Sonntag, 29. Juli 2012

"Willkommen auf Skios" von Michael Frayn


 
Ich freue mich sehr dass es dieses Buch auf die Longlist des ManBooker Prize 2012 geschafft hat. Ob es auf die Shortlist kommt oder sogar gewinnt? Ich hoffe es, denn es ist ein hochliterarisches Paradebeispiel für den Facettenreichtum und die unterschwellige Seriosität des britischen Humors, der sich hier auf 285 Seiten Bahn bricht.

„Willkommen auf Skios“ ist ein Universitätsroman – und das ohne an einer Universität zu spielen. Er ist es in dem Sinne, indem er den Wissenschaftsbetrieb mit seiner eigenen Welt aus Forschungsaufenthalten und Vortragsreisen, Allüren und Affären persifliert so wie David Lodge es mit „Changing Places“ getan hat – nur eben anders. Die vermeintliche Wichtigkeit eines Forschungsgebietes (in diesem Fall: Szientometrie, die Wissenschaft über die Wissenschaft – allein das ist schon eine ironische Tautologie!) wird auf die Schippe genommen ebenso wie alle Leute, die sich vom Glauben an herausgeputzte schöne Orte am „Geburtsort“ der menschlichen Kultur, die der Vermittlung von Wissen geweiht sind blenden lassen.
Das Ironische am Ganzen ist ohne Zweifel die Tatsache, dass sich die Fred-Toppler-Stiftung der hehren Zivilisation geweiht hat, ihre Mitglieder und Gäste aber einen Ausbund an Chaos repräsentieren. Nikki Hook, der Assistentin der verwitweten Stiftungsgründerin gelingt es bei aller weißblusigen Perfektheit und trotz aller logistisch-organisatorischer Bemühungen mit Direktionsambitionen nicht, Ordnung in das Chaos zu bringen – stattdessen wird sie vom Chaos wie eine Marionette bespielt ab dem Moment in dem sie den charmanten und zwielichtigen Oliver Fox in der Rolle des Dr. Norman Wilfred akzeptiert.

Das Chaos herrscht aber auch im Untergrund: Mrs. Fred Toppler, die früher mal Showtänzerin war, macht es sich mit griechischen monströsen Männern gemütlich während ihre Assistentin aufgrund des „Fred Toppler Vortrags“ im Dreieck springt. Und der eigentliche Direktor der Stiftung, Christian, ist schon längst zum Eremiten geworden der in eigenen Sphären schwebt und sich nur noch sporadisch über die Vorgänge in seiner Institution von seinem persönlichen Assistenten Eric Felt unterrichten lässt. Sehr köstlich finde ich diesen „Scheindirektor“ und seinen Assistenten, sozusagen die „Mr. Burns und Smithers“ der Toppler-Stiftung, die die heimliche Herrschaft von Nikki Hook torpedieren wollen.

Dass das Fleisch schwächer ist als alle kulturellen und wissenschaftlichen Bemühungen wird uns auch noch aufs Butterbrot geschmiert, denn die menschlichen Bedürfnisse nach Nähe (Wilfred und Georgie) und einer Dusche sowie Nahrung treten in den Vordergrund wenn es hart auf hart kommt – und das kommt es in dieser Satire nur allzu oft!

Das große Thema des Romans ist Identitätsverwirrung, Zeichenhaftigkeit und die Tatsache, wie leicht wir einfältigen Menschen uns vom Aussehen, Statussymbolen (wie z. B. einem Klemmbrett, das auf Autorität verweist) und anderen Dingen täuschen lassen. Ist etwas wie es scheint, so nehmen wir es dankbar hin ohne es zu hinterfragen, so könnte die Grundthese des Buches lauten. Dass dies alles natürlich in diesem Fall humorvoll verarbeitet und präsentiert wird ist schön, denn wer will schon ohne Augenzwinkern erfahren wie leicht man sich von roten Kofferanhängern blenden und von griechischen Taxifahrern ins Nirvana fahren lässt.

