oliver Fox in der Rolle des Dr. Norman Wilfred
akzeptiert.
Das Chaos herrscht aber auch im Untergrund: Mrs. Fred
Toppler, die früher mal Showtänzerin war, macht es sich mit griechischen
monströsen Männern gemütlich während ihre Assistentin aufgrund des „Fred
Toppler Vortrags“ im Dreieck springt. Und der eigentliche Direktor der Stiftung,
Christian, ist schon längst zum Eremiten geworden der in eigenen Sphären
schwebt und sich nur noch sporadisch über die Vorgänge in seiner Institution
von seinem persönlichen Assistenten Eric Felt unterrichten lässt. Sehr köstlich
finde ich diesen „Scheindirektor“ und seinen Assistenten, sozusagen die „Mr.
Burns und Smithers“ der Toppler-Stiftung, die die heimliche Herrschaft von
Nikki Hook torpedieren wollen.
Dass das Fleisch schwächer ist als alle kulturellen und wissenschaftlichen
Bemühungen wird uns auch noch aufs Butterbrot geschmiert, denn die menschlichen
Bedürfnisse nach Nähe (Wilfred und Georgie) und einer Dusche sowie Nahrung
treten in den Vordergrund wenn es hart auf hart kommt – und das kommt es in
dieser Satire nur allzu oft!
Das große Thema des Romans ist Identitätsverwirrung,
Zeichenhaftigkeit und die Tatsache, wie leicht wir einfältigen Menschen uns vom
Aussehen, Statussymbolen (wie z. B. einem Klemmbrett, das auf Autorität
verweist) und anderen Dingen täuschen lassen. Ist etwas wie es scheint, so
nehmen wir es dankbar hin ohne es zu hinterfragen, so könnte die Grundthese des
Buches lauten. Dass dies alles natürlich in diesem Fall humorvoll verarbeitet und
präsentiert wird ist schön, denn wer will schon ohne Augenzwinkern erfahren wie
leicht man sich von roten Kofferanhängern blenden und von griechischen
Taxifahrern ins Nirvana fahren lässt.
In diesem Sinne: „Phoksoliva!“ ;-)
PS: Vielen herzlichen Dank an vorablesen.de für das
Rezensionsexemplar und dem Carl Hanser Verlag für die Bereitstellung desselben.
Meine Ausgabe:
Erstausgabe: 2012
Seiten: 288
Seiten: 288