Mittwoch, 29. Juli 2020

"Die Wunderfrauen. Alles, was das Herz begehrt" von Stephanie Schuster


Frauenpower in den Fifties

Die Zeit des sogenannten “Wirtschaftswunders” der 1950er Jahre ist eine, mit der ich mich bis auf den Geschichtsunterricht in der Schule kaum beschäftigt habe. Stephanie Schuster hat sich für ihre Trilogie über die vier “Wunderfrauen” genau diese Zeit als Ausgangspunkt ausgesucht (bis in die 1970er Jahre soll die Geschichte in zwei Folgebänden weitergehen) und damit erheblich zu meiner Weiterbildung beigetragen. Ihr Auftaktband spielt im Oberbayern der 1950er Jahre, wo wir vier Frauen begleiten, die den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Neuanfang der jungen Bundesrepublik mitgestalten.

Die Autorin erschafft ein wunderbares Setting, das die “Fifties” vor dem geistigen Auge der LeserInnen auferstehen lässt. Dabei gelingt ihr der Spagat zwischen ernsten Themen (traumatische Kriegserlebnisse, leider immer noch vorherrschendes braunes Gedankengut, Thema Entnazifizierung, Umgang mit den Besatzern, etc.) und einer lockeren, hoffnungsvollen Aufbruchstimmung, die diese Zeit gleichermaßen kennzeichnen. Strumpfhosen, Rock n’Roll und Kaugummi halten auch am Starnberger See Einzug. Zwischen Leutstetten und Starnberg sowie gelegentlich auch bis ins große angrenzende München bewegt sich der Radius der Handlung.

Interessant ist das damalige Frauenbild, das die Autorin anhand ihrer vier Protagonistinnen nachzeichnet. Obwohl viele Frauen während des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf sich allein gestellt waren und als “Trümmerfrauen” den Wiederaufbau Deutschlands gemanagt haben, hat sich in den Fünfzigern wieder das konservative Gesellschaftssystem eingeschlichen. Die Verkrustung bricht nur langsam auf, die Emanzipation steckt noch in den Kinderschuhen.

Luise, die gebürtige Oberbayerin, wagt sich langsam aus der Deckung. Obwohl sie - aus der Landwirtschaft stammend - als Ehefrau eines Fernmeldetechnikers im geerbten Haus der Schwiegermutter als Hausfrau lebt, wagt sie den Weg in die Selbständigkeit und eröffnet einen Lebensmittelladen im Dorf.

Annabel ist als Münsteranerin eine “Zuagroaste”, die in die adelige Ärztefamilie von Thaler eingeheiratet hat. Als Hausfrau hat sie "lediglich" die Aufgabe, auf ihren Sohn im Kleinkindalter aufzupassen. Ihr Mann, Chefarzt der Starnberger Seeklinik für Frauen, ist beruflich sehr eingespannt und vernachlässigt sie zusehends.

Helga ist die Industriellentochter “aus gutem Hause” in München. Als sie durch das Abitur rasselt, beginnt sie eine Ausbildung zur Krankenschwester an der Seeklinik. Sie ist diejenige der drei Frauen, die ungezwungene amouröse Abenteuer sucht. Ihre Begegnung mit einem amerikanischen GI verändert ihr Leben nachhaltig.

Marie wuchs auf einem Gutshof in Schlesien auf. Auf der Flucht erlebt sie Traumatisches und die Bundesrepublik empfängt die Vertriebene auch nicht gerade mit offenen Armen. Auf dem Hof von Luises Bruder Martin, der mit seinem behinderten Bruder Manni zusammenlebt, findet sie temporär ein neues Zuhause.

Die Schicksale der vier Frauen, die sich zu Beginn des Romans noch nicht kannten, greifen nach und nach ineinander. Die zunehmende Verzahnung der Geschichten ist erzähltechnisch sehr gut gemacht worden. Man fiebert mit jeder der vier Frauen mit, auch wenn zunächst nicht alle gleichermaßen sympathisch sind.

Auch sprachlich hat mir dieser Roman sehr gut gefallen. Der Humor kommt nicht zu kurz, dort wo er passt. Auch hier schafft Stephanie Schuster es, Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit gleichermaßen zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Erzählweise ist sehr angenehm und der Einsatz des oberbayerischen Dialekts ist auf den Punkt - gerade so viel, um das Lokalkolorit einzufangen. Die fiktiven Notiz- und Rezeptbuch-Einträge verleihen dem Buch zusätzlich eine gewisse Authentizität.

Fazit: Eine richtig unterhaltsame, überaus lesenswerte und sehr interessante Zeitreise in die 1950er Jahre! Ich bin gespannt, wie es mit den Wunderfrauen Luise, Annabel, Helga und Marie in den 1960ern weitergeht.