In diesem Sinne: „Phoksoliva!“ ;-)
 
PS: Vielen herzlichen Dank an vorablesen.de für das Rezensionsexemplar und dem Carl Hanser Verlag für die Bereitstellung desselben.

Meine Ausgabe:
Originaltitel: Skios
Verlag: Carl Hanser Verlag
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2012
Erstausgabe: 2012
Seiten: 288

Freitag, 27. Juli 2012

Buchpräsentation von Angelika Schwarzhubers Roman "Liebeschmarrn und Erdbeerblues" auf der Donau


 
Gestern durfte ich bei einem ganz besonderen Buch-Event dabei sein: der exklusiven Präsentation von Angelika Schwarzhubers „Regio Chick lit“ Roman „Liebesschmarrn und Erdbeerblues“ auf dem Donauschiff MS „Sissi“. Meine Mutter, die in Niederbayern lebt, hatte das Glück Karten für diese Veranstaltung des Münchner Blanvalet-Verlags zu gewinnen und mich als Begleitperson mitgenommen.


Ich kann nur sagen: es war toll!
Die Autorin Angelika Schwarzhuber ist eine sehr sympathische Persönlichkeit, die sich für alle Fragen, Signaturwünsche und Fotoanfragen Zeit genommen hat. Bei der Lesung aus ihrem Buch habe ich herzhaft lachen müssen, unter anderem weil viele Klischees über das vor allem in Regionalkrimis und modernen Heimatfilmen aufgebaute Bild vom „zurückgebliebenen, düsteren“ Niederbayern in der Passage, die die Autorin gelesen hat, vorgestellt und zurückgewiesen wurden. Da ich in Niederbayern aufgewachsen bin konnte ich sofort einen Draht zu der Geschichte und ihrer Topographie aufbauen. Ich freue mich sehr auf die Lektüre des Romans, von dem ich mir natürlich auch ein Exemplar habe signieren lassen.


Danke Angelika Schwarzhuber, dem Blanvalet Verlag, dem Team der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft  (habe ich das Wort auch mal angewendet) Wurm & Köck und natürlich meiner Mama für den schönen Abend!

Nähere Infos zum Buch unter: www.erdbeerblues.de, meine Rezension folgt bald.

Samstag, 21. Juli 2012

Die GEheimnisse des Bucherwerbs. Heute: Geschenkt (bekommen), Gewonnen, Getauscht, Gekauft



Fangen wir mit der Schenkung an. Als nachträgliches Geburtstagsgeschenk erreichte mich letzte Woche ein Buch, das mir eine gute Freundin überreicht hat: „Why Love Hurts“ von Eva Illouz. Das Buch ist auch auf Deutsch übersetzt worden unter dem Titel „Warum Liebe weh tut“. Meine Freundin hatte es bereits vor einiger Zeit auf Deutsch gelesen und mir davon vorgeschwärmt. Es handelt sich bei dem Buch um ein Sachbuch, eine „soziologische Erklärung“ (wie der deutsche Untertitel lautet) zum Thema Liebe und warum sie eben immer irgendwie mit Leiden verbunden ist.Das Buch hat denke ich in Hinblick auf den Hype rund um „Shades of Gray“ eine neue Aktualität bekommen. Ich bin schon auf die Lektüre gespannt. 


Gewonnen! Ich rechne mal alle Bücher unter „Gewinne“, die ich von Leseplattformen als Rezensionsexemplare erhalte. In diesem Fall habe ich die Shakespeare-Komödie „The Taming of the Shrew“ über die Facebook-Seite des New Cambridge Shakespeare gewonnen, weil ich als erste Person eine Frage beantwortet habe. Dass der Verlag es mir extra aus England zugeschickt hat und über den Gewinn an sich habe ich mich sehr gefreut. Wie schon gesagt liebe ich Shakespeare und genau dieses Drama habe ich zufälliger Weise noch nicht gelesen oder im Theater gesehen. Ich kannte aber natürlich die Geschichte rund um die etwas „zickige“ Katharina, die verheiratet werden muss, damit ihre Schwester Bianca heiraten darf. Bin gespannt ob ich wieder reinkomme in das Renaissance-Englisch.

