Meistens behandeln literarische Liebesgeschichten das "Vorher" der Liebe, das "Daraufhinzu" und enden mit dem Finden des glücklichen Paares. Die in Worte gefasste Liebesgeschichte von Lucy und Mickey Chandler beginnt - obwohl sie mitunter auch in Rückblenden erzählt wird - elf Jahre nach der Hochzeit. Wir erfahren dass die beiden in einer Kleinstadt in Amerika leben und jeweils füreinander die große Liebe sind. So weit so perfekt, aber es gibt natürlich einen, sogar mehrere Haken an der Garderobe dieser Liebe. Da wäre zum die psychische Erkrankung von Michael, genannt Mickey: er hat eine bipolare Störung, ist schizophren, manisch-depressiv. Mit dieser "Voraussetzung" hat Lucy den gutaussehenden, acht Jahre älteren Michael kennengelernt - an ihrem 21. Geburtstag. Wir lernen gleich zu Beginn, dass es auch in Lucys Leben bisher nicht ohne schwere Schicksalsschläge ablief: als Kind verlor sie ihren Vater, wenige Jahre darauf ihre Mutter. Diese starb an einer der heimtückischsten Krankheiten der Menschheitsgeschichte, die auch Lucy und ihre zwei Schwestern, Lily und Priscilla (Priss), erbbedingt bedroht.
Alles starker Tobak möchte man meinen und in der Tat bleibt diesem Paar - und auch dem Leser - nichts erspart. Als man auch noch erfährt wie der erneute Schicksalsschlag, der eigentlich ein absoluter Glücksfall ist, sich als unfassbar zweischneidiges Schwert ins Leben des Paares und ihrer Familien schleicht, denkt man schon dass die Autorin hier das literarische Rad der Fortuna ein bisschen zu weit um die eigene Achse gedreht hat. Normalerweise ziehen mich solche Bücher, in denen den Protagonisten viel Negatives erfährt, mit herunter und ich gelange meist an einen Punkt, an dem es mir zu viel wird und ich unbedingt etwas Humorvolles oder Spannendes brauche um mich aus dem traurigen Lesetal herauszuziehen. Bei diesem Buch ist es nicht passiert und das spricht meines Erachtens für die Qualität dieses amerikanischen Romans, der es schafft ohne ein Zuviel an Sentimentalität zu agieren und das ohne gleichzeitig in Belanglosigkeit und Oberflächlichkeit abzudriften. Ja, es ist traurig was dem Paar wiederfährt, ja, man möchte es eigentlich nicht und doch bleibt man bis zum Schluss bei den beiden, aus der Ich-Perspektive erzählenden Protagonisten (Lucys Sicht im Normaltext und Micheys Perspektive kursiv gesetzt) und ihrem Leben - man hat Hoffnung, man fiebert mit und will dass alles gut gehen wird obwohl man weiß, wie schlecht die Chancen stehen.
"Tanz auf Glas" nennt Lucy ihre Ehe, die in der Tat tatsächlich wie ein Scherbenlauf daherkommt. Allerdings ist und bleibt es ein Tanz. Ka Hancock wählt auch formal die rhythmische Situation als Mittel um das Bild eines sich liebenden und tanzenden Paares, das diesen Tanz allerdings auf schweren Voraussetzungen aufbaut, zu erschaffen. Dieser Tanz ist melancholisch und traurigschön!
Die Familienkomponente des Romans kommt auch nicht zu kurz: während Mickey eher ein Einzelgänger (auch durch seine familiäre Situation bedingt) ist, ist Lucy ganz Teil ihrer Herkunftsfamilie Houston, der "Frauenfamilie" mit drei Schwestern, die gerade in ihrer Weiblichkeit als angreifbar und verletztlich gezeigt wird. Die Schwestern Lily und Priss sind ein starker Teil der Handlung und lassen das Buch auch als Familienroman gelten.
Auch das Cover hat mich sehr angesprochen: ein attraktives junges Paar, das sich vor einer Winterlandschaft, dick eingepackt in Winterkleidung, im Arm hält. Es vermittelt Innigkeit, Hoffnung und Liebe - die drei Themen, die auch im Roman eine große Rolle spielen. Hier nochmal ein großes Lob an die Gestaltungsabteilung von Knaur.
Wer also gerne traurige Liebesromane mag, die die Liebe in ihrer Unbedingtheit und in all ihren Facetten beleuchtet sollte dieses Buch lesen.
Herzlichen Dank an vorablesen.de und an den Knaur-Verlag für das Leseexemplar.
Meine Ausgabe:
Verlag: Knaur
Erscheinungsjahr: 2013
Originaltitel: "Dancing on Broken Glass" (Gallery Books)
Erscheinungsjahr Originalausgabe: 2012
ISBN: 978-3-426-65322-7
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