Herzlichen Dank an Stephanie Schuster (Link zu ihrem Blog) und die Fischer Verlage für das Rezensionsexemplar sowie die tollen Postkarten. Die Marketingkampagne zum Buch finde ich auch überaus gelungen.
Nähere Infos zum Buch und zur Reihe:

https://www.fischerverlage.de/buch/stephanie-schuster-die-wunderfrauen-9783596700325

Sonntag, 26. Juli 2020

"Saale Premium - Stürme über dem Weinschloss" von Paula Seifert


Histo-Seifenoper im Winzermilieu

Ich mag historische Romane, bei deren Lektüre man etwas lernt. In "Saale Premium, Stürme über dem Weinschloss", erster Teil einer Trilogie, lernt man "im Vorbeilesen" einiges über Önologie (Weinbaukunde) und Sektherstellung. Auch die Geschichte des Champagners, die ja sehr von Frauen geprägt wurde - man denke nur an die berühmteste “Champagnerwitwe” Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin - wird dem Leser in diesem Buch nahegebracht. Ein historischer Roman soll natürlich möglichst genau die Zeit abbilden, in der sich die Handlung abspielt. Der Autorin gelingt das meines Erachtens ganz gut, indem sie uns erzählerisch zahlreiche Alltagsfakten vermittelt. So erfährt der Leser, welche Kleidung in Mode war, welche Bücher gelesen wurden und auch, was 1890 u.a. ein Liter Milch oder deutscher Wein gekostet hat (20-25 Pfennige bzw. 1,80 Mark).

Wir lernen in diesem ersten Teil der "Weinschloss-Trilogie" die junge Aenne aus der nördlichsten Weinbauregion Europas, Saale-Unstrut, kennen. Als Tochter eines Winzers und Hoteliers soll sie ebenfalls einen Weinbauer ehelichen. Doch Aenne möchte sich erstmal ausleben - lesen, schreiben, etwas über Sekt und Champagner lernen, reisen. Durch ihre Anstellung bei der Sektkellerei Kloss & Foerster scheinen alle ihre Wünsche in Erfüllung zu gehen. Doch als sich Aenne in den Werbefachmann bzw. "Reklameheini" (so nennt ihn ihr Vater) Clemens Volk verliebt, stößt sie auf Widerstand bei ihrer Familie. Siegt die Liebe oder soll sie ihr Glück lieber als Frau eines der Nimmrod-Brüder vom Weinschloss suchen, wie ihre Schwester Bettina?

Der Roman hat ein hohes Erzähltempo, die Erzählung macht oft große Sprünge. Demnach gibt es hier sehr oft mehr "tell" (erzählen) als "show" (zeigen), was ja eigentlich in einem guten Roman nicht sein sollte. Auch die Handlung ist sehr melodramatisch und erinnert an eine Seifenoper im TV. Die Protagonistin "darf" ihre Liebe nicht leben, sie kann sich nicht zu ihrem Clemens bekennen - selbst als alle Hindernisse aus dem Weg geräumt worden sind - und als Leser fragt man sich: Warum eigentlich? Na, weil es dann nicht mehr so dramatisch wäre, ist doch klar. Auch sonst passieren sehr viele aufwühlende Dinge, ein Schicksalsschlag jagt den nächsten. Nichts gegen eine gute Seifenoper, aber man sollte eben auch nicht zu viel davon erwarten. Ausdifferenzierte, tiefgründige oder gar vielschichtige Charaktere findet man in diesem Buch nicht.

Das Buch ist leidlich unterhaltsam, informativ und recht kurzweilig, keine Frage. Aber es ist eben kein anspruchsvoller historischer Roman, sondern leichte Sommerunterhaltung für den Liegestuhl, die man auch schnell wieder vergisst.

Herzlichen Dank an die Ullstein Buchverlage sowie vorablesen.de für das Rezensionsexemplar!
Nähere Infos zum Buch:
https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/saale-premium-stuerme-ueber-dem-weinschloss-die-weinschloss-saga-1-9783548061566.html

Dienstag, 21. Juli 2020

"Das Gartenzimmer" von Andreas Schäfer



Elegisches Architekturmärchen

Man sagt Häuser haben eine Seele, sie tragen die Erinnerungen und Schicksale der Menschen, die in ihnen gelebt haben, in sich. Kann man in einem Haus mit dunkler Vergangenheit jemals glücklich werden? Diese Frage stellt Andreas Schäfers pointierter Roman "Das Gartenzimmer". Anhand der bewegten Geschichte einer Berliner Villa zeigt er auf, welchen Einfluss die Vergangenheit auf unser Leben hat und auf die Räume, die wir uns dafür einrichten.