Bei Tauschticket habe ich mir „A Secret Alchemy“ von Emma Darwin „ertauscht“. Das Buch gibt es soweit ich weiß nicht auf Deutsch. Es geht um die Zeit der Rosenkriege, rund um den Machtantritt von Richard III. und das mysteriöse Verschwinden seiner beiden Neffen, der „Prinzen im Tower“. Hierzu werde ich wahrscheinlich eine Rezension schreiben, wenn ich es gelesen habe.


 Zuletzt noch das Gekaufte, zur Abwechslung mal etwas auf Deutsch. Naja, eigentlich ist es zu einem großen Teil ein Geschenk, ich hatte nämlich noch einen Hugendubel-Gutschein von meinem Geburtstag. Ihr seht schon, es ist die allseits bekannte „Rubinrot“-Trilogie von Kerstin Gier, zu der man ja eigentlich nichts mehr sagen muss. Eine Jugendbuch-Reihe von der ich mir viele unterhaltsame Stunden verspreche. Gibt es seit neuestem im dreibändigen Schuber, da hab ich mal zugeschlagen. So, das wären dann erst einmal die Bucherwerbungen der letzten Zeit! 

Macht’s gut, noch ein schönes Wochenende, Eure Vicky

Dienstag, 17. Juli 2012

Liebster Blog Award

Wow, ich bin ganz gerührt und entzückt! Von Naburas Bücherwelten habe ich eben diesen tollen Award verliehen bekommen (mein Erster). Vielen herzlichen Dank Nabura!

Eine super Idee steckt dahinter: durch die Verleihung des Awards sollen Blogs mit weniger als 200 Lesern bekannter werden. Dafür teilt man den Award auf seinem Blog und gibt ihn dann an 5 andere Blogs weiter.

Ich habe mich für folgende Blogs entschieden:







"Ich, Adrian Mayfield" von Floortje Zwigtman




Ich stelle euch heute das Buch „Ich, Adrian Mayfield“ der niederländischen Autorin Floortje Zwingtman von 2005 vor. Zusammen mit den beiden Nachfolgern „Adrian Mayfield – Versuch einer Liebe“ (2009) und dem im letzten Jahr erschienen dritten Band „Adrian Mayfield – Auf Leben und Tod“ bildet es eine mittlerweile abgeschlossene Trilogie.

Es ist ein tolles Buch, soviel vorweg. Ich habe es geradezu verschlungen und habe wirklich gedacht ich wandere mit dem guten Adrian durch das Londoner „Fin de siècle“ um 1900. In jedem Fall vom Schmöker- und Interessenfaktor eines meines Jahreshighlights, so viel steht schon fest.

Zum Inhalt:

Der sechzehnjährige Adrian Mayfield ist der Sohn eines gescheiterten Schauspielers, der es durch Glück zum Besitzer einer Schankstube gebracht hat. Nachdem Adrian, seine Schwester Mary Ann und der Angestellte „Gloria“ den Laden eine längere Zeit allein geschmissen haben, verliert ihn der an Alkohol- und Spielproblemen leidende Vater durch seine Misswirtschaft. Adrian kommt als Ladendiener bei einem Herrenschneider namens Procopius unter, wo er den exzentrischen Maler Augustus („Gussy“) Trops kennenlernt. Adrian verliert seine Anstellung durch eine unbedachte Äußerung und kommt zunächst bei dem Dandy Trops unter. Da ihm langsam bewusst wird dass er sexuell gesehen dem eigenen Geschlecht zugeneigt ist, beginnt er mit Trops eine Affäre von der beide profitieren: Adrian bekommt Obdach und Nahrung, während Trops sich sowohl als Maler als auch als Mann an dem schönen jungen Mann labt. Durch Trops wird Adrian in die Welt der exzentrischen Londoner Intellektuellen eingeführt, die sich als Erkennungszeichen die in der Natur so nicht vorkommende „green carnation“ (= grüne Nelke) ausgedacht haben. Hier vermischt sich die Fiktion des Buches mit der Welt des „Fin de siècle“ und ihren Angehörigen, die zum Teil tatsächlich existiert und die Epoche geprägt haben; allen voran der Dichter Oscar Wilde und sein schöner Geliebter „Bosie“ (Lord Alfred Douglas, der mit seinem Vater, dem Marquess of Queensberry auf Kriegsfuß stand), der Zeichner Aubrey Beardsley und vielen anderen mehr.
Adrian fängt an bei dem aus einer reichen Versicherungsfamilie stammenden Maler Vincent Farley Modell zu sitzen, der ihn allerdings nicht als Lustobjekt betrachtet. Doch als die Saison der Neige zugeht und alle reichen Londoner über den Sommer ins Ausland fliehen muss Adrian anderweitig versuchen sein Geld zu verdienen…
Bei dem Eintauchen in die neue Welt wird ihm nach und nach bewusst dass es vor allem eins ist, das ihm nach wie vor fehlt: die Liebe.

Einfach köstlich und lebensecht wie Floortje Zwingtman den jungen Adrian aus der Ich-Perspektive heraus charakterisiert. Die Londoner Cockney-Art von Adrian bringt das Buch in die Nähe des Schelmenromans, obwohl die gesamte Triologie doch eigentlich noch mehr in die klassische Tradition des Bildungsromans zu verorten ist: ein junger Mann entwickelt sich zum Erwachsenen indem ihm allerlei Erlebnisse begegnen, die ihn zu dem machen, was er wird.

Vom Sujet her bekommt man einen ganz besonderen Einblick in die Welt der nachviktorianischen Ära, deren Gesellschaft der Bohème eine war, die es nie zuvor gab und die es wohl in dieser Ausprägung nicht mehr geben wird. Die Künstler (als Portraitmaler oder Schauspieler) sind einerseits gefeierte Stars, andererseits doch Außenseiter (vor allem wenn sie dekadente Sujets malten oder Gedichte schrieben, die diese Themen aufgriffen). Hinzu kommt natürlich die homosexuelle Subkultur, die durch die bestehenden Gesetze und gesellschaftlichen Anfeindungen kriminalisiert wurde und im Untergrund existieren musste. Dem spießbürgerlichen Milieu wurde außerdem die Maske abgezogen, die es sich in der viktorianischen Zeit aufgesetzt hatte.

Schön finde ich dass sich dieses Buch auch an Jugendliche wendet, die zum Lesezeitpunkt im Alter des Protagonisten sind. In diesem Zusammenhang ist es wundervoll, wie unverkrampft Zwingtman mit dem Thema Homosexualität umgeht. Es ist gut dass sie in ihrem Buch bewusstmacht dass die „love that dare not speak its name“ (aus dem Gedicht „Two Loves“ von Lord Alfred Douglas, 1894) heute glücklicherweise sprechen darf.

Das Buch stotzt außerdem vor Intertextualität und Intermedialität und alle, die sich ein wenig mit dieser Zeit beschäftigt haben werden berühmte literarische Werke, die damals geschrieben und rezipiert wurden sowie Gemälde, Zeichnungen etc. wiedererkennen.

Was soll man zu diesem Buch sagen außer: sinnlich, augenzwinkernd, ernsthaft, wahr und unterhaltsam: was will man mehr? Ich freue mich schon auf die nächsten beiden Bände!


