Begeisterung für so viel von allem! Österreich- und Deutschlandhassliebe im
Zerrspiegel des Protagonisten Fred Firneis, die Technik- und
Modernismusverachtung, die auf einer Abhängigkeit basiert wird thematisiert,
Geld vs. Kunst, Natur vs. Ökonomie, Identität vs. Schein, Leben vs. Tod. Und
das alles auf wenig mehr als zweihundert Seiten in einem prosaischen
Kammerspiel auf den Punkt gebracht.
Zugleich kann sich auch der nach bloßer Unterhaltung sehnende
Leser ergötzen am schwarzen Humor von René Freund, der als Autor nicht im
Vordergrund steht sondern einzig und allein die Geschichte. Diese wird
perspektivisch immer wieder gebrochen. Wir bekommen die unterschiedlichen
Sichtweisen der handelnden Personen serviert und auch Briefverkehr (der hier
noch tatsächlich einer ist) dürfen wir verfolgen.
Sind wir nicht alle ein bisschen
Firneis – mit mehr oder weniger unausgeschöpftem Kreativitätspotential, in
Sinn- und Schaffenskrisen, die wir uns alle mal in Berghütten ohne Strom
zurückziehen sollten. In Klausur gehen, back to nature sind die
Modelifestileworte unserer schnelllebigen Generation die alles erleben und
nichts verpassen will und dabei natürlich sich selbst bzw. das eigene Ich
verliert.
Alfred („Fred“) Firneis macht
diesen ganzen Zirkus seiner allseits vernetzten Umgebung nicht mit. Er, der
Exil-Wiener, würde lieber in Neukölln als in seinem immer hipper werdenden, von
der Latte-Macciatofizierung immer schwerer betroffenen Kreuzberg wohnen –
wären da nicht die Strapazen, die ein Umzug bedeuten würde. Allein all die
leeren Weinflaschen!
Firneis ist der Spitzweg-Poet im
Dachkämmerchen, der sich um die Welt nicht schert, ja sogar Angstzustände
bekommt wenn er sie betritt.
Umso besser dass ihm seine
Verlegerin Susanne Beckmann die Familienferienhütte in den Voralpen anbietet um
dort sein System runterzufahren (wie schon im Krankenhaus mit seinem Herzschlag
geschehen). Gewünscht ist natürlich, dass er wieder Gedichte schreibt denn von
seinen Gedichten lebt der kleine Verlag von Susanne Beckmann – ein Lyriker als
vertragstragender Autor, wenn das nicht skurril ist – wo gibt es denn sowas?
In der Abgeschiedenheit in
Angesicht des Bergsees geht Firneis in „Grünbach am Elbsee“ in Klausur.
Zunächst genervt von der Anti-Zivilisation gewöhnt er sich immer mehr an das
reduzierte Leben um dann eines schönen Tages seines vierwöchigen
Sommeraufenthalts Mara zu begegnen. Wer ist Mara? Eine Elfe, eine Zauberfrau,
ein Fischweib? Nein, sie ist eine Forscherin, angehende Biologie-Doktorin aus
der Slowakei mit Doppel-S-Fehler, die sich um das Verhalten der Elritze, einer
vom Aussterben bedrohten Süßwasserbinnengewässerfischart schert. Balz von
Fischen und das Balzverhalten erwachsener Menschen des 21. Jahrhunderts – was hat
es gemeinsam? Nicht viel möchte man meinen, denn Menschen haben immerhin den
Vorteil der Sprache. Mit diesem Ausdrucksmittel hadert wiederum Firneis, was
alles ziemlich kompliziert macht: Gedichte schreiben ja oder nein, das ist hier
die Frage.
Ob Mara als Muse fungiert muss
der Leser nun herausfinden. Werden sich die pragmatisch-bezaubernde Biologin
und der schrullige Dichter kriegen?
Natürlich wäre das alles fast
schon eine Liebesschnulze, wenn der Roman nicht mit einem Twist überraschen
würde, mit einer Plot-Wendung, die so nicht zu erwarten war.
Eine Dreiecks- (bisweilen
Vierecks-) -geschichte entspinnt sich, die das Allzumenschliche mit dem
Perfiden vereint. Das ist natürlich konstruiert – aber gut, sehr gut
konstruiert und in die Geschichte passend.
Ich kenne Daniel Glattauers
Bücher nicht, mit dem auf der Klappentextbauchbinde geworben wird, aber wenn
man die Autoren miteinander vergleicht so werde ich den wohl auch unbedingt
lesen müssen.
Chapeau, Herr Freund!! Bitte mehr
davon!!
Vielen herzlichen Dank an vorablesen.de und Deuticke für das Leseexemplar.
Meine
Ausgabe:
Verlag:
Deuticke
Erscheinungsjahr:
2013
Seiten: 206
ISBN:
978-3-552-06209-2
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