Die Handlung des Romans spielt auf mehreren Zeitebenen. Von 1908 bis 2013 erstreckt sich die erzählte Zeit. Die “Villa Rosen” ist das erste Projekt des jungen Architekten Max Taubert. Der Erzähler fängt die distanzierte, spröde Persönlichkeit des Architektur-Künstlers wunderbar ein. Elsa Rosen, die erste Bewohnerin des Hauses, ist begeistert von dem jungen Mann, den sie später verstoßen wird. Die charakterstarke Dame prägt das Haus mit ihren Soireen und Künstlerfesten. Später wird Hannah Lekebusch, die zweite Bewohnerin zu Beginn des 21. Jahrhunderts, versuchen, sie zu imitieren. Vergangenheit und Gegenwart spiegeln sich an vielen Stellen dieses so besonderen Romans.

Was machen “museale”, unter Denkmalschutz stehende Häuser mit ihren Bewohnern? Die Auflagen des Denkmalamts müssen erfüllt werden, aber noch schlimmer ist der unsichtbare Druck, den die Lekebuschs sich machen, vor allem Hannah. Sie lebt in einem Museum, während ihr Mann Frieder, der mit Placebos reich geworden ist, nur “etwas Echtes” erhalten möchte. Auch vor der nächsten Generation machen die Probleme nicht halt: Der Erbe der Lekebuschs, ihr Sohn Luis, kriminalisiert das Haus. Er sucht eine Zuflucht vor den Gespenstern aus Vergangenheit und Gegenwart. Wird er sie finden?

Wie bei einer Renovierung bzw. Restaurierung legt der Erzähler nach und nach eine Schicht der tiefenpsychologischen Beschaffenheit des Hauses und des Ichs aller Personen, die mit ihm zu tun haben, frei. Es ist ein ständiges Distanzieren, Definieren, Möblieren und Renovieren, was hier vor sich geht; das Haus Projektionsfläche von Wünschen, Befürchtungen und Ängsten. Das titelgebende Gartenzimmer ist das Symbol für die unheimliche Seele und verlorene Unschuld des Hauses. Sein düsterer Kern, den Hannah Lekebusch am liebsten verdrängen würde. Überhaupt ist das ganze Untergeschoss ein ihr unangenehmer Ort. Sie ist gleichsam angezogen und abgestoßen von dem monströsen Haus, in das sie viel Energie und Herzblut gesteckt hat.

Viel wird in diesem stimmungsvollen Roman nur hauchzart und behutsam angedeutet, er steckt voller Symbolik. Poetisch wunderschön und leise erzählt, mit so vielen Zwischentönen, wie es sonst nur die großen klassischen Erzähler der alten Schule können. Ich denke an Thomas Mann, Eduard von Keyserling, Robert Walser, wenn ich Andreas Schäfer lese. Es gelingt ihm wunderbar, Stimmungen in seiner vielschichtigen Prosa einzufangen und auszudrücken. Er schafft die Atmosphäre, die das Kopfkino des Lesers zum Laufen bringt. Elegisch, erschreckend, traurig, melancholisch - und doch so wunderschön.

Herzlichen Dank an den Dumont Verlag für das Rezensionsexemplar, das ich bei einer Buchverlosung von Lovelybooks gewonnen habe.

Nähere Infos zum Buch: 
https://www.dumont-buchverlag.de/buch/schaefer-das-gartenzimmer-9783832183905/

Sonntag, 19. Juli 2020

"Mit Dir für alle Zeit" von Lisa Grunwald



Paranormale nostalgische Romanze

Die Autorin Lisa Grunwald war mir vor der Lektüre kein Begriff. Mich hat hauptsächlich das wunderschöne nostalgische Cover angesprochen. Reine Liebesgeschichten lese ich nur, wenn sie wirklich vielversprechend klingen und das war hier auch der Fall. Eine Liebe "durch alle Zeiten" verlautbarte eine Pressestimme, das klang ein wenig nach "Outlander". Auch in “Mit dir für alle Zeit” gibt es eine Liebe, die eigentlich nicht sein kann und darf, weil sie die Gesetzmäßigkeiten von Raum und Zeit aus den Angeln hebt.