Meine Ausgabe:
Originaltitel: Schijnbewegingen
Verlag: Gerstenberg
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2010
Erstausgabe: 2005
Seiten: 508
ISBN:  978-3836952002

Dienstag, 10. Juli 2012

"In diesem Sommer" von Veronique Olmi



Romane die am Meer spielen haben immer ein besonderes Flair, sie sind symbolisch und metaphorisch aufgeladen, wobei es meistens irgendwie um Erinnerung, Vergessen und Veränderung, aber auch um die Fixpunkte im Leben geht. Das Meer bietet eine perfekte Folie für den doch meist sehr ohnmächtigen Menschen, der sich angesichts dieser natürlichen Übermacht der Konstanz den Veränderungen des Lebens nicht entziehen kann.
Auch in „In diesem Sommer“ von Veronique Olmi ist das nicht anders. Der Fixpunkt ist in diesem Fall ein Datum und ein Ort: der 14 Juli, der französische Nationalfeiertag, den Denis und Dominique seit 16 Jahren mit ihren Kindern und Freunden in ihrem Ferienhaus in der Normandie, in einem kleinen Ort am Meer feiern.
Drei Paare werden dem Leser vorgestellt und diese drei Paare befinden sich in jeweils anderen Stadien ihrer Beziehung. Die Besitzer des Hauses, Denis und Delphine, beide um die Fünfzig, sind gerade dabei ihre Liebe ad acta zu legen – sie werden sich trennen. Trotz dem Reichtum, den sie im Laufe ihrer Ehe angehäuft haben, sind sie miteinander nicht mehr glücklich. Sie wissen beide, dass sie sich neu orientieren werden und müssen.
Marie und Nicholas (ebenfalls im selben Alter – Nicholas war mit Denis auf der Schule) hingegen lieben sich nach wie vor wie in jungen Jahren und das obwohl Marie in ihrem Job als Schauspielerin nur noch Großmutterrollen angeboten bekommt und der fünfundfünfzigjährige Nicholas Hüftprobleme hat wie ein alter Mann und von Depressionen geplagt wurde.
Lola, eine ehemalige Kriegsberichterstatterin, ist jedes Jahr mit einem anderen Mann zu Gast – dieses Mal mit Samuel, der mit 26 fünfzehn Jahre jünger ist als sie: dieses Paar repräsentiert die frische, die junge & euphorische Liebe und auch die, die von der Gesellschaft eben nicht als konventionell akzeptiert wird.
Dann gibt es noch Jeanne und Alex, die Kinder von Denis und Dominique, die im Teenageralter sind und ihre Freunde mitgebracht haben sowie Dimitri, einen Zwanzigjährigen, den Samuel in den Dunstkreis der Freunde eingeführt hat und der Nicholas bedrohlich und unangenehm bekannt vorkommt…
Ich habe dieses Buch geradezu verschlungen, man kann es an einem Stück „weglesen“, denn es hat einen ganz besonderen Rhythmus: wie das Meer. Man fühlt sich beim Lesen als würde man die leise schwankenden Bewegungen der Protagonisten wie Wellen schwappen hören, ihre Gedanken und Gefühle vor sich hin plätschern. Ich finde es faszinierend dass die Sicht der einzelnen Personen abwechselnd wiedergegeben wird. So wird das Wellen-Meeres-Feeling noch etwas unterstrichen.
Es werden in diesem Roman ganz existentielle Fragen gestellt: was ist Glück, was bedeuten Freundschaft, Geld und Liebe? Was bedeutet es für ein Leben Eltern, Freund oder Lebenspartner von jemandem zu sein?
Die Nacht spielt auch eine große Rolle im Roman. Sie ist die Zeit, in der man sich ausruhen oder feiern sollte und in der die Konflikte und Probleme des Tages eine viel größere Wirkung entwickeln. In der Nacht passiert dann auch das, was man in dem Buch den Handlungskatalysator nennen könnte – kurz vor Schluss hört das Plätschern auf und – metaphorisch gesprochen – ein „Sturm“ zieht auf über dem Meer, der Szenerie, die bisher vor allem von den leisen Problemen der Protagonisten bespielt wurde.

