Sonntag, 17. November 2024

"Hot Mess" von Sophie White


Über Freundschaft und Metal Health

“Jenseits der dreißig ist die Chance, als Frau neue Freundinnen zu finden, in etwa so hoch wie die, einem Serienmörder zum Opfer zu fallen.” (Hot Mess, S.199)

Als unsere Eltern so um die dreißig waren - egal welcher Generation sie angehören - waren Freundschaften noch selbstverständlich. Man hatte einfach Freunde - sie gingen zu Hause ein  und aus, man hat stundenlang telefoniert und sich gegenseitig unterstützt, wenn Not am Mann (oder an der Frau) war. Heutzutage sind Freund:innen ein weiterer Punkt auf der schier endlosen Work-Life-Balance-Liste in unseren Köpfen. Freundschaften müssen “gepflegt” werden, nichts ist mehr selbstverständlich, wir müssen Zeit in sie investieren. Wir müssen sie in Whats-App-Gruppen kategorisieren und in unterschiedlichen Lebensbereichen “ablegen” wie in einem Ordner. Wenn wir nicht aktiv etwas für die Freundschaft tun, verläuft sie vielleicht im Sande, man verliert sich aus den Augen. Allein einen gemeinsamen Termin für ein Treffen zu finden, erweist sich im vollgepackten Alltag aller oftmals als schier unlösbare Herausforderung. 

In “Hot Mess”, das im Jahr 2023 in und um Dublin herum spielt (also wieder ein Irland-Roman, ich habe dieses Jahr schon viele gerne gelesen), gibt es drei weibliche Charaktere, die auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Freundschaft kämpfen. Da wäre zum einen Claire, sie ist Nanny und hat den Verdacht, dass sie in ihrer Freudschafts-Bubble ausgegrenzt wird. Liegt es am unterschiedlichen Werdegang bzw. Bildungsstand bzw. doch an etwas ganz anderem? Als ihre Freundin Aifric (die ich anfangs immer mit Aiofe, der Freundin von Joanne verwechselt habe) sich verlobt, spitzt sich die Situation zu. Dann wäre da also Joanne. Sie ist mit Ende 20 die Erste in ihrem Freundeskreis, die ein Baby bekommt. Dumm nur dass ihre Freundinnen nur wenig Verständnis dafür haben und lieber Party machen und Drogen konsumieren. Bei ihr ist das Thema, wie Mutterschaft die Dynamik in Freundschaften verändert. Last but not least ist da noch Lexi. Sie ist eine Celebrity-Influencerin, die mit ihrer besten Freundin Amanda einen Podcast betreibt. Hier stellt sich die Frage, welchen Einfluss Berühmtheit und Geld auf Freundschaften haben. Auch eine sehr interessante Konstellation.

Allgemein wird bei allen drei Protagonistinnen thematisiert, wie sich Freundschaft im Laufe der Zeit verändert und die Frage gestellt, was Freundschaft überhaupt ist und was sie ausmacht. Ist sie nicht oft mehr mit Tragik und Komplikationen behaftet als die romantische Liebe?

Ich muss sagen, das Buch hat mich positiv überrascht. Ich habe es bis zu einem gewissen Punkt richtig gern gelesen. Der Humor war sehr nuanciert und die Situationskomik niemals überladen und sehr treffend. Ich konnte mich mit einigen Problemen der Protagonistinnen sehr identifizieren - ob es die Struggles einer jungen Mutter kurz nach der Entbindung sind (Joanne) oder das Gefühl des Außenseitertums in einem Freundeskreis (Claire). Lexi ist natürlich als Prominente von ihrer Lebenssituation eher elitär, aber auch bei ihr gab es Aspekte, die einem bekannt vorkamen oder die man zumindest nachempfinden konnte. Leider ist der Roman mit fast 600 (568) Seiten aber dann doch viel zu lang gewesen für meinen Geschmack und den Plot, der an manchen Stellen zu sehr gedehnt wurde.

Ich muss jetzt etwas spoilern, um mit der Rezension abschließend nochmal in die Tiefe gehen zu können. Eine der Protagonistinnen in diesem Buch hat eine psychische Erkrankung (Triggerwarnung). Es ist also ein Roman, der die Themen Freundschaft und Mental Health miteinander verbindet. Bei diesem Buch steht die Triggerwarnung erst ganz am Ende, sowohl in einfacher Form, als auch in Form eines sehr persönlichen Briefes der Autorin an ihre Leser:innen. Ich wünschte, ich hätte dies am Anfang gelesen, denn meine älteste Freundin hatte ebenfalls die Erkrankung, die im Roman geschildert wird. Bei ihr ist es leider nicht gut ausgegangen und ich bin so eine Freundin, die nicht helfen konnte. Allerdings wusste ich auch nichts von ihrer Erkrankung. Deswegen ist es so wichtig, darüber zu sprechen. Natürlich wird man die belastenden Gedanken daran nie wirklich los, aber es tut gut, darüber zu reden. Reden ist immer gut. Und wenn man den “Brief an meine Leser:innen” der Autorin gelesen hat, versteht man sehr gut, welche Relevanz das Thema auch für sie hat. 

Fazit: Ein unheimlich wichtiger Roman über Freundschaft und Mental Health, der nur manchmal an leichte “Chick-lit” erinnert. Übersetzt aus dem irischen Englisch von Alexandra Kranefeld. 

Herzlichen Dank an Pola Stories und Bloggerjury für das Rezensionsexemplar!


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