Die Liebe zwischen Joe und Nora beginnt im Jahr 1937, als der Weichenmechaniker aus Queens am Grand Central Bahnhof in New York die junge Frau aus gutem Hause kennenlernt. Er ist 33, sie 23, alles könnte so schön sein, doch da ist die unverbrüchliche Tatsache, dass Nora eigentlich tot ist. Sie ist 1925 bei einem Subway-Unglück im Grand Central, dem Hauptbahnhof von New York City, ums Leben gekommen und taucht in manchen Jahren an ihrem Todestag im Dezember wieder auf. Ja, Fantasy-Elemente spielen in diese Liebesgeschichte hinein und sollten alle potenziellen Leser außen vor lassen, die mit so etwas nicht klar kommen. Auch ich musste mich auf das Buch einlassen und hinnehmen, dass es eine quasi “magische” Geschichte ist und manche Handlungselemente eben so sind wie sie sind. Wenn man anfängt, die Dinge zu hinterfragen, wird es nämlich problematisch. Also: “willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit” (”willing suspension of disbelief”), wie es der englische Dichter Samuel Taylor Coleridge zum Thema unrealistischer Szenen sagte. Es ist schließlich eine Liebesgeschichte, Intention dürfte es also sein, das Herz des Lesers zu berühren. Das hat die Autorin bei mir nur bedingt geschafft. Ich muss sagen, die Geschichte war schon tragisch, aber ich hätte mir noch etwas mehr Intensität und Leidenschaft gewünscht. Die Protagonisten Joe und Nora machen doch viel mit sich selbst aus, hadern mit sich und ihrer Situation oder setzen sich mit ihrer Familie (Joe) oder ihrer Vergangenheit bzw. merkwürdigen Gegenwart (Nora) auseinander. Manchmal leben sie richtig nebeneinander her und ihre innige Verbundenheit kommt nur in sehr wenigen Szenen kurz zum Vorschein.

Auch von der Struktur her habe ich mir diesen Roman ein wenig anders vorgestellt [evtl. Spoiler]. Ich dachte wirklich, dass Nora nur an ihren Todestagen, also einmal im Jahr, auftauchen und dann wieder verschwinden würde. Tatsächlich ist es aber so, dass sie nach ein paar Jahren bereits über ein Jahr mit Joe im Bereich des Terminals zusammenlebt, ohne zu verschwinden. Warum das so ist, erfahren wir zwar mit der Zeit, aber es wird erstmal so hingenommen von den Protagonisten. Ich hätte mir eine größere Zeitspanne gewünscht, in der Nora wirklich nur einmal pro Jahr auftaucht und nur diesen einen Tag bleibt. Erzählt werden nämlich nur die Jahre 1937-1947 (mit einigen Rückblenden in Noras Vergangenheit). Der Autorin hat es aber wohl gereicht, die Problematik des Alterns bei Joe nur anzuschneiden. Es wäre spannend gewesen zu erfahren, wie Nora mit einem z.B. 86-jährigen Joe umgegangen wäre bzw. er mit ihr.

Was thematisch sehr interessant ist, ist das Phänomen "Manhattanhenge", das im Buch eine wichtige Rolle spielt. Jeder, der schon mal einen Sonnenauf- oder -untergang in Manhattan erlebt hat, weiß, wie mystisch und eindrucksvoll sich dieses Erlebnis auf den Betrachter ausnimmt. Von daher fand ich es sehr schön, dass dieses Ereignis, das sich durch das Aufeinandertreffen des Urbanen mit dem Natürlichen speist, einmal in einem Roman gewürdigt wird.

Fazit: Ein ganz netter paranormal-historischer Liebesroman, der aber meines Erachtens noch besser und intensiver hätte sein können.

Herzlichen Dank an den Harper Collins Verlag für das Rezensionsexemplar!


Nähere Infos zum Buch (Klick aufs Cover):


Freitag, 17. Juli 2020

"Vegan! Das Goldene von GU" von Adriane Andreas, Alessandra Redies



Vorab: Ich bin schon seit meiner Kindheit Vegetarierin, zur vollständigen Veganerin habe ich es aber leider nie geschafft.

Zum Buch:

Sehr praktisch ist die Tatsache, dass die Herstellung bestimmter Basics wie vegane Mayonnaise, Hafersahne oder Nussmus gleich am Anfang des Buches stehen. Nachher wird in den Rezepten oftmals darauf verwiesen, wenn das Basic-Produkt, das man auch selbst herstellen kann, für ein Gericht benötigt wird. Wer also nachhaltig denkt und so etwas wie Seitan oder veganen Milchersatz nicht fertig in Plastik verpackt einkaufen möchte, ist hier schon mal gut bedient. Auf Käse-, Ei- und Fleischersatz wird in einem Infoteil hinten im Buch näher eingegangen. Die entsprechenden Rezepte folgen dann im Kapitel “Küchenklassiker Vegan”, in denen Gerichte, die normalerweise mit Fleisch, Käse oder Ei (Bolognese, Carbonara, Mozzarella, etc.) gemacht würden, “veganisiert” werden.

Die veganen Frühstücksideen und Aufstriche haben mir sehr zugesagt. Endlich mal ein ordentliches Rezept für veganes “Rührei” (Rührtofu) - gerade die “einfachen” Gerichte, auf die Veganer sonst “verzichten” müssen, sind ja oft die Besten und am meisten vermissten. Wer einen veganen Brunch mit einer vielfältigen Auswahl an “Tapas” auf den Tisch bringen möchte, findet in diesem und im nächsten Kapitel alles, was er dafür benötigt.