Dieses Buch ist einfach ein wundervoller Roman voller Gefühl und Menschlichkeit, der die Enttäuschungen, aber auch die Freuden und den Mehrwert des Lebens wie ein Bild auf Leinwand festhält.
In einer hochwertigen Hardcover-Ausstattung in Lavendelblau mit einem sehr schönen Schutzumschlag ist es auch für alle Bibliophilen ein Hochgenuss.
Danke vorablesen.de und dem Antje Kunstmann-Verlag für das Leseexemplar, das ich auch jetzt nach der Lektüre in Ehren halten werde und zu dem ich vielleicht in einem der nächsten Sommer wieder greife.

Meine Ausgabe:

Originaltitel: Cet été-là
Verlag: Antje Kunstmann Verlag
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2012

Erstausgabe: 2011
Seiten: 272
ISBN: 978-3888977763

Freitag, 6. Juli 2012

You’re the one that I don’t want („Träumst du noch oder küsst du schon?“) von Alexandra Potter


Zum heutigen „Welttag des Kusses“ mal ein Buch, in dem Küssen im Titel vorkommt (zumindest in der deutschen Übersetzung): „You’re the one that I don’t want/Träumst du noch oder küsst du schon?“.
Das Buch ist von Alexandra Potter, der Autorin, die mir im Bereich „Chick lit“ momentan die Liebste ist. Das liegt daran, dass ihre Bücher erstens sehr witzig sind (das ist für mich bei diesem Genre seit „Bridget Jones“ ein Muss), zweitens nicht mehr sein wollen als sie sind: eben unterhaltsame Frauenromane und drittens, dass in ihren Büchern immer eine Prise Magie am Werk ist, die in den Alltag der Protagonistinnen einzieht und diesen meist mit voller Wucht verändert.
Dies war bei „Me and Mr. Darcy“, „Who’s that girl“ und auch „Be careful what you wish for“ (alle in deutschen Übersetzungen erhältlich) der Fall.
Auch in „You’re the one that I don’t want/Träumst du noch oder küsst du schon“ ist ein gewisser Zauber am Werk:
Lucy Hemmingway aus England war als 19jährige Studentin für einen Sommer in Venedig, um die italienischen Künstler zu studieren. Dort lernte sie den charmanten Amerikaner Nate (Nathaniel) kennen und lieben. Ein mysteriöser Straßenhändler verkaufte den Liebenden dort eine zerbrochene Münze, deren Hälften sie sich beide um den Hals hängen sollten. Außerdem prophezeite er ihnen dass sie für immer zusammengehören werden, wenn sie sich unter der Seufzerbrücke küssen. Gesagt, getan? Pustekuchen! Nach der Rückkehr in ihre jeweilige Heimat war nach einigen Monaten Schluss.
Und nun? Lucy wohnt (10 Jahre später) seit wenigen Wochen in New York um bei einer kleinen, aber feinen Galerie zu arbeiten. Sie wohnt in einer WG mit der weitgereisten und esoterisch angehauchten Robyn und muss sich von ihrer „perfekten“ Schwester Kate, die eine erfolgreiche Anwältin ist, das ein oder andere bezüglich ihrer lässigen Lebensweise anhören.
Was ihr Liebesleben betrifft wird dem Leser schnell klar: Lucy konnte ihre große Liebe Nate einfach nie vergessen. Warum hat er nur für eine andere mit ihr Schluss gemacht? Lucy kann mit dem Thema Nate nicht abschließen – bis er plötzlich wie durch ein Wunder in ihr Leben tritt. Haben Lucy und Nate eine zweite Chance? Sind sie tatsächlich füreinander bestimmt?
Ich will nicht viel mehr von der Handlung verraten nur so viel: Alexandra Potter nimmt ihr Lieblingsthema wieder auf: die Diskrepanz zwischen den Träumen/der Vergangenheit und dem Hier und Jetzt, die oft so groß sein kann dass sich die Protagonistinnen am Ende meist dafür entscheiden das Vergangene hinter sich zu lassen.
Das alles wird mit einer tollpatschig-bezaubernden Heldin und viel Situationskomik lustig rübergebracht. Ich mag einfach den Humor von Alexandra Potter…
In diesem Buch habe ich aber auch leider manche Längen feststellen müssen, die so nicht notwendig gewesen wären. Gut, die Wiederholungen haben mit dem Prinzip der Handlung zu tun, aber das eine oder andere hätte sie sich sicher sparen können.
Ansonsten: ein zauberhaftes Buch für alle Fans von „Chick lit“ und solchen, die es noch werden möchten.

 
Meine Ausgabe:
 
Verlag: Hodder & Stoughton
Erscheinungsjahr: 2010
Seiten: 387
ISBN:  0340954140

Mittwoch, 4. Juli 2012

arvelle - und ewig lockt das Buch...




Seit ich meinen eigenen Blog habe und demnach auch vermehrt in anderen Buchcommunities unterwegs bin hat sich mein Horizont was das Thema „Bücherkauf“ betrifft um eine ganz tolle Website erweitert: arvelle.
Dort gibt es Mängelexemplare und Restposten zu einem wirklich günstigen Preis – und da ist es natürlich verlockend zuzuschlagen. Mit den „Mängeln“ konnte ich bisher immer sehr gut leben – ein kleiner Kratzer am Buchrücken hier, eine eingedellte Stelle am Hardcover dort. Meistens würde es gar nicht auffallen dass es sich um Mängelexemplare handelt, wenn manche Bücher eben nicht den berühmten Stempel tragen würden.
Ich habe jetzt dreimal bestellt und schon viele Bücher gefunden, die ich immer mal lesen wollte, die mir aber neu zu teuer waren (z.B. Floortje Zwingtman: Ich, Adrian Mayfield). Toll sind auch die Gratisbücher, die man sich ab 30 € Bestellwert (den hab ich meistens schnell zusammen ;-)) aussuchen kann.
Leider ist die Anzahl der Bücher natürlich auf einen gewissen Vorrat (der unterschiedlich groß sein kann) begrenzt und der kann unter Umständen schnell weg sein (v.a. wenn es sich um aktuellere Sachen handelt). Deshalb sollte man sich die Seite merken und immer mal wieder reinschauen (oder Facebook-Fan werden), damit man die „Neuheiten“ immer im Blick hat (für den Geldbeutel ist es allerdings besser wenn man es lässt ;-)).
Gestern ist schon meine dritte Bestellung eingetroffen. Ich freue mich sehr auf die Bücher (u.a. auch mal wieder auf ein bisschen Fantasy).