Reichlich originell und leicht nachzukochen ist auch das Party- bzw. Fingerfood (Kapitel: “To Go und Zwischendurch: Salate, Snacks und Fingerfood”). Grünen Spargel einzeln in Filoteig zu packen, wie im Rezept “Knusperspargel mit Bärlauch-Mayo”, finde ich eine tolle Idee und das wird bestimmt auch bei meinen Gästen einen Wow-Effekt hervorrufen. Dass man den Filoteig dabei nicht selbst machen muss, finde ich nicht schlimm, im Gegenteil. Bei manchen Komponenten hört einfach der Kochspaß auf und ich kenne eigentlich niemanden aus meiner Generation, der Blätterteig selbst herstellen kann und möchte. Sehr ansprechend finde ich auch die Salate im Glas, die als ausgewogene Power-Mahlzeiten perfekt sind, um sie z.B. unterwegs oder ins Büro mitzunehmen. Die derzeit sehr beliebten und gehypten “Bowls” dürfen natürlich auch nicht fehlen. In diesem Kapitel gibt es viele kleine Fingerfood-Gerichte bzw. “Tapas”, die zum Brunch, Abendessen oder als Vorspeise gereicht werden können.

Besonders gespannt war ich auf das “One-Pot-Seelenfutter”, also Suppen, Eintöpfe und Currys. Hier findet man Klassiker wie Kartoffelsuppe mit veganen Würstchen, Wirsing- und Linseneintopf - also wie von Oma nur eben ohne Schwein & Co.

Als passionierter Nudelesser bin ich auch von den einfallsreichen Pastarezepten sehr begeistert. Toll finde ich dass es auch ein Rezept für veganes Pesto Rosso gibt - jetzt muss ich meine Lieblings-Pastasauce nicht mehr fertig kaufen, sondern kann es ganz einfach selbst machen - ohne fiese Inhaltsstoffe, die in Fertigprodukten oft drin sind. Auch die Lasagne mit geschmorten Pilzen ist für mich ein wahr gewordener kulinarischer Traum!

Den Autorinnen gelingt es auch gut, dem berühmt-berüchtigten Tofu, der bei vielen wegen seines vermeintlich “faden” Geschmacks nicht besonders beliebt ist, einen interessanten Touch zu verleihen. Man muss eben nur wissen, wie man Tofu mariniert, damit er schmackhaft wird. In einem Tipp erfahren wir sogar, wie man ihn knusprig hinbekommt.

Auch achten die Autorinnen darauf, ihre Gerichte ausgewogen zu gestalten und in ihnen viele Komponenten zu arbeiten, die Veganern wichtige Nährstoffe zuführen, die sie mangels tierischer Produkte ansonsten nicht konsumieren. Zum Beispiel gibt es viele Gerichte mit Linsen, Sesam, etc., die als Eisenlieferanten bekannt sind. Natürlich darf auch das Superfood Chia-Samen nicht fehlen. Wichtig sind auch die veganen Eiweißlieferanten wie Soja und Lupinenprodukte sowie Jackfruit, die in einem Infoteil ausführlich vorgestellt werden.

Es gibt auch viele exotische Gerichte, in denen orientalische Gewürze wie Harissa oder Kalak Namak verarbeitet werden. Kosmopolitisch-kulinarisch wirds zum Beispiel mit asiatischen Gemüse-Uttapams, vietnamesischen Sommerrollen, veganem japanischem Sushi und vielen anderen Gerichten mehr. Das gibt dem Kochbuch einen internationalen Touch, was ich sehr gut finde. Auch beim Essen sollte man über den Tellerrand hinaus gucken. Auch saisonal gesehen ist für jede Jahreszeit etwas dabei, auch wenn es jetzt nicht explizit erwähnt wird.

Die süßen Gerichte und Kuchen, die wunderbar ohne Ei (selbst Baisers lassen sich ohne Zusatz von Ei zaubern!) und Kuhmilch auskommen, runden das Buch ab.

Alles in allem bin ich sehr positiv überrascht von diesem Kochbuch! Es ist wirklich ein Grundlagen-Standardwerk, das sich jeder anschaffen sollte, der immer oder öfters mal vegan kochen bzw. leben möchte.

Herzlichen Dank an den GU Verlag sowie natürlich vorablesen.de für das Rezensionsexemplar!
Nähere Infos zum Buch (Klick aufs Cover):

https://www.gu.de/produkte/kochen-verwoehnen/kochen-fuer-jeden-tag/vegan-das-goldene-von-gu-andreas-2020/

Samstag, 11. Juli 2020

"Madame le Commissaire und die Frau ohne Gedächtnis" von Pierre Martin



Isabelles “Roadtrip” durch Südfrankreich

Ein Sommer ohne “Madame le Commissaire” Isabelle Bonnet aus dem fiktiven Provence-Städtchen Fragolin? “Mais non!”, dachte ich lange Zeit. Ich habe die gesamte Reihe gelesen und deshalb konnte ich mir auch “...und die Frau ohne Gedächtnis” nicht entgehen lassen. Durch die Reihe habe ich viel über das exekutive System Frankreichs gelernt, also z.B. den Unterschied zwischen Police nationale und Gendarmerie, außerdem weiß ich jetzt, was ein Sous-Brigadier ist. Des Weiteren ist die Reihe perfekt, um die Provence “im Kopf” zu bereisen (was ja in Zeiten von Covid-19 nicht das Schlechteste ist). Im vorliegenden Fall mit der “Frau ohne Gedächtnis” kommt unsere Madame le Commissaire besonders viel rum in ihrer Gegend, Fragolin ist nur der Ausgangspunkt eines wilden Roadtrips, der für die Ermittlerin sogar im Kauf eines speziellen fahrbaren Untersatzes gipfelt.

Leider muss ich sagen, dass der Plot diesmal sehr verworren und irgendwie spannungsarm war. Es gibt erstmal überhaupt keinen Mordfall, sondern "nur" eine Frau mit Amnesie, die Apollinaire vors Auto läuft. Daraus entwickelt sich eine Schnitzeljagd durch Südfrankreich, bei der schon begangene Verbrechen ans Licht kommen, die Isabelle und ihr Sous-Brigardier aufklären müssen. Mir persönlich waren es zu viele Baustellen, der “rote Faden” franste im Lauf der Handlung immer mehr aus und die Fussel, die überall verstreut lagen, waren mir zum Großteil zu klein und zu uninteressant.

Außerdem geriet das Buch immer mehr zur Selbstdarstellungs-Tour-de-force der Madame le Commissaire. Ihre Figur wird leider zunehmend unsympathisch. Das dauernde Reflektieren Isabelles über bestimmte Redewendungen und Ausdrücke, die im Dialog mit anderen fallen, hat mich in diesem Buch besonders gestört. Wenn z.B. Apollinaire sagt: “Ich habe ihren Anruf sehnlichst erwartet”, denkt Isabelle sofort ausführlich darüber nach, warum er diese Wendung benutzt und bewertet es dann z.B. als “nett, aber unsinnig” oder an anderer Strelle als eine “Unverschämtheit”. Leider kommen diese Szenen oft vor. Die Formulierungen der anderen werden in Isabelles Kopf zerpflückt und es wird darauf rumgehackt, als ob es kein Morgen gäbe. So kam es mir jedenfalls vor. Das war in den Vorgänger-Bänden auch schon so, aber diesmal ist es extrem, wie ich finde. Das ist kein amüsanter Schlagabtausch mehr, sondern nur noch anstrengend. Ich lese doch selber, was da steht, warum will man mir es bis ins Kleinste vorkauen? Und wenn es nicht Isabelle ist, dann ist es der Autor, der manche Metaphern wieder und wieder bemüht. Zum Beispiel das Sprachbild vom Spürhund, mit dem Isabelle sich vergleicht - und zwar, wir ahnen es schon, in mehreren Situationen. Das alles lässt die Handlung repetitiv und etwas zäh wirken. Ist der sich hinter einem Pseudonym versteckende Autor etwa Fragolin-müde geworden und möchte langsam zum Schluss kommen?

Es gibt immerhin einen neuen Mann in Isabelles Leben, den Maler Nicolas de Sausquebord, der ihren ermordeten Lebensgefährten Thierry, den ehemaligen Bürgermeister Fragolins, quasi “ersetzt” hat und die Ménage-à-trois-Situation (mit Rouven) aufrechterhält. Die einzige Figur, die mich davon abhält die Reihe in Zukunft ad acta zu legen, ist Apollinaire. Mit seiner unkonventionellen, nerdigen Art sorgt er nach wie vor für manchen Schmunzler und ruft beim Leser einige Sympathien hervor. In diesem Band hat mir besonders die Observation gefallen, bei der Apollinaire zu Höchstform aufläuft. Einfach ein echt toller (fiktiver) Charakter! Leider ist es schade und ein wenig anstrengend, dass Isabelle immer die harte, toughe und energische raushängen lassen muss und Apollinaire nach wie vor immer der devote, sich entschuldigende Untergebene ist. Ein wenig Rollentausch oder mal andere Seiten der beiden “Ermittler”, wären wünschenswert gewesen. Isabelle lässt partout kaum Gefühle bei sich zu, auch das ist irgendwie unsympathisch.