Montag, 2. Juli 2012

John von Düffel: Beste Jahre


 
In „Beste Jahre“ geht es darum wie ein Mann Anfang 40 das Thema Kinderwunsch und späte Schwangerschaft aufarbeitet – und außerdem seine eigene Biographie.
Der Protagonist ist Schauspieler (seinen Namen erfahren wir nicht), er ist an einem Theater in Hamburg engagiert und lebt schon seit vielen Jahren mit seiner Frau Lisa, die ebenfalls Schauspielerin ist, in einer glücklichen Zweierbeziehung. Während sie ihrem Beruf auf der Bühne mit voller Inbrunst nachgehen, ist das private Leben des Paares mittlerweile eher undramatisch – und das ist auch gut so bzw. war gut so. Denn seit sie an den Rand von Bremen gezogen sind haben ihnen ihre dortigen Nachbarn, späte Eltern von Zwillingen vorgemacht, dass ihnen im Leben etwas fehlt: ein Kind.
In Rückblenden erzählt der Schauspieler von seinem Leben und den jüngsten Ereignissen rund um die Entstehung von „Obsklappt“, der Name den sie ihrem ungeborenen Kind scherzhaft gegeben haben. Es wird deutlich wie fragil und artifiziell diese Kindeswerdung, die durch künstliche Befruchtung ermöglicht wurde, in diesem Alter ist. Ein Abenteuer und gleichzeitig eine schicksalhafte Notwendigkeit für diese beiden Menschen, die es sich schon in der Mitte ihres Lebens bequem gemacht haben.
Die Innensicht des Mannes, der immer von außen auf das „Projekt“ Kind schauen muss, er, der wahrscheinlich dafür verantwortlich ist dass es bisher eben nicht geklappt hat, ist das Interessante an diesem Roman. Das Gefühl der Unwirklichkeit und Machtlosigkeit, das durch die Erzählersicht gefiltert wird, kommt sehr gut rüber.
Die eigene bevorstehende Vaterschaft des Schauspielers wird durch zwei Figuren gespiegelt, die keine biologischen Väter sein können: da wäre zum einen der ehemalige Griechischlehrer des Erzählers, der homosexuell ist und durch ein Nahtoderlebnis eines seiner Schüler zu einem ideellen Vater wurde. Zum anderen gehört zu diesen Männerfiguren, die keine Väter sein können sein ehemals bester Freund HC, der ironischer Weise unfruchtbar ist, obwohl er doch als Staatsanwalt und Besitzer einer kindgerechten Immobilie von einem bürgerlichen Wohlstandsaspekt heraus der perfekte Vater wäre und er und seine Frau sich außerdem nichts sehnlicher wünschen.
Hier stellt sich beim Erzähler natürlich die Frage ob die vielfältigen Konstruktionen von Männlichkeit – Macht, Geld, schöne Frauen, (selbst)darstellerisches Talent – letztlich auf die Potenz und die Fähigkeit zum Zeugen herunter gebrochen werden.
In diesem geistigen Spannungsfeld bewegt sich der Ich-Erzähler, der zwischendrin immer wieder seine individuelle Geschichte reflektiert, die sich durch sein Kind gewissermaßen fortschreiben wird.
In diesem Roman ist vieles symbolisch ohne schwer oder unrealistisch zu werden. Der Schriftsteller John von Düffel ist ein Intellektueller und als solcher hat er seinen Roman auch mit kulturellen Referenzen gespickt. Besonders auffällig ist dabei die unglückliche Verliebtheit des Protagonisten in eine Frau aus Stendal, die er während seiner Zeit am dortigen Theater kennenlernt. Dies verweist auf die Biographie des Schriftstellers Stendhal, der sich sein Pseudonym nach einer Verliebtheit in eine Stendalerin zulegte. Mit seiner „Emigration“ in den Osten wird zudem das Thema geteiltes und wiedervereinigtes Deutschland anschnitten. Als „Westler“ im Osten betritt der junge Schauspieler eine exotische Welt, die schnell sein Zuhause wird – bis er wieder in den Westen abberufen wird.
Neben der starken Symbolkraft des Romans fällt auch die elaborierte gehobene Sprache des Buches auf, die aber von einem leicht ironischen Unterton durchzogen wird.
Das Buch ist über große Strecken aus der Ich-Perspektive erzählt, gelegentlich wechselt aber die Erzählweise ins Personale um zum Schluss sogar kurz in eine Du-Perspektive zu verfallen.
Vom (teil überraschenden-teils vorhersehbaren) Ende aus gesehen wirkt das Buch dann doch etwas konstruiert und bekommt durch die Handlungsentwicklung eine unrealistische, fast triviale Note. Ich glaube der Autor wollte den von ihm bisher heraufbeschworenen Realismus seiner Erzählung aufbrechen. Das ist schade, denn von Düffel ist ein toller Erzähler, dessen Sprache eine ganz eigene Kraft entwickelt.

Meine Ausgabe:
 
Verlag (Verlagsseite): dtv
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2010
Erstausgabe: 2007
Seiten: 240
ISBN:  978-3-423-13907-6