Also man sieht vielleicht, ich bin hin- und hergerissen. Aber leider muss ich sagen, dass ich zwar die Reihe, aber speziell diesen siebten Band nicht empfehlen kann.

Herzlichen Dank an den Droemer Knaur Verlag für das Rezensionsexemplar!
Nähere Infos zum Buch (Klick aufs Cover):

https://www.droemer-knaur.de/buch/pierre-martin-madame-le-commissaire-und-die-frau-ohne-gedaechtnis-9783426521991


Dienstag, 7. Juli 2020

"Das Buch der gelöschten Wörter - Zwischen den Seiten" von Mary E. Garner


Mit Action, Witz und einer Prise Düsternis geht’s weiter mit Hope & Co.
 
(Enthält naturgemäß Spoiler für alle, die Band 1 nicht gelesen haben)

Nachdem ich von der Grundidee der Trilogie rund um das Buch der gelöschten Wörter sehr angetan war und nach dem eklatanten Cliffhanger am Ende von Band 1, war für mich Band 2 - “Zwischen den Seiten” - ein Muss. Oft sind mittlere Bände einer Trilogie bzw. Reihe ja eher schwächer, selbst bei “Harry Potter” gab es meiner Meinung mal zwischendurch ein Buch mit einer weniger starken Storyline. Also hatte ich für diesen zweiten Band jetzt nicht die allerhöchsten Erwartungen, aber doch Erwartungen, die ein Anwachsen des Tempos der Handlung betreffen.

Die Idee, um die herum sich der Plot gruppiert, ist für mich nach wie vor sehr reizvoll und ich freute mich, wieder mit Hope Turner und ihren Kollegen in die Buchwelten abtauchen zu dürfen. Diesmal kommen ein paar neue Settings der Weltliteratur hinzu (u.a. “Anne of Green Gables”, “Der Zauberer von Oz”, “Gullivers Reisen”, etc.) und dementsprechend auch neue Figuren dieser Geschichten, mit denen die Verwandler, Wanderer und Gehilfen des “Bundes” interagieren können. Natürlich bleiben uns auch die “alten Bekannten” aus Band 1 weitestgehend erhalten.

An die Story aus Band 1 wird nahtlos angeknüpft, in der “Echtwelt” sind seit den Geschehnissen vom Anfang aber zwei Monate vergangen. Nach wie vor müssen Hope und ihre Gefährten gegen die bösen “Absorbierer” und deren Anführer kämpfen, derer sie aber zunächst nicht habhaft werden können. Deswegen werden die düsteren Settings der Weltliteratur auf der Jagd nach den Bösewichten abgesucht, wo unsere Protagonistin Hope aber zunächst nicht mitmachen darf, denn sie ist ja “sterblich”. Die spannende Suche nach dem Anführer der Absorbierer wird also im ersten Teil dieses Bandes bloß “aus dem Off” angedeutet, ohne dass die Hauptfigur der Geschichte in eine prekäre Gefahrensituation gebracht wird. Einzig in Tralala-Buchwelten, die höchstens einen leichten Nervenkitzel versprechen, darf sie eintauchen. Doch dann kommt plötzlich alles ganz anders und die Handlung nimmt - wie gewünscht - an Fahrt auf. Ich muss sagen, mir hat der zunehmend düstere und temporeichere Verlauf der Handlung sehr gefallen, der immer wieder mit dem der Autorin ureigenen Humor gespickt ist - das Stilmittel des “comic relief” ist typisch für diese Reihe und hat mir das ein oder andere Schmunzeln entlockt. Actiongeladene, James-Bond-artige Szenen und Mittelalter-Protagonistinnen im Catsuit verleihen der soliden Urban fantasy noch einen Touch von Agententhriller.

Am Anfang hat Hope mich ein wenig genervt mit ihrer Belesenheit, denn sie kennt jeden Klassiker der Weltliteratur genau, auch wenn es Jahre her ist, dass sie ihn gelesen hat (“Wer kennt sie nicht, die Geschichte von…”, “Das weiß doch jedes Kind…”), aber mit zunehmendem Verlauf der Handlung bin ich nicht mehr darüber gestolpert. Eigentlich ist sie ja eine recht sympathische Protagonistin und wenig selbstsicher, auch wenn das in Bezug auf ihre Belesenheit manchmal so rüberkommt.

Wie schon in Band 1 hat mich dagegen die Belesenheit und Imaginationskraft der Autorin Mirjam Müntefering alias Mary E. Garner sehr begeistert! Das alles so zu schreiben und zu konstruieren, wie sie es getan hat, verdient höchsten Respekt und ich werde natürlich auch Band 3 noch lesen, denn ich will ja wissen, wie die Geschichte um Hope und das Buch der gelöschten Wörter zu Ende geht.

Weitere Infos zum Buch: hier

Samstag, 4. Juli 2020

"Der achtsame Mr. Caine und das allerletzte Lied" von Laurence Anholt



Caine und Joyce ermitteln auf dem Glastonbury-Festival

Das englische Städtchen Glastonbury ist seit jeher ein Ort der Mythen und Legenden: Artus und Avalon, der heilige Gral, ein mystischer keltischer Hügel und mittendrin ein einmal im Jahr stattfindendes Festival, das die größten Musikstars der Welt anzieht wie Motten das Licht. Auch der achtsame Mr. Caine, seines Zeichens Detective Inspector mit Hang zu Zen-Buddhismus, Karma-Glauben und Öko/Veganismus, feiert inmitten der ekstatischen Menge auf dem Glastonbury Festival (liebevoll “Glasto” genannt), während die legendäre Band Stigma den Ton angibt. Als plötzlich der Messias-artige & ziemlich ätherische Bandleader Ethan Flynn durch einen über seine E-Gitarre induzierten Stromschlag vor aller Augen das Zeitliche segnet, wird aus dem musikalischen ein mörderisches Festival.

Während der erste Band mit den Ermittlern Caine und Joyce (Link) sich im Kunst-Milieu bewegte, lernen wir nun die Musiklandschaft und New-Age-Kultur von Somerset kennen. So ungewöhnlich und besonders wie der friedliebende, buddhistische Polizist Caine ist auch das Setting dieses Kriminalromans. Eigentlich ein mystischer und legendärer Ort in England, zu dem sich Neuheiden, Hippies und anderweitig alternativ orientierte Menschen hingezogen fühlen, wird Glastonbury einmal im Jahr - um die Sommersonnenwende herum - zur “Sparkasse” von Somerset, das den Anwohnern, die vom Tourismus leben, entsprechend viel Geld - aber auch Unruhe, Lautstärke und Müll bringt. Anholt erschafft in seinem zweiten Caine-Krimi wieder ein Kaleidoskop von eigenwilligen Charakteren, die das berühmte Fesitval organisieren, besuchen bzw. dort auftreten oder in irgendeiner Weise davon profitieren. Von der neureichen Popstar-Sippe über die Jurten bewohnende Hippie-Organisatorin bis hin zu den alteingesessenen Gasthof-Besitzern, die eher an die Flodders erinnern, ist alles dabei - mit unseren beiden Detective Inspectors natürlich auch wieder zwei starke Hauptfiguren.

Die bodenständige DI Shanti Joyce zeigt sich mal wieder immun gegen das Hippie-Flair und Caines buddhistische Weisheiten, obwohl der außergewöhnliche Cop, der sich auf dem Festival ganz in seinem Element und unter Gleichgesinnten befindet, sie insgeheim schon ein wenig fasziniert. Während Shanti immer wieder die professionelle Seite ihres “Verhältnisses” betont, macht Caine mehrfach Andeutungen, dass er mehr für die toughe Kollegin empfindet.

Natürlich könnte man sagen, die Figuren seinen etwas klischeehaft, aber selbst wenn: who cares? Es macht einfach Spaß, wie unterschiedlich die beiden Ermittler an den Fall herangehen, den sie am Ende natürlich auch wieder lösen.

Wie schon der erste Teil hat auch dieser Krimi eine skurrile Komponente, die sich allerdings so richtig erst zum Ende hin entfaltet. Ob es diesen etwas “unrealistischen” Twist zum Ende hin noch gebraucht hätte? Ich weiß es nicht. Im Großen und Ganzen war die Handlung auch diesmal wieder sehr spannend, mit leicht esoterisch-phantastischen Zügen, die aber wunderbar zur Thematik des Krimis gepasst haben. Ich habe mich jedenfalls während der Lektüre köstlich amüsiert und bestens unterhalten gefühlt.

Alles in allem ein total unterhaltsamer Cosy-Krimi, den nicht nur Festival-Besucher einfach ins Herz schließen werden!

Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die Besonderheit ist, dass das Buch bei Droemer Knaur zuerst in der Übersetzung erschienen ist (genau um den Zeitpunkt des Glastonbury-Festivals herum, das dieses Jahr Corona-bedingt nicht stattfinden kann). Das englische Original “Festival of Death” erscheint erst im November 2020.

Laurence Anholt did a great job - again - in portraying a very unusual detective and his very likeable down-to-earth colleauge. English readers should really be looking forward to publication date in november 2020!

Herzlichen Dank an den Droemer Knaur Verlag, der mir dieses Rezensionsexemplar hat zukommen lassen!

Nähere Infos zum Buch (Klick aufs Bild):

https://www.droemer-knaur.de/buch/laurence-anholt-der-achtsame-mr-caine-und-das-allerletzte-lied-9